Was ist der Hauptunterschied zwischen der israelischen
und der deutschen Öffentlichkeit? Ich habe die Antwort einmal in die –
ein Qualitätsjournalist könnte hier schreiben: "augenzwinkernde" –
Sentenz gefasst: Fünf Juden, zehn Meinungen, fünf Deutsche, eine
Meinung. Woran erkennt man also einen wirklich eingedeutschten,
praktisch germanisierten Juden? Nun, daran dass er sturheil die Deutsche
Einheitsmeinung (DEM) vertritt, das heißt jene sardellenschwarmkonform
über die Seitenlinie oder bereits durch flüchtigen Medienkonsum
verlässlich zu erspürende Ansicht, die in politischen Belangen mit
deprimierender Erwartbarkeit vom Kanzleramt über den Bundespräsidenten
und sämtliche Parteien (außer derzeit einer), in allen Medien, Kirchen,
Gewerkschaften, Universitäten, Schulen, Theatern, Stiftungen, Vereinen,
Sportclubs, Ämtern und Hauptämtern etc. ad nauseam pp. als
verbindlich gilt, was unappetitlich genug ist, aber beinahe makaber
wird, wenn ausgerechnet Angehörige des eigentlich undiszipliniertesten,
gleichschaltungsunwilligsten Kollektivs (sofern diese contradictio in adiecto gestattet ist)
daran teilhaben – gottlob nur im Einzugsgebiet des deutschen
Grundgesetzes. Anderswo (und hierzulande unter vier Augen) kann man mit
Juden nach wie vor ganz normal in verteilten politischen Rollen reden,
streiten und sich amüsieren. Aber in den löchrigen Grenzen von ’schland,
davon darf sich jeder derzeit anhand der uniformen Reaktionen auf die
Gründung eines jüdischen Detachements innerhalb der AfD überzeugen,
marschiert zumindest die öffentlich sichtbare Judenheit im selben
Gleichschritt, wie’s dem Kern- und Knalldeutschen ansteht resp.
konveniert, mittenmang natürlich Michel Friedman, der gemeinsam mit
Konstantin Wecker die Widerstandsgruppe "Weiße Linie" ins Leben gerufen
hat (und man möchte, wenn auch nur aus Ennui, an Jacob Taubes’ Bemerkung
erinnern, dass für deutsche Juden die Versuchung, Nazis zu werden,
nicht bestand, weil man sie ja gar nicht erst gelassen hat).
Merke(l): Jüdische Führerkritik ist voll Nazi! Wir schaffen das!
"Die ominöse Gründung ist angesichts der Unwichtigkeit der Beteiligten bedeutungslos", schreibt ein wichtiger jüdischer Gastautor, dessen ominöser Name mir entfallen ist, in der Welt,
und zwar nachdem er zehn oder elf Absätze lang ein konformistisches
Wutschäumen über jene schlimmen Juden abgeliefert hat, die sich frech
der einzigen regierungskritischen Partei anschließen. Alle anderen in
Tonfall und Wortwahl ermüdend identischen Artikel müssen Sie, geneigter
Besucher meines kleines Eckladens, bitte selber googeln; dies ist
schließlich, auch wenn es mitunter den Anschein hat, keine
Zeitgeistschrottsammelstelle.
"Die Hauptcharaktere sind der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt", schreibt also Herr Dingens in der Welt,
sich mit dem Wörtlein "weitgehend" aus der Verlegenheit rettend, dass
sich jüdische AfDler durchaus aus ihren Neidhöhlen und Waldesklüften
bisweilen ins Offene wagten, etwa Wolfgang Fuhl, Alexander Beresowski
und Dr. Vera Kosova (hier
– überdies ist Kosova die im Artikel so verzweifelt gesuchte Frau
inmitten der schwefligen Männerrunde). In die knuffige deutsche
Öffentlichkeit trauten sich auch schon Emanuel Bernhard Krauskopf (hier), oder Artur Abramovych (hier).
Was die "ominöse Gründung" betrifft, so wurde das Fähnlein gegen seinen
Willen vorzeitig ins sog. Rampenlicht gezerrt (auf die Details
einzugehen, würde zu weit und nochmals ins Unappetitliche führen).
