Stationen

Mittwoch, 22. Juni 2016

Neotenie-Welle ebbt ab


Die 80-er und 90-er Jahre hatten eine Woge der neotenischen Verfeinerung und Spiritualisierung mit sich gebracht, durch die sich die nach 1945 zu beobachtende Infantilisierung (Verkindung, aber auch Verkindlichung: siehe hier und hier) vergeistigte, aber damit ist jetzt erst mal Schluss, denn...



Fast alle von uns haben Hannah Lühmanns Home-Story aus dem Rittergut (inzwischen eine Art journalistisches Sub-Genre) aus der Welt am Sonntag gelesen. Ich jedenfalls habe daraufhin Lühmanns jüngsten Beitrag  mit dem spaßigen Titel „Warum haben linke Männer keine Eier?“ kommen sehen.

Sie beklagt darin, daß es „die reaktionären Kräfte geschafft“ haben, „als cool zu gelten“, während es auf der Linken nur mehr „schwächelnde Gender-Männer“ gäbe, denen sie ein denkbar schlechtes Zeugnis ausstellt.

Attraktiver als der gängige linke Müsli-Gender-Mann erscheint ihr etwa das schwule enfant terrible der siebziger Jahre, Rainer Werner Fassbinder:
Die Fassbinder-Männlichkeit war eine patzige, lauernde, federnde, jederzeit bereit zur Brutalität. Und Fassbinder war, da kann man nichts anderes sagen, ein Linker, ein Aufklärer, ein Bürgerschreck.
Als aktuelles Pendant fällt ihr bezeichnenderweise nichts Besseres als Fassbinders Generationsgenosse Udo Lindenberg ein, der schon seit über dreißig Jahren im Zustand der juvenilen Vertrottelung steckengeblieben ist, und inzwischen zusammen mit Konstantin Wecker und leider auch Heino reif fürs Museum der lebenden BRD-Fossilien ist. Die „Sehnsucht der Menschen nach Bildern“ und einer attraktiven Ikonographie der „Subversion“ kann die Linke nach Lühmann jedenfalls nicht mehr stillen:
Die Reaktion entwickelt gerade neue Ikonografien. Und die Reaktion frisst unsere Männer. (…) Der gemütliche Eierlikörmann (Lindenberg) und der transsibirische Tigermann (der für Russia Today arbeitende Schauspieler Claude-Olivier Rudolph) teilen eins: die trashige Selbstinszenierung als popkulturelle Pathosformel, vergangenheitsselig und absolut zukunftsträchtig. Nehmt das, ihr Gender-Feministinnen, der Mann, er eiert noch, der Mann er reitet wieder, der Mann, er kämpft.Und was hat die Gegenseite? Auf der Gegenseite haben wir nichts, jedenfalls keine Wut, die eine breite Masse sexy finden könnte.
Lustig ist, daß ihr gleich als nächstes ausgerechnet der transsexuelle Sänger Anohni (ehemals Antony) in den Sinn kommt, den man wohl nur im weitesten Sinne als „politisch“ bezeichnen kann, und dessen wehrkraftzersetzende Wirkung auf das Hörergemüt sie recht treffend charakterisiert:
Anohni, die als Antony geboren wurde, ist zwar eine wunderbare Sängerin und sehr wütend auf die Gesellschaft, aber ihre Songs sind derart depressiv, dass man sich eine dazugehörige Massenmobilisierung wohl eher als träge Massenintrospektion, schlimmstenfalls als Massensuizid vorstellen muss.




