Stationen

Freitag, 12. Juni 2020

Gut beobachtet

Leser *** macht sich "bei einem georgischen Rotwein" Gedanken "über die unselige Neigung der Deutschen zur Romantik" und "ihre Neigung, Romantik mit Politik zu vermischen, oder schlimmer noch: zu verwechseln".

"Was der Dichter beginnt, übernimmt der Romantiker, der diese erdachte Welt für die wahre hält: Der Theoretiker, der später zum Ideologen wird, beginnt sich daran zu machen, diese Welt zu verwirklichen. Ein geistiges Fundament der Theorien, die Europa zerstören, haben tatsächlich die Deutschen selbst erfunden: die angewandten Sozialwissenschaften. Deutsche allesamt, die in der Emigration in USA ihre verschiedenen hegelianischen und marxianischen Fortspinnungen im Aufeinandertreffen mit dem Big Business zu ihrer Kritischen Theorie formten, die heute das geistige Rüstzeug des aufgeklärten Westens bildet. Es erscheint mir nicht unlogisch, dass die Deutschen diese Theorien am tiefsten verinnerlicht haben. Und letztlich verkörpert auch ihr Götze, der Gröfatz, diese Linie, vom Romantiker über den Theoretiker zum Ideologen, letztlich zum Zerstörer, der doch nur verwirklichen will, was richtig ist.
Das Unglaubliche seiner Verbrechen leitet sich aus dem Selbstverständnis ab, Erdteile, Völker, Rassen, den Kosmos verschieben zu können. Begriffe wie Sadismus, Mordlust usw. passen meiner Meinung nach nicht zu der schieren Monstranz dieser Anmaßung und Intention. Eher zu Stalin. Ich glaube auch, dass der ganze theoretische Überbau des Bolschewismus, die Weltrevolution, Stalin recht egal waren, letztlich gilt das sogar für Rußland: immer blieb er der Georgier, der Kaukasier. Seine Tradition war eine Mixtur aus Iwan dem Schrecklichen und Dschingis Chan, eben mit den Mitteln des zwanzigsten Jahrhunderts. Viel eher noch als Hitler war Stalin der sadistische Psychopath: man bringt nicht umsonst alle ehemaligen Freunde um; Mord aus Prinzip, Gewalt als einziges Mittel und Machtausdehnung als einziges Ziel. Angelegt im ganzen russischen Bolschewismus, ich denke an Sinowjews Satz von den 100 Millionen Sowjetmenschen, von denen 90 zu gewinnen seien, dem Rest hätte man nichts zu sagen; heißt: 10 Millionen vernichten.
Hitler dagegen trägt für mich eher Züge eines Opernregisseurs, der die Welt nach seinem Plan als Gesamtkunstwerk inszenieren will: Romantik, Bayreuth in der russischen Steppe. Diese Art von Wahnsinn hat etwas mit normalen Kategorien nicht zu messendes. Daher auch die immergrüne Wiederkehr von Abscheu und Faszination zugleich, deren Kombination