Stationen

Mittwoch, 22. Juni 2016

Dass ich Steinmeier eines Tages loben würde...

Nicht nur Druck und Härte gegen Moskau, sondern auch Dialog: Der deutsche Außenminister mahnt zur Vernunft und wird hart attackiert.

Die Warnung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, das Verhältnis zu Russland nicht „durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul“ noch weiter aufzuheizen, hat zum Teil giftige Reaktionen vonseiten der Union wie etlicher Medien hervorgerufen. Der SPD-Politiker sieht im polnischen Großmanöver „Anakonda“, sinnlosen Aktionismus. Steinmeier fordert, nicht nur mit Druck und Drohungen auf den Kreml einzuprügeln, sondern zugleich den Dialog daneben zu setzen. Den habe man „völlig vergessen“.
Die Kritik an Steinmeier fußt letztlich auf dem Standpunkt, dass allein Russland schuld sei an den frostigen Beziehungen zum Westen, welche die Tauwetterperiode nach dem Ende des Kalten Krieges abgelöst haben. Eine allzu einseitige Sicht, wie der Blick auf die Fakten belegt.
So werfen Kommentatoren US-freundlicher deutscher Medien ausschließlich der russischen Seite Grenzprovokationen vor. Dabei übergehen sie geflissentlich ähnliche Aktionen der USA. Auch die Schuld an der Eskalation in der Ukraine sehen die Steinmeier-Gegner allein bei Russlands Präsident Putin. In Wahrheit beeinflussen auch die USA die politische Entwicklung des gebeutelten Schwarzmeer-Staates seit Jahren massiv und im durchaus eigenen Interesse, wofür Milliarden geflossen sind.

Der deutsche Außenminister verlangt keineswegs, vor Moskau aus Angst vor Konflikten auf die Knie zu gehen, er zweifelt auch nicht an den berechtigten Sicherheitsinteressen etwa Polens oder der baltischen Staaten. Steinmeier weiß aber, welches Verhängnis sich ergeben kann, wenn jede Seite nur auf ihre eigenen Rechte und „legitimen Interessen“ pocht, ohne die des anderen anerkennen zu wollen. Drohend zieht das Szenario von 1914 am Horizont herauf, als eben diese Halsstarrigkeit eine Weltkatastrophe auslöste.

Im schlimmsten Fall könnte dies zu einem direkten Schlagabtausch an Europas Ostflanke führen. Die konventionellen Kräfte der Nato sind denen Russlands jedoch hoffnungslos unterlegen, das Baltikum wäre Experten-Schätzungen zufolge in wenigen Tagen überrannt, Polens Sicherheit ernsthaft gefährdet.
Und dann? Die USA müssten in dem Moment den Einsatz von Atomwaffen erwägen, um ihren Weltmachtstatus zu verteidigen. Das nukleare Inferno bräche los, ade Europa!

Diesen schlimmsten Fall muss ein deutscher Außenminister mitdenken, genau das hat Steinmeier getan. Mag sein, dass ihn dabei auch innenpolitische Überlegungen bewegt haben, etwa die, auf diese Weise eine Brücke zur Linkspartei für ein rot-rot-grünes Bündnis 2017 zu bauen. Doch das fiele in der Bedeutung weit zurück hinter die epochale Gefahr, die es zu bannen gilt. Hier ist Minister Steinmeier als Stimme der Vernunft aufgetreten.   Hans Heckel

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.