Obwohl sie es nicht wörtlich so nennt, beklagt Lühmann im Grunde nichts anderes als eine Verweiblichung der linken Männer, die ihre Körper verkommen lassen und zu zickenden bis weinerlichen „Nörglern“ geworden sind:
Die Männer müssen ihre Körper zurückerobern. Die Linke kann den Protest nicht mehr, sie kann nur noch nörgeln. Und das liegt auch daran, dass wir die Männer verloren haben. Wo ist der wilde linke Mann? Der Pöbelmann? Der Sehnsuchtsmann?(…) Der Linke also, insofern er kein Antifa-Linker und zu beschäftigt damit ist, Morddrohungen gegen AfD-Lokalpolitiker zu schreiben, ist beleidigt, weil ihm die prolligen Strahlo-Männer die Schau stehlen. Er ist so beleidigt, dass er es sich noch nicht einmal eingestehen kann, dass er beleidigt ist, er sagt stattdessen: „Das ist ein archaisches Geschlechterbild, da wollen wir auf gar keinen Fall hin zurück.“
Und so fragt Lühmann sich selbst und ihre Leser:
 Was haben wir dem entgegenzusetzen? Wir, die Linken, die Liberalen, die Humanisten?
Einen Versuch unternimmt sie noch, indem sie tief in die historische Klamottenkiste greift und den bekannten liberalen Humanisten Andreas Baader ausgräbt:
Wo ist eigentlich Andreas Baader? Nicht der richtige, der lebendige, der Mörder, der nicht, sondern Andreas Baader, wie er von dem schwulen Modefotografen Herbert Tobias fotografiert wurde? Mit diesem Blick, der einen schwummerig macht, weil er so selbstbewusst ist, so erschöpft, so wach, so androgyn und so gewalttätig. Androgynie war doch mal etwas Subversives und nichts Korrektives.
Das ist wahrscheinlich die offensichtlichste Bankrotterklärung dieses als „Manifest“ untertitelten Artikels, und zudem nicht ganz aufrichtig, denn der Appeal von Baader wäre zweifelsohne bedeutend geringer, wenn er kein cooler Killer und Terrorist geworden wäre (Fassbinder übrigens: „Ich werfe keine Bomben, ich mache Filme“), nicht zuletzt wohl auch für Lühmann selbst, wenn sie explizit die Abwesenheit von „Sex, Pathos und Gewalt“ auf der Linken beklagt. Immerhin war sie nicht so abgeschmackt, die ausgelutschte rote Guerilla-Ikone Che Guevara zu erwähnen. Die wahren Gründe für die Popularität des letzteren hat Eugène Ionesco auf den Punkt gebracht:
Ich sah eine Fotografie von Guevara mit dem Gewehr in der Hand und begriff, daß man in Guevara zuerst den Mann mit dem Gewehr sah, und daß man ihn deswegen liebte.
Ich erspare mir hier eine Diskussion über Linke und Gewalt. Andreas Baader und Che Guevara waren Massenmörder und bösartige Narzissten, aber das tut ihrer Anziehungskraft keinen Abbruch, im Gegenteil. Gewalt im Dienst der „guten Sache“, also „humanistisch“ motivierte Gewalt, ist für die Linke entweder gerechtfertigt, ein Kollateralschaden oder eine Nebensache, bei der man beide Augen zudrücken darf, und nicht selten ist sie mit einem uneingestandenen Frisson verbunden, den man sich in diesem Fall, trotz all seiner „humanistischen“ Ideale insgeheim leisten darf. Und natürlich waren Männer wie Baader oder Guevara archetypische „bad boys“, wie sie seit eh und je für viele Frauen attraktiv waren. Das ist ein Muster, das im Grunde weder mit Politik noch mit Moral zu tun hat; auch ein Ted Bundy bekam tonnenweise Fanpost, Liebesbriefe und Heiratsanträge ins Gefängnis zugeschickt.
Lühmanns Sehnsucht nach diesen rebellischen, neo-machistischen Männern scheint mir jedenfalls nur sekundär mit Politik zu tun haben. Hier drückt sich wohl eher der Wunsch aus, Männer mit guten Gewissen verehren zu dürfen, die quasi „rechts“ im Habitus, aber „links“ im Kopf sind. Es ist auch bezeichnend, daß sie vor allem Schauspieler, Selbstdarsteller und Showmenschen im Sinn hat, leicht „androgyn“ und reizvoll angeschwult, wie bei Rockstars üblich, das ist sozusagen das „linke“ i-Tüpfelchen auf dem sich „rechts“ verhaltenden Mann.
 
Dazu zwei Dinge:

Appelle wie dieser sind verlorene Liebesmüh. Links wird nicht mehr sexy werden, der Zug ist abgefahren, nicht zuletzt dank der feministischen Politik, die sich redlich Mühe gibt, die Geschlechterpolarität immer mehr einzuplätten.

Der Wertekanon und die Agenda der heutigen Linken sind derart männer- und männlichkeitsfeindlich geworden, daß sich Männer (und Frauen), die sich dem „Queer- und Xenofeminismus“ (Lühmann) entziehen wollen, zwangsläufig nach „rechts“ bewegen müssen, und sei es nur ein paar Schritte. Nichts anderes sagt Lühmann, wenn sie sich einen „politisch inkorrekten Humanitätsmaskulismus“ wünscht, und als Kandidaten ausgerechnet Thomas Glavinic vorschlägt, dessen – wie von der Autorin ausdrücklich hervorgehoben – schneidigste Tat der letzten Zeit darin bestand, sich zur Empörung der linken Meinungsmacher für eine Entdämonisierung der Hofer-Wähler aus dem Fenster zu lehnen.

Ein paar solcher Männer, die sexy Machos und „Linke, Liberale, Humanisten“ zugleich sind, mag es noch geben. Aber es ist heute zu spät für eine Korrektur und einen Kompromiß. Der Trend wird weiterhin in eine deutlich andere Richtung gehen. Es ist schließlich kein Zufall, daß die Männer auf der Linken zu eierlosen Genderbendern geworden sind, um es frei nach Lühmann zu sagen, sondern es handelt sich um eine direkte Folge der Zuspitzung und Radikalisierung linker Doktrinen und Werte.
Männer, die sich vom Feminismus und seinen Anhängseln abwenden, werden häufig die Erfahrung machen, daß auch der Rest des linksliberalen Gebäudes einstürzen wird wie ein Kartenhaus oder eine Dominokette: die egalitären Lügen über Männer, Frauen, Geschlechter, Völker, Ethnien, Religionen bilden einen ideologischen Block, einen kompletten und weitläufigen „Verblendungszusammenhang“, um es auf „links“ zu sagen.

