Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
Ihr Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag in Berlin:
„Was gestern in Chemnitz stellenweise zu sehen war und was ja auch in
Videos festgehalten wurde, das hat in unserem Rechtsstaat keinen Platz.
Solche Zusammenrottungen, Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens,
anderer Herkunft, oder der Versuch, Hass auf den Straßen zu verbreiten,
das nehmen wir nicht hin, das hat bei uns in unseren Städten keinen
Platz, und das kann ich für die Bundesregierung sagen, dass wir das auf
das Schärfste verurteilen.“
Gut so. Das unterstütze ich voll und ganz. Allerdings würde ich mir wünschen, dass Sie als Vorsitzende der CDU
Deutschland mit ihren Parteifreunden in Sachsen einmal ein ernstes Wort
über Rechtsextremismus reden. Die regieren dort seit der Wende und
haben es versäumt, effektiv gegen Rechtsextreme vorzugehen, im
Gegenteil, offenbar haben sich dort Strukturen verfestigt, die in
kürzester Zeit wie auf Kommando große Gruppen in Bewegung setzen können.
Ebenso vermisse ich seit dem Jahr 2015 so klare Worte zur Gewalt
durch Asylbewerber. Damit meine ich nicht, jede Form von Gewalt
abzulehnen und schwere Straftaten zu verurteilen. Das ist
selbstverständlich. Ich meine, dass Sie versäumt haben, sich ganz
präzise zu Straftaten von Asylbewerbern, ihrer Wirkung auf die
Gesellschaft und Maßnahmen, ihnen vorzubeugen, zu äußern und
entsprechend zu handeln.
Ich muss etwas ausholen, um das zu erklären. Schwere Straftaten, ganz
besonders Morde mit Messern, verursachen in der Gesellschaft
gravierende Reaktionen, weil in wesentlichen Fragen Streit dominiert:
1) Sind Asylbewerber häufiger als andere an Tötungsdelikten beteiligt?
2) Darf man an Asylbewerber besondere Ansprüche zur Rechtstreue stellen?
3) Hat der Staat genug getan, um solche Taten zu verhindern?
Ich habe diese Fragen bereits vor einem Jahr in meinem Buch “Wir können nicht allen helfen” thematisiert:
“Die Menschen, die über das Asylrecht zu uns gekommen sind, haben
sehr viele Eigenschaften, die in unserem Land die Wahrscheinlichkeit,
kriminell zu werden, nach oben treibt. Das betrifft nicht ihre Herkunft,
aber ihr Geschlecht, ihr Alter, ihre Perspektive am Arbeitsmarkt, ihr
Wohnviertel, ihren Bildungsgrad oder ihr Einkommen. Selbst wenn wir also
gute Gründe haben, davon auszugehen, dass die zugewanderten Menschen
bei gleichen Voraussetzungen nicht häufiger kriminell werden als die
einheimische Bevölkerung, wäre es statistisch folgerichtig, wenn sie
deutlich überdurchschnittlich häufig zu Straftätern werden.”
Mittlerweile wissen wir es dank eine differenzierten Polizeistatistik
genauer: Asylbewerber sind siebenmal häufiger an Tötungsdelikten
beteiligt (14%) als nach ihrem Anteil an der Bevölkerung zu erwarten
wäre (2%). Trotzdem wird häufig auch in den Medien suggeriert, es gäbe
hier kein besonderes Problem oder gar behauptet, es sei rassistisch, es
zu diagnostizieren. Hier wäre ein klärendes Wort von Ihnen wichtig:
Asylbewerber sind nicht sui generis krimineller als Deutsche, aber die
Asylbewerber, die derzeit bei uns im Land leben, vereinen so viele
Risikofaktoren, dass eine hohe Kriminalitätsbelastung zu erwarten ist.
Entsprechend müssen wir handeln.
Zur Frage 2 ebenfalls ein Zitat aus meinem Buch:
“Ein Gast – das wäre in der Kantschen Definition auch ein
Asylbewerber –, der einen Menschen umbringt, macht sich also nicht nur
eines Mordes schuldig, er vergeht sich auch gegen das Gastrecht. Das
letztere ist einem Einheimischen per Definitionem unmöglich.
Dies ist mehr als eine philosophische Randbemerkung, es hat
gravierende Konsequenzen. Ein solch schwerer Missbrauch des Gastrechts
stellt nämlich das Gastrecht selbst in Frage, weil die Gastgeber
zwangsläufig darüber nachdenken, ob sie das Risiko, Gäste aufzunehmen,
weiter tragen wollen. Wer als Gast zum Mörder wird, schmälert die
Chancen anderer, als Gast aufgenommen zu werden. So geschah es auch in
Deutschland nach den Gewalttaten von Flüchtlingen im Jahr 2016.