"Es treffen sich ein Jude, ein Russlanddeutscher und ein AfD-Sprecher", hebt der Welt-Artikel
an, was nicht stimmt: Fuhl ist kein Russe, sondern 1960 in Weil am
Rhein zur Welt gekommen und in Lörrach wohnhaft; der angebliche
"Möchtegernjude" versteckte sich mehr als ein Jahrzehnt im Vorstand der
jüdischen Gemeinde Lörrach und war von 2007 bis 2012 Mitglied im
35-köpfigen Direktorium des Zentralrats. Bei der AfD sitzt er im
Vorstand des KV Lörrach, ist dort seit 2013 durchgehend Direktkandidat
sowohl für Landtags- als auch für Bundestagswahlen; beruflich ist der
Mann übrigens leitender Angestellter bei einem Textilunternehmen und
dort zugleich Betriebsratsvorsitzender, eine typische Volkspartei- bzw.
Tätervolksparteifunktionärskarriere eben.
"Zur Gründung des
Arbeitskreises jüdischer Sozialdemokrat/innen war ich 2006 auf der Suche
nach Mitgliedern jüdischer Herkunft durch viele deutsche Städte
gereist, wir hatten uns in Vorrunden getroffen, die Gründung
konzeptionell und politisch vorbereitet, wir hatten nach politischen
Verbündeten in den jüdischen Gemeinden gesucht, nach Anschlussfähigkeit
an neue politische Ideen", fährt der Welt-Gastautor fort,
woraus wir erstens folgern dürfen, dass er Juden in Parteien schon kuhl
findet, wenn sie nicht die falsche erwischen, und dass er zweitens die
Israelphobie von S. Gabriel und anderen nach muslimischen Wählerstimmen
gierenden Spitzensozis für "anschlussfähig" hält – was insofern wurst
ist (wenn man mir den Begriff im Kontext von koscher und halal
nachsieht), als sogar jüdische Unterstützung die SPD bei ihrer
Selbstabschaffung nicht aufhalten wird. Im Übrigen und praktisch
drittens wird die Webseite des Arbeitskreises sozialdemokratischer
Jüdinnen und Juden im Namen des SPD-Vorstands betrieben; dass dies beim
Zirkel der Jüdinnen, Juden und jüdischen Angehörigen anderer
Geschlechter in der AfD je der Fall sein wird, ist gelinde gesagt
unwahrscheinlich.
"Allerdings", schreibt der nun endlich wieder zurück ins Ominöse verabschiedete Welt-Gastautor, "gibt es einen Unterschied zwischen Besorgnis und Dummheit."
Das hätte ich zwar filigraner, aber nicht sinngemäß anders sagen können.
PS:
Der Autor des hier gewürdigten Artikels, "Sergej Lagodinsky, ist
Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen und irgendwas bei der
Heinrich-Böll-Stiftung. Somit ist er weniger ominös als obsolet",
bemerkt Leser ***. Wenn *** da mal nicht irrt! Dann hat der Mann nämlich
rechtzeitig Witterung aufgenommen und ist von der sinkenden roten
Partei zur aufsteigenden roten Partei gewechselt. Ohnehin wird es in
Bälde nur noch zwei Parteien geben, AfD und Grüne, weil es die beiden
einzigen sind, die ein so konzises wie konträres Weltbild anbieten und
sich sämtliche westliche Gesellschaften derzeit in diese beiden Lager
teilen. Diese Zuspitzung ist nicht auf meinem Mist gewachsen, fühlt sich
dort aber gewissermaßen "pudelwohl" (Ch. Knobloch). MK am 28. 9. 2008
Die Familie als Brutstätte von allem Übel muss selbstverständlich
auch in die Arena des antirassistischen, antisexistischen,
antikapitalistischen etc. Kampfes gezerrt werden, was mit den Clans und
den meisten Einwanderern zwar nimmermehr gelingen wird, aber unter
Deutschen, wie zuletzt das Dritte Reich und der ostdeutsche
Realsozialismus vorgeführt haben, oft zu trefflichen Verwerfungen
innerhalb der Sippschaften führt, bis zur Denunziation falschmeinender
Angehöriger. Auf der Webseite "wikiHow – hier lernst du alles" werden
Sprösslinge rechtgeleitet, deren Eltern auf weltanschaulichen Abwegen
der Schwefelhölle entgegenwandeln. "Mit rassistischen Eltern richtig
umgehen", ist der Text übertitelt, der ebenso bei jetzt, bento, in der Huffington Post
oder einem anderen dieser Juvenilität simulierenden
Tendenzvollstreckungsportale für den lesefähigen linken Nachwuchs stehen
könnte.
