Regierungssprecher Seibert hat gegenüber Publico
zugegeben, dass die Kanzlerin und er als ihr Bauchredner mit der
Unterstellung, in Chemnitz sei es zu "Menschenjagden" gekommen,
ungeprüft eine Behauptung übernommen haben, die in den sozialen und
Wahrheitsmedien zirkulierte. Bei den pauschalen Verunglimpfungen von
Bürgern, die ihr verfassungsmäiges Recht auf Meinungsäußerung und
Versammlungsfreiheit in Anspruch nahmen, stützten sich der
Regierungssprecher und die Kanzlerin pikanterweise einzig auf ein 19
Sekunden langes Video der "Antifa Zeckenbiss", auf welchem ein Mann zu
sehen ist, der drohend auf einen anderen zuläuft. Weitere Belege wusste
der Merkel-Sprecher bis heute nicht zu herbeizuwuchten. Auf die Idee,
einfach bei den zuständigen Polizeidienststellen anzurufen und sich zu
erkundigen, was sich zugetragen hatte, war Seibert nicht gekommen.
Lieber denunzierte der getreue Steffen eine halbe Stadt.
Halten
wir fest: Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen haben in Chemnitz keine Menschenjagden stattgefunden. Das bestätigt nicht nur der
sächsische Oberstaatsanwalt Wolfgang Klein, sondern inzwischen also auch
der Regierungssprecher. Auch Sachsens Ministerpräsident Kretschmer
ringt sich zu der Version "kein Mob, keine Hetzjagd" durch.
Wenn wir von der Niedermesserung der drei Chemnitzer absehen, welche
die Proteste auslöste, übersteigt die Bilanz der Straftaten, Schäden und
Verletzen im Rahmen der Chemnitzer Beinahe-Pogrome nicht die eines
normale Bundesligaspiels. Nur der Medien-GAU ist ein totaler. Außer
Alexander Wendt (Publico) hat es kein Journalist für nötig
gehalten, sich bei Polizei oder Staatsanwaltschaft nach strafrelevanten
Geschehnissen zu erkundigen, also das Rechercheminimum zu leisten. Die
gesamte Medienöffentlichkeit mit Kanzlerin und Bundespräsident vorneweg
haben eine Stadt und mit ihr ein Bundesland auf der Grundlage von Feknjuhs
mit Dreck beworfen und denunziert. Das ist für diese Republik bislang
beispiellos. Das ist Volksverhetzung von oben, wie man sie nur aus
Diktaturen kennt.
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Auf
der Webseite Einzelfallinfos – merke: Einzelfälle addieren sich nicht;
egal wie viele es werden, es bleiben Einzelfälle – lassen sich einzelne
Städte auswählen; hier
findet man Chemnitz, und wer sich durch die Polizeiberichte und
Meldungen der Regionalpresse über Schlägereien, Messereien, sexuelle
Belästigungen, Raubüberfälle usw. klickt, meist begangen von "Männern"
oder "Gruppen", die zwar gut und gern, aber noch nicht besonders lange
hier leben, der fragt sich nicht: Warum Sachsen? Warum Chemnitz? ... –
sondern: Warum hat es so lange gedauert, bis die Menschen auf die Straße
gehen? Wie gemütvoll müssen die Sachsen sein, dass sie das inmitten der
ohnehinnigen Bescheidenheit ihrer Lebensverhältnisse so lange
hingenommen haben? Welch enormer Druck lastet in Schulen, Unternehmen,
Kirchen, Universitäten und Behörden auf den Menschen, dass sie es nicht
eher wagten?
Am Rande: Sogar die Schlagernudel Helene Fischer
hat jetzt dem öffentlichen Druck nachgegeben, der auf sie ausgeübt wurde
(und wer weiß, welche Erpressungen hinter den Kulissen abliefen), und
sich halbherzig, wahrscheinlich innerlich angeekelt, den #wir sind mehr-Plärrern angedient. MK am 5. 9. 2018