Die Lage ist schrecklich verfahren. Die türkische Führung tobt nun schon
seit Wochen wegen der Armenier-Resolution des Bundestages, Präsident
Erdogan will sich gar nicht mehr beruhigen. Türken mit deutscher
Staatsbürgerschaft sind dermaßen beleidigt, dass sie eine eigene Partei
gründen wollen.
Letzteres ist ein besonders tiefer Schlag, denn
dieser Schritt könnte Rot und Grün um die Früchte ihrer jahrzehntelangen
Bemühungen bringen, die im Jahr 2000 in der Konfetti-leichten Gewährung
doppelter Staatsbürgerschaften gipfelten. Das geschah in der Erwartung,
dass die ansonsten eher stockkonservativ gepolten Deutschtürken aus
Dankbarkeit Rot oder Grün wählen, was sie in ihrer großen Mehrheit
bislang auch brav taten. Wenn diese Leute jetzt einen eigenen Laden
aufmachen – wozu dann all der Aufwand?
Abgesehen davon beantwortet
die Parteigründung eine Frage, die zu stellen das Multikulti-Lager am
liebsten verbieten würde. Nämlich: Wie „deutsch“ sind diese Neu- und
Doppelpassbürger eigentlich wirklich? Von links wurde uns vorgeschwärmt,
dass sie, zumindest in der zweiten Generation und sobald sie den
deutschen Pass in der Tasche hätten, zu loyalen Bürgern unseres Landes
reiften und keineswegs mehr „Fremde“ seien.
Warten wir’s ab, lautete
der kleinliche Einwand von rechts: Das werde sich erst erweisen, wenn
deren frühere Heimat mit Deutschland in Konflikt gerate und sich die
Neubürger entscheiden müssten, auf welcher Seite sie stehen.
Hinsichtlich der Parteigründer ist diese Frage geklärt.
Das hilft uns
aber auch nicht viel weiter. Es kann doch nicht ewig so weitergehen,
dass sich Türken und Deutsche gegenseitig an den Ohren ziehen wegen des
Armenier-Genozids. Wir müssen irgendeinen Modus Vivendi finden,
schließlich wollen wir doch miteinander auskommen.
Ein Autoren-Trio
der „Frankfurter Allgemeinen“ hat eine Lösung gefunden, die so
neudeutsch ist, wie sie nur sein kann: Deutsche Historiker sollten sich
der „deutschen Mitverantwortung“ an dem Massenmord „stärker als bisher
zuwenden“. Dieser Aspekt sei „ein genuin deutsches Problem, dessen
Bearbeitung einiges zur internationalen Entspannung und zur mentalen
Abrüstung in Deutschland und in der Türkei beitragen kann“, so die drei
Weisen.
Die „deutsche Mitverantwortung“ für den Armenier-Mord gleicht
jener der US-Amerikaner und Briten für Stalins Gulag in der Zeit ihres
Bündnisses von 1941 bis 1947. Ob die Angelsachsen das wohl schon
bearbeitet haben? Nichts bekannt. Uns ist überdies völlig entgangen, wo
und wie Deutschland „mental aufgerüstet“ hat, was im Gegenzug also
„abzurüsten“ wäre.
Poltern tut allein die Türkei, bei uns gibt es bloß
diese Resolution. Sollen die Abgeordneten die etwa wieder zurücknehmen?
Nein,
nein, das wollen die Autoren gewiss nicht. Sie sagen das mit dem
„Abrüsten“ nur, um die Türkei und Deutschland zunächst auf die gleiche
Stufe zu bugsieren, damit sie sogleich die neudeutsche Wunderwaffe im
Ringen um jedwede verlogene Völkerverständigung zücken können: das
deutsche Schuldbekenntnis!
Das ist das Besondere an uns. In anderen
Ländern fühlen sich die Leute selbst dann noch ihren eigenen Toten
verpflichtet, wenn diese in Schandtaten verwickelt waren. Daher
versuchen sie, deren Treiben zumindest zu erklären: Das war eine ganz
andere Zeit, die Menschen waren enormem Druck ausgesetzt und konnten
sich ihre Epoche ja nicht aussuchen, viel besser waren die anderen auch
nicht und so weiter.