Dort ist zu lesen: "Es kann unangenehm und
schmerzhaft sein, wenn die eigenen Eltern eine rassistisch geprägte
Lebenseinstellung besitzen. In den meisten Fällen sehen sich deine
Eltern vermutlich gar nicht als Rassisten und könnten abwehrend
reagieren, wenn du ihnen gegenüber diese Bezeichnung verwendest.
Möglicherweise basiert ihre Denkweise auch einfach auf einem veralteten
kulturellen Rahmenwerk, in dem rassistisch geprägte Klischees der
akzeptierten Norm entsprechen und manchmal sogar positiv bewertet
werden. Ein Beispiel: Vielleicht sind deine Eltern der Meinung, dass es
völlig in Ordnung ist, Dinge zu sagen wie: 'Asiaten sind sehr klug und
fleißig'. Du wirst lernen müssen, wie du dich gegenüber deinen Eltern in
Bezug auf ihre rassistischen Tendenzen effektiv äußern kannst und wie
du ihnen vermitteln kannst, warum dich ihre Aussagen stören."
Der
Autor kommt sich ziemlich schlau vor, weil er ein Beispiel des
"positiven" Rassismus gewählt hat. Er hätte auch schreiben können:
"Araber sind heißblütig" oder "Deutsche sind gründlich" oder "Schwarze
schnackseln gern". Jede dieser Aussagen ist zwar eine Pauschalisierung,
aber jede ist eher richtig als falsch. Wer solche Aussagen trifft, meint
nicht: immer, sondern signifikant häufig. Alle
Vorurteile sind mit dieser Einschränkung richtig, sonst gäbe es sie ja
nicht. Asiaten sind signifikant häufig "sehr klug und fleißig", weswegen
dergleichen "antirassistische" Texte, deren Autoren so fanatisch
rassenbesessen sind, dass sie jeden kollektiven Unterschied leugnen
müssen, auch auf asiatischen Webseiten kaum zu finden sind. Asiaten sind
so signifikant häufig "sehr klug und fleißig", dass man es pauschal
formulieren kann, und jeder halbwegs Zurechnungsfähige befindet sich bei
dieser Formulierung im Bilde darüber, dass sie keineswegs jeden
einzelnen Asiaten einschließt. Mit anderen Worten: Nur Plattköpfe – die
in diesem Kontext signifikant häufig das Maul aufreißen – stoßen sich an
solcherart generalisierten Aussagen.
Merke Gómez Dávila:
"Der Rassist gerät außer sich, weil er insgeheim den Verdacht hegt, dass
die Rassen gleich sind; der Anti-Rassist, weil er insgeheim vermutet,
dass sie es nicht sind."
Ein braver Mann namens Ingo Stützle, bei Spiegel online
vorgestellt als "Marx-Experte" – sein aktuelles Buch erscheint im
Dietz-Verlag, was bei einem in der DDR Asozialisierten wie mir einen
unüberwindlichen Degout hervorruft –, behauptet via
Twitter, Alexander Gauland habe in seiner Wahlkampfrede zu
Frankfurt/Main vergangene Woche ein Zitat aus Theodor Fritschs "Handbuch
der Judenfrage" verwendet, ohne es kenntlich zu machen. Es handele sich
um Gaulands Worte:
"Wir haben kein Interesse daran, Menschheit zu werden. Wir wollen Deutsche bleiben."
Das
vermeintliche Original sei Fritschs Satz: "Was nicht 'Mensch' werden,
sondern Deutscher bleiben wollte, verfolgte Marx mit ingrimmigem Hass."
Ein Spiegel online-Kolumnist verbreitete
diese Unterstellung so ungeprüft wie denunziationsbeflissen, was man
ihm nachsehen muss, denn wo sieben, acht, neun Kolumnisten Woche für
Woche den immergleichen Kommentar schreiben, fällst du ohne forcierten
Denunziationseifer eines Tages einfach nicht mehr auf und evtl. sogar
durchs Raster.