Alle über einen Kamm zu scheren, ist immer falsch. Es ist nur eine
sehr kleine Minderheit unter den Asylbewerbern, die zur Gewalt greift.
Ein Generalverdacht gegen Asylbewerber oder gar alle Ausländer ist
unmenschlich und zerstört die Fundamente einer pluralistischen
Gesellschaft. Trotzdem ist es vernünftig, Gewalt von Asylbewerbern
besonders zu beobachten, nach ihren Ursachen zu forschen und spezifische
Gegenmaßnahmen von der Prävention bis zur Strafverfolgung zu ergreifen.
Wir müssen von Asylbewerbern nicht erwarten, dass sie sich
gesetzestreuer als deutsche Staatsbürger verhalten. Wir dürfen es aber.
Und dass die Meinungen an diesem Punkt auseinander gehen, ist in einer
offenen Gesellschaft normal. Es gab beeindruckende Statements von
Flüchtlingshelfern, die nach dem Mord in Freiburg erklärten, sie würden
keine Sekunde darüber nachdenken, ihr Engagement nun zu reduzieren.
Trotzdem sollten wir auch zulassen, dass Menschen sagen, sie können
nicht akzeptieren, dass Menschen, die hierher kommen und angeben, sie
seien auf der Flucht, in kürzester Zeit zu Mördern werden. Das eine ist
nicht naiv, das andere ist nicht bösartig. Beides sind menschliche
Reaktionen. (…)
Es ist nicht zu leugnen, dass eine potenzielle Gewaltbedrohung durch
einzelne Flüchtlinge ein qualitativ anderes Problem für den Zusammenhalt
unserer Gesellschaft darstellt als eine solche durch Inländer mit einem
verfestigten Aufenthaltsrecht. Dass die Duldsamkeit gegenüber Ersteren
niedriger ist, entspricht nicht nur der Mehrheitsmeinung in der
Bevölkerung. Es ist auch ethisch gut begründbar. Denn einen moralischen
Anspruch auf Hilfe ohne die gleichzeitige Verpflichtung zur Achtung des
Helfenden gibt es nicht.
Die Zurückweisung eines Hilfesuchenden, der ein Minimum an Achtung
für den Helfenden vermissen lässt, ist eine notwendige Grenzziehung, die
uns in allen sozialen Kontexten schon die Selbstachtung gebietet.
Auch
unser Staat muss diese Selbstachtung unter Beweis stellen, wenn er das
Vertrauen, das ihm die Bürgerinnen und Bürger entgegenbringen, dauerhaft
rechtfertigen will."
Wie zerstörerisch Gewalttaten von Asylbewerbern auf eine freie
Gesellschaft wirken, kann man nach den jüngsten Mordfällen von
Wiesbaden, Offenburg und Chemnitz beobachten. Ich gestehe, ich gehöre zu
denen, die es nicht akzeptieren können, dass eine so große Zahl von
Menschen in unserem Land unschuldig das Leben lassen muss, weil der
Staat sie nicht vor Menschen schützen konnte, die zu uns gekommen sind,
um Hilfe zu ersuchen.
Das bringt mich zur Frage 3. Nach meiner Auffassung tut der Staat
eindeutig nicht genug, um Gewalt von Asylbewerbern entgegen zu treten.
Diese leben in einem verkehrten Anreizsystem, in dem Leistung nicht
belohnt und Fehlverhalten nicht bestraft wird. Deshalb wäre es so
wichtig, dass wir einen doppelten Spurwechsel vornehmen. Darunter
verstehe ich Arbeitserlaubnis und Bleiberecht für die Asylbewerber, die
sich integrieren, unsere Gesetze achten und eine Arbeit aufnehmen.
Einerseits. Andererseits aber den Entzug des Aufenthaltsrechts in den
Kommunen und den Rückverweis in sichere staatliche Einrichtungen wie die
ANKER-Zentren es sein werden. Beides sollte
auf Antrag der Kommunen erfolgen können. Denn vor Ort wissen wir, wer
Probleme macht und wer sich gut integriert. Allein durch diese beiden
Maßnahmen könnte der Häufung schwerer Gewalt durch Asylbewerber
strukturell entgegen gewirkt werden. Wenn wir sie in Arbeit bringen und
die polizeibekannten Störenfriede aus den Kommunen herausholen, wird die
viel zu hohe Zahl von Gewalttaten unter dem Schutz des Asylrechts
zurück gehen.
Ich bedauere sehr, dass Ihr Innenminister sich davon bisher nicht überzeugen ließ. Vielleicht können Sie es?
Mit freundlichen Grüßen
Boris Palmer