Gelegentlich würdigen wir ja an dieser Stelle exemplarisch einige der
Meisterwerke fürsorglich-betreuender Berichterstattung in Deutschland.
Immerhin mühen sich etliche Medien-Werktätige hierzulande, in bestimmten
Meldungen ihre Konsumenten nicht mit Fakten zu verunsichern, die zu
falschen Weltbildern führen könnten.
Beispielsweise in einem Bericht von express.de vom
letzten Wochenende, wobei wir nicht ganz sicher sind, ob die Betreuung
der Leser eher der Redaktion oder der Polizeipressestelle zuzurechnen
ist. Aber auch in letzterem Fall gebührt den Express-Kollegen ja die
Ehre, nicht nach den offenen Informationspositionen gefragt oder sie im
Artikel als Informationslücke kenntlich gemacht zu haben. Aber genug der
Vorrede. kommen wir zu einem beispielhaft betreuenden Medien-Werk:
„Die Bundespolizei sucht Zeugen eines brutalen Angriffs am
Siegburger Bahnhof. Das Opfer (32) war Donnerstagabend mit
blutüberströmtem Gesicht und Oberkörper auf der Wache erschienen.
Der Mann erzählte, dass er gegen 19.30 Uhr am Bahnsteig von
mehreren Personen beleidigt und attackiert worden sei. Ein Zeuge
bestätigte das. Demnach gingen die Beleidigungen von einer großen Gruppe
augenscheinlich Minderjähriger aus. Weitere Personen, offenbar Bekannte
der Gruppe, prügelten den 32-Jährigen dann zusammen.
Sie schlugen dem wehrlosen Mann mehrfach mit der Faust so heftig
ins Gesicht, dass der zu Boden fiel. Als kurz darauf eine S-Bahn
einfuhr, sprangen die Tatverdächtigen in den Zug und flüchteten.
Ihr Opfer suchte mit einer stark blutenden Verletzung im Gesicht
Hilfe bei der Bundespolizei. Die Beamten riefen einen Rettungswagen, der
den 32-Jährigen ins Krankenhaus brachte.
Die Polizei bittet Zeugen, die den Vorfall beobachtet oder die
ein große Personenmenge in der S-Bahn gesehen haben, sich unter der
kostenfreien Servicenummer 08 00/6 88 80 00 oder bei jeder
Polizeidienststelle zu melden.“
Niemand von denen, die bei dieser Lektüre daran gedacht haben mögen,
in welchen Kreisen hierzulande wohl ein so altersübergreifender
Großgruppenzusammenhalt besteht, wird in seinen Vorurteilen bestätigt.
Kein Hinweis und keine Frage nach der mutmaßlichen Herkunft der
Tätergruppe gibt es, auch wenn das Opfer und der Zeuge dazu bestimmt
etwas sagen konnten. Damit wird doch wohl jedweder Generalverdacht
vermieden, ganz so, wie es der Pressekodex fordert. Und die Leser werden
sich auf diese Weise ja wohl irgendwann noch dazu erziehen lassen,
solche Information gar nicht mehr zu vermissen, oder? Peter Grimm
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