Stationen

Samstag, 1. September 2018

Menschenjagd


Nochmals – und gewiss nicht letztmals – zu Chemnitz. Der gestern abkonterfeite Hitlergrußzeiger spielt eine tragende Rolle in einem Video, das auf der Schrottsammelstelle Huffington Post abgegeben wurde, und wer ihn sich anschaut, steht vor der Wahl, ob es sich um einen Irren oder einen Gekauften handelt. Angeblich twittern sich Linke zu, sie würden sich bei ihrem nächsten Aufmarsch unter die Gegenseite mischen und dort mit erhobenem Arm und Naziparolen für die gewünschten Bilder sorgen, und der in Rede stehende Kapuzenzausel sieht ja eher wie einer von der anderen Seite aus. Sei es, wie es sei.

Leser *** möchte mich "davor warnen, die Demonstrationen in Chemnitz allzu schönzureden" und sendet diesen Video-Mitschnitt. An der Spitze des Demonstrationszuges wird nicht nur "Wir sind das Volk" und "Widerstand" skandiert, sondern mehrfach auch "Ausländer raus" und (bei 2,01) von einem runden Dutzend Halbvermummter: "Wir sind die Fans, Adolf Hitlers Hooligans". Das ist unappetitlich, dumm, abstoßend und ein Grund mehr, die Kanzlerin und ihre Jubelperser abzustrafen, die es sehenden Auges so weit haben kommen lassen. Aber ich sehe keine "Menschenjagd", und hundert rechtsextreme Dumpfbacken – ich befleißige mich hier des offiziellen Rechts-links-Schemas, das ich für fragwürdig halte, weil die Nazis viele linke Ziele verfolg(t)en, wenn auch nur für einen eingeschränkten völkischen Personenkreis – können nicht den friedlichen Protest Tausender diskreditieren. Im Übrigen sind auch die Parolen der allseits gehätschelten Antifa unappetitlich, dumm und abstoßend, die Kommentare von Jakob Augstein und Margarete Stokowski natürlich ebenfalls (und, in der Schulhof-Diktion: Die haben angefangen).

Tatsächlich auf Menschenjagd begaben sich – auf bewährte Weise in Überzahl – die Linksnazis. Ein Vater schreibt auf Facebook: "Die 20 Angreifer gingen auf die Fünf mit Tritten und Faustschlägen los. Die Schwiegertochter und zwei Jungs konnten sich aufrappeln und ein paar Meter fliehen. Die geballte Brutalität der 20 entlud sich nun auf meinen Sohn und seinen Freund. Kurz aber brutal. Danach flohen die Täter über die Hartmannstraße in den Park. Der Sohn erlitt mehre Rippendurchbrüche und liegt noch im Krankenhaus. Beim zweiten Kumpel wurde die Nase völlig zertrümmert, er wurde noch in der Nacht operiert.
Alle Opfer waren Freunde von Daniel, durch Hip-Hop, Fußball oder Tanzen gehen. Sie sind weder Anhänger einer Bewegung oder Partei."
Sofern Sie in den Medien davon kein Wort lesen, dürfen Sie getrost das Wort "Lückenpresse" verwenden, wobei Sie es ruhigen Gewissens auch auf "Lumpenpresse" steigern können; die bisherige Berichterstattung über Chemnitz rechtfertigt diesen Terminus allemal.    MK am 1. 9.