Stationen

Mittwoch, 15. Januar 2020

Tony Jordan

Von seinen Soaps habe ich bisher noch keine einzige gesehen, aber einen großartigen Dokumentarfilm über Charles Dickens, in welchem Jordan den Zuschauer über Dickens, dessen Buch "Great Expectations" und Schreibtechnik im allgemeinen unterrichtet. Großartig. Jordan hat ein besonderes Interesse an Dickens, weil Dickens seine Romane - z.B. Die Pickwickier - oft als Fortsetzungsgeschichten in der Zeitung veröffentlichte. Damals gab es ja noch kein Fernsehen, und die Pickwicker hatten einen derartigen Erfolg, dass sie - wie übrigens Dante 550 Jahre zuvor - an allen Ecken und Enden denjenigen, die nicht lesen konnten, vorgelesen wurden (in den Kneipen und Friseursalons und dergleichen).
Ich finde es immer großartig, wenn TV-Autoren Literatur besprechen oder Schriftsteller das Medium Fernsehen respektieren und sich schriftlich oder gar im Fernsehen selbst zum Fernsehen äußern oder sogar eine Fernsehsendung machen. In Deutschland kann man das meines Wissens nur von Patrick Süskind und Ernst Jünger sagen. Jünger hat zwei Fernsehsendungen gemacht (von einer sah ich eines Nachmittags in den 70-ern noch die letzten zwei Schlussminuten). Süskind hat nicht nur für Serien wie Kir Royal gearbeitet, sondern seinen bisher einzigen Roman wie Dickens als Fortsetzungsgeschichte in der FAZ veröffentlicht. Abgesehen von diesen beiden rühmlichen Ausnahmen ist in Deutschland die Literatur ein derartig abgehobenes, weltfremdes, eingebildetes Abteil, dass die an ihr Interessierten - nicht anders als die Autoren selbst - aus Prinzip die Nase über das Fernsehen rümpfen und nicht einmal mehr den Jüngerfans bekannt ist, dass Jünger durch zwei Sendungen geführt hat.

Mario Soldati hat großartige Reportagen gemacht, die nur noch durch die soziologischen Erkundungen Nanni Loys übertroffen wurden, der den Alltag mit versteckter Kamera beobachtete und so investigativen Journalismus mit "Verstehen Sie Spaß?" verband. Durch diesen wissenschaftlichen Rahmen wurde die italienische Candid Camera lustiger als dieselbe Schlüssellochperspektive des deutschen Pendants und gleichzeitig auch noch aufschlussreich. Baricco und Augias machen hervorragende Literatursendungen (ohne Rrrreich-Rrrranickis Pöbeleien oder das affektierte Geschwafel Schecks). Großartige Fernsehsendungen (z. B. über Trilussa, Garibaldi oder italienische Nationaluntugenden) machte auch Beniamino Placido, der außerdem Italiens bester Fernsehkritiker war. Anders als die deutschen Schmierfinken mit ihren flapsigen Kommentaren, die sich wie Fortsetzungen belangloser Talkshows lesen, war Placido ein gebildeter Schriftsteller mit der Gabe der Leichtigkeit, dessen TV-Kritiken immer kleine Essays waren, die ich bereue, nicht gesammelt und aufgehoben zu haben. Fazio hatte irgendwann eine geniale Idee: unter die internationalen Stars wie Michael Gorbatschow, Andrea Boccelli, George Clooney, Terence Hill, Jodie Foster, Giuseppe Tornatore, Riccardo Muti oder Maurizio Pollini, die er zum Interview in die Samstagabendshows einlud, begann er auch bedeutende Schriftsteller wie zum Beispiel Salman Rushdie und Umberto Eco zu mischen und interviewte sie gekonnt. Plötzlich wurden Existenzen, die zuvor nur literarisch interessierten Menschen (und auch diesen nur indirekt durch ihr Werk) bekannt waren, greifbar und auch fürs große Publikum interessant, und niemand war sich zu gut dafür, in die Show zu kommen. Weshalb kriegen wir das in Deutschland nicht hin? Oder habe ich verpasst, wie Peter Schneider, Grass, Peter Handke und Hans Magnus Enzensberger bei "Wetten dass?" interviewt wurden?

Ganz zu schweigen davon, dass in dieser Rüpelrepublik ein Uwe Tellkamp geschnitten wird, während ein Trottel wie Hubertus Meyer-Burckhardt zum Aushängeschild für Bildung und unabgehobene Volksnähe wird und Zaimoglu Sendezeit bekommt. Wer mit diesem Zustand zufrieden ist, ist ein einfältiger Dummkopf oder ein selbstgerechter Halunke. Zaimoglu soll gerne Sendezeit haben, wenn sie auch Tellkamp gewährt wird!!

Man muss George Bernard Shaw nicht mögen. Aber man muss den Hut vor einem Mann ziehen, der es geschafft hat, den Nobelpreis für Literatur zu bekommen und einen Oskar für die beste Drehbuchadaptation. Und vor allen Ländern, die darin keinen Widerspruch sehen!!

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