Da sind wir aus anderem Holz, Gnade wird
unseren Vorfahren nicht gewährt, selbst wenn, wie im Fall der Armenier,
gar keine Deutschen beteiligt waren. So musste erst ein in England
lehrender australischer Historiker kommen, um uns vor ein paar Jahren
die weltbewegende Neuigkeit zu verraten, dass Deutschland doch nicht der
Hauptschuldige am Ersten Weltkrieg war. Von allein wären wir da nie
drauf gekommen. Schon allein deshalb, weil wir nach einer derart
irritierenden Entdeckung gar nicht gesucht hätten. So reagierte das
akademische, politische und mediale Deutschland auf Christopher Clarks
Griff in unsere Schuldkiste überwiegend zurückhaltend, teilweise sogar
konsterniert. Oder man ignorierte den frechen Kerl einfach und verkroch
sich in den gewohnten Gewissheiten unter der Überschrift: „Deutschland,
das im 20. Jahrhundert zwei Weltkriege angezettelt hat.“
Mit einem
neueren Dreh schaffen wir es mittlerweile, deutsche Schuld selbst für
Taten zu entlarven, bei denen die Deutschen weder als Täter noch als
Verbündete der Täter aufgetreten sind. Ganz im Sinne der internationalen
Konkurrenz haben die Schuldfinder die deutsche Waffenindustrie als
neuesten teutonischen Massenmörder aufgetan.
Frage: Wenn jemand mit
einem Gewehr ermordet wurde, wer steht dann vor Gericht: der Mörder oder
der Büchsenmacher? Kann man den Büchsenmacher dafür bestrafen, dass
sein Werk für ein Verbrechen verwendet wurde? Natürlich nicht, Gewehre
dienen ja auch dem Schutz von Menschen. Dass nicht Waffen töten, sondern
Menschen, sieht jeder ein – es sei denn, auf der Waffe prangt ein
deutsches Firmenlogo.
Dabei bedarf es gar keiner modernen Waffen, um
einen Völkermord zu begehen. Beim schlimmsten Genozid der jüngsten Zeit,
dem in Ruanda 1994, schlachteten die Hutu ihre Opfer vom Stamm der
Tutsi mit simplen Macheten ab. Einem Gerät, das gewöhnlicherweise für
die Feldarbeit benutzt wird.
Dennoch nicht auszudenken, was deutsche
Schuldfinder aufgeführt hätten, wenn herausgekommen wäre, dass die
Bundesrepublik in den 80er Jahren als Entwicklungshilfe eine moderne
Macheten-Schmiede in das ostafrikanische Land geliefert hätte. Wenn wir
lange genug suchen, kommt irgendwann an jedem Kriegsschauplatz irgendein
verrosteter Karabiner aus germanischer Produktion zum Vorschein. Oder
ein Messer aus Solingen, oder die Täter fahren auf alten deutschen
Lastwagen umher oder pflegen ihr hässliches Gesicht mit hessischen
Rasierapparaten. Was auch immer.
Und wozu soll das Gewese dienen?
Erst einmal, weil sich die Ankläger dadurch besser fühlen – den anderen
Deutschen moralisch überlegen. Ganz aktuell muss man den Deutschen
überdies erklären, warum ausgerechnet sie die meisten Syrer unter allen
EU-Ländern aufnehmen sollen. Nämlich weil in Syrien Krieg ist, weil
Kriege mit Waffen geführt werden und Deutschland Waffen exportiert:
schuldig!
Zuguter Letzt geht es natürlich auch um Geld. Geld, das wir
im Grunde gar nicht haben. Der Soziologe Gunnar Heinsohn rechnet vor,
dass allein die minderjährigen Zuwanderer und Flüchtlinge binnen zehn
Jahren 70 Milliarden Euro kosten werden. Das sei eine interessante
Summe, denn gerade erst habe die Politik die dringend notwendige
Breitbandverkabelung der Bundesrepublik auf Eis gelegt. Die sei zwar
technisch unbedingt nötig für ein Land, das wettbewerbsfähig bleiben
wolle, aber leider unbezahlbar teuer, so die Argumentation aus Berlin,
Kostenpunkt: 70 Milliarden Euro.
Gleichzeitig greift
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe in den Gesundheitsfonds, die
eiserne Reserve des deutschen Gesundheitssystems, um 1,5 Milliarden
Euro für die Versorgung von Zuwanderern und Flüchtlingen abzuzweigen.
Bremen meldet, dass es kein Geld mehr habe für die Rettung seiner
taumelnden Landesbank, weil die „Flüchtlinge“ so viel kosteten.
Angesichts
solcher Nachrichten ist es dringend angeraten, eine deutsche Schuld am
Krieg in Syrien und dem Irak, an der Korruption in Eritrea oder egal was
in Nigeria und Gambia und wo nicht überall herbeizubasteln. Denn nur so
werden wir die Deutschen dazu bewegen, ihre Infrastruktur verrotten
oder ihre Gesundheitskasse plündern zu lassen, um das Geld anderen zu
geben. Hans Heckel
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