Stationen

Sonntag, 19. Juni 2016

De casu singulari

Ein Mordanschlag auf eine Gegnerin des britischen EU-Ausstiegs kippt angeblich die gesamte Stimmung beim Briten oder soll es zumindest nach dem Willen hiesiger Politiker und Öffentlichkeitsarbeiter tun, allenthalben führen EU-konforme Schamanen immer wildere Regentänze gegen den Brexit auf, während umgekehrt die Gewalttaten von Muslimen auf die Einwanderungspolitik der Europäer möglichst keinerlei Einfluss nehmen mögen – warum? Die Antwort steckt in einem im Schwange befindlichen Begriff, dem Einzelfall nämlich. Die Ermordung der Labour-Politikerin Jo Cox war nämlich tatsächlich ein solcher, das heißt, man muss diese Gunst des Schicksals dringend ausnutzen, um einen Stimmungsumschwung zu erzeugen, denn so schnell wird eine derartige Chance nicht wiederkommen. Während die anderen, ursprünglichen, systematischen, geradezu systemischen Einzelfälle ja noch zunehmen, jedenfalls verlässlich wiederkehren werden und insofern keiner speziellen Indienstnahme bedürfen.

"Politiker sehen sich immer häufiger Anfeindungen ausgesetzt – einfach nur, weil jemandem ihre Haltung nicht passt", nimmt Bento, der juvenile Appendix und gewissermaßen die Komsomolskaja Prawda von Spiegel online, den Fall Cox zum Anlass, um die Gefährdungssituation in Dunkeldeutschland zu, wie man sagt, beleuchten. "Was macht das mit unseren Abgeordneten? Wie erleben sie Hass im Netz? Und haben sie Angst davor, dass sie ihm auf der Straße begegnen?" Also machte sich eine Komsomolzin auf den Weg und sprach mit Abgeordneten "über Drohungen und Hetze". Es war derselbe Tag, an dem trotz mutwilligsten Stillschweigens nahezu sämtlicher Medien – und natürlich auch von Spiegel online virtuos beschwiegen – bekannt wurde, dass Linksfaschisten in Hamburg-Wilhelmsburg Flugblätter mit der Anschrift und dem Namen der minderjährigen Tochter einer AfD-Politikerin aufgehängt haben, wobei es in der Hansestadt immerhin seit 1938 nicht mehr vorgekommen ist, dass man Namen und Adressen von Volksschädligen öffentlich plakatiert, die Sache also etwas mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Es ist derselbe Tag, da im bayerischen Metten das Haus und das Auto der AfD-Kreisvorsitzenden mit Teer und Gülle beschmiert wurden (die zur Tatzeit mit ihren Kindern übrigens im Haus war). Es ist die Zeit, wo nahezu täglich AfD-Mitglieder und -Einrichtungen attackiert werden. Und mit wem spricht unsere Bento-Fachkraft? Mit je einem Abgeordneten der CDU, der Grünen und der SPD. Einer der drei ist sogar schon mal tätlich angegriffen worden. Die AfD kommt jedenfalls in dem Artikel nicht vor. Denn die haben es schließlich nicht anders verdient.

Ich sehe ein, dass es auch der Begriff Lückenpresse oft nicht trifft. Es muss in solchen Fällen schon Lumpenpresse heißen.  MK 17. Juni 2016

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