Stationen

Montag, 27. Januar 2020

Orientierung



Niemand muss "zu sich selbst finden". Wir sind alle bei uns, wenn wir auf die Welt kommen. Aber es kommt die Zeit, wo wir merken, dass wir uns orientieren müssen, um uns nicht zu verirren oder um der Desorientierung Herr zu werden, die von anderen an uns herangetragen wird. Und wenn wir uns verirrt haben, müssen wir den Weg nach zuhause wieder finden, statt Zeit damit zu verlieren, "zu uns selbst zu finden", wie eine 1970 während der Herrmann Hesse Mode plötzlich aufgetauchte Redensart lautet, die seit damals Millionen und Abermillionen Male ausgesprochen wurde.

Gut fundierte, robuste Identitäten sind ohne Bücherkanon nicht möglich. Ich hatte keinen und sah mich im Alter von 10 Jahren plötzlich Indoktrinationsbemühungen seitens einiger meiner Lehrer ausgesetzt. Meine Familie half mir in dieser Situation nicht, sondern fügte nur ihrerseits zusätzliche von eigenen Rechtfertigungsinteressen gezeichnete Indoktrinierungsbemühungen hinzu, die meistenfalls noch unglaubwürdiger waren, als die, die ich in der Schule schon über mich ergehen lassen musste. An dieser doppelten Belastung wäre ich fast zerbrochen, und was mich nicht umbrachte, machte mich nicht stark, sondern schwächte mich lebenslang.
Aber es gelang mir im Verlauf der Jahrzehnte, mir einen persönlichen Kanon der Werte und der Bücher zu erarbeiten. Wohl dem, dem ein solcher sinngebender Kanon bei Zeiten und ohne intolerante Imposition, sondern mit dem Angebot beratenden Beistands zur Verfügung gestellt wird.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.