Als "Marx-Experte" hat Herr Stützle es mit einem
Idol zu tun, das es mit den Quellen ("Hegel bemerkt irgendwo...")
bisweilen auch nicht so genau nahm, und so etwas färbt oft auf den
Messdiener ab. Seine Quelle für das Gauland-Zitat ist nicht der
Originaltext der Rede, sondern, wiederum dem Spiegel zufolge,
nur das, was anwesende Journalisten mitgeschrieben und später
kolportiert haben. Freilich – um Oberon Reger aus dem Roman "Land der
Wunder" textgetreu zu zitieren –: "Durch ein deutsches
Journalistengehirn gequetscht zu werden ist das Schrecklichste, was
einer Wirklichkeit passieren kann." Und nicht nur einer Wirklichkeit,
auch einem Satz kann auf diesem Golgathaweg einiges zustoßen. Da
Stützles Behauptung nicht nur routiniert ehrabschneidend ist, sondern
vor allem falsch, helfe ich gern nach. Der bekakelte Satz steht in einem
Sinnzusammenhang, der hier in der Hoffnung, dass Zusammenhänge noch
irgendeine Rolle spielen könnten, vorangestellt ist. Dem tweet-gewohnten
Verbraucher wird die Passage eventuell zu umfänglich sein, aber ein
Marx-Experte sollte sie mühelos meistern.
Gauland erklärte in
seiner Rede wörtlich (den ominösen Satz habe ich hervorgehoben): "Der
große Philosoph Baruch Spinoza hat gesagt, sich selbst im Sein zu
erhalten sei das erste und einzige Prinzip der Individuation. Das gilt
für Personen wie für Völker. Das elementare Bedürfnis eines Volkes
besteht darin, sich im Dasein zu erhalten. Das ist im Grunde unser
Parteiprogramm in einem Satz. Nachdem es durch die Aussagen des
deutschstämmigen Harvard-Politikwissenschaftlers Yascha Mounk in den
‚Tagesthemen’ sozusagen staatsfunkoffiziell geworden ist, dass das
deutsche Volk ungefragt und gegen seinen Willen durch eine
multiethnische Gesellschaft ersetzt werden soll, bedarf dieses
Minimalprogramm keiner weiteren Erklärung. Wir stellen uns gegen diese
kalte Entsorgung des Grundgesetzes. Wir wollen nicht ersetzt werden!
Liebe
Freunde, wir befinden uns in einem Überlebenskampf gegen Kräfte, die
ihr globalistisches Programm der Nationenauflösung, der
ethnisch-kulturellen Vereinheitlichung und der Traditionsvernichtung als
die Menschlichkeit und Güte selbst verkaufen. Wir sollen uns im Dienste
des Menschheitsfortschritts verdrängen lassen. Wir sollen als Volk und
als Nation allmählich absterben und uns in einem höheren Großenganzen
auflösen. ‚Wer Menschheit sagt, will betrügen’, erklärte der
französische Ökonom Pierre-Joseph Proudhon, ein Linker übrigens. Wir haben kein Interesse daran, ‚Menschheit’ zu werden, wir wollen Deutsche bleiben, damit sind wir Menschheit genug. Unser Kampf ist vollkommen defensiv. Es geht uns einzig um die Erhaltung unserer Art zu leben und zu sein."
Man
sieht: Vom vermeintlichen Theodor-Fritsch-Zitat bleibt kein
Schwefelkrümel übrig. Die Anführungsstriche bei "Menschheit" kann der
AfD-Vorsitzende zwar so wenig mitlesen wie weiland Philipp Jenninger,
aber u.a. durch das Proudhon-Zitat ist klar, das damit primär eine Qualität und keine Quantität gemeint ist, nämlich die Einheitsmenschheit in den Träumen der one-world-Phantasten. All die twitternden Hochbegabten inklusive des Spiegel-Kolumnisten,
die behaupten, Gauland habe offenbar ein Problem mit der Mengenlehre,
haben selber ein weit erheblicheres Problem mit der Bewertung von
Quellen. Allein der unter den journalistischen Katzentisch gefallene
Zusatz "damit sind wir Menschheit genug“ lässt ihren feilen Hohn ins
Leere laufen.