Oder um ein einfaches Beispiel zu nennen: ich kann mir kaum vorstellen, daß ein Mann, der noch einigermaßen Selbstrespekt und die Füße auf dem Boden hat, ernsthaft den Kitsch der „Willkommenskultur“ mit ihrer „bunten“ Sprache und ihrer „Vielfalts“-Verlogenheit unterstützen kann, oder angesichts der Ereignisse der Kölner-Silvesternacht noch die Geduld hat, sich den vernebelnden, feigen, „feministischen“ Quatsch über allgemein-männliche „sexualisierte Gewalt“ anzuhören.

Und zweitens: selbstverständlich ist es von großer Bedeutung für uns, wenn die Rechte im weitesten Sinne mit attraktiven und charismatischen Figuren aufwarten kann und sich gut zu inszenieren weiß, von souveränen „starken Männern“ wie Trump und Putin bis hin zu schneidigen, gutaussehenden Frauen wie Ann Coulter, Marine Le Pen oder Frauke Petry.  Es kann aber nicht letztendlicher Sinn der Sache sein, sich allein auf die Außenwirkung zu konzentrieren, und Männlichkeit oder Coolness als reine Pop-Pose in Szene zu setzen. Lühmann denkt hier in konsumistischen und hedonistischen Kategorien, liebt die Pose offenbar mehr als die Substanz, denn in der Welt der Pop-Ikonen ist letztlich nichts wirklich ernst, auch der Terrorismus, die Gewalt und die Rebellion nicht.

Zudem schlägt Lühmann mit begrifflichem Schaum um sich, wenn sie etwa vage von „Reaktionären“ spricht, oder so tut, als wären linke, liberale oder „humanistische“ Positionen allein auf ihrer Seite zu finden. Das ist keineswegs der Fall, wenn man sich das Spektrum der „Reaktionäre“ und ihre vielfältigen Positionen genauer anssieht. Es geht hier im Grunde nur um Jonglieren und Aneignen von Schlagworten.
Mir erscheint es wichtig, immer wieder hervorzuheben, daß auch und gerade einwanderungskritische Positionen von einem aufgeklärten und humanistischen Geist getragen sind: das Recht der Völker, ihre Identität und Kultur zu bewahren, das Recht der Nationen, sich primär um das Wohl ihrer Bürger und die innere Sicherheit zu kümmern, die Zurückweisung und Bekämpfung des islamischen Extremismus und Fundamentalismus, die Forderung, die Ursachen der Masseneinwanderung vor Ort zu bekämpfen, anstelle blindlings die Grenzen zu öffnen, die Forderung nach einer Familien- und Geschlechterpolitik, die nicht danach trachtet, die Geschlechter mit Genderdysphorie und die Kinder mit Frühsexualisierung anzustecken   etc., etc. all dies zum Beispiel läßt sich vernünftig, aufgeklärt, sachlich und darum humanistisch begründen.

Dagegen hat sich die Linke längst nur mehr auf irrational-utopistische Ziele eingeschossen, die sie mit quasi-religiösem Eifer verfolgt.

Die Aussicht, schöne Frauen zu erobern und zu beeindrucken, ist gewiß eine außerordentlich starke Motivation für Männer, Appellen wie jenem von Hannah Lühmann zu folgen. Aber am Ende will auch sie, wie die meisten Frauen, die Männer nach ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen formen. Wichtiger scheint mir, daß sich die Männer fragen, was sie denn selbst wollen und was sie denn selbst sein wollen. Es geht um Lebensvollzüge jenseits von „coolen“ Posen, um die Substanz und nicht um die Show. Männern sollten mehr Wert darauf legen, was andere Männer von ihnen denken. Dem Respekt der Männer folgt in der Regel der Respekt der Frauen auf den Fuß nach.

Aus diesen und anderen Gründen erschien es mir wichtig, Jack Donovans Kultbuch „The Way of Men“, dessen Übersetzung ich übernommen habe, dem deutschen Publikum vorzustellen: „Der Weg der Männer“, ab Juli bei Antaios lieferbar, ist eine radikale Absage an die gängigen Geschlechter-“Diskurse“ und versucht neue und zugleich sehr alte Wege zu skizzieren.
Allen Männern, die sich von Hannah Lühmanns Aufruf angesprochen fühlen, kann ich nur sagen: es gibt kein richtiges Leben im Falschen, und links sind alle Wege verbaut, verbraucht und verdorben, mithin Sackgassen und Fallen. Man kann heute nicht mehr „links“ und zugleich ein Mann sein, wie ihn sich Lühmann wünscht – oder wie viele Männer selbst gerne wären. Die Linke wird euch nur „auffressen“ und zerfressen, bis andere, linksresistente, von ihr selbst importierte Männer kommen und sie ihrerseits auffressen werden. Der Weg der Männer kann heute nur nach „rechts“ führen. Kommt zu uns, und helft uns, neue Wege ins Gestrüpp zu schlagen!  Martin Lichtmesz



Hier vorbestellen: „Der Weg der Männer“, mit Bonusbeiträgen von Martin Lichtmesz und „Raskolnikow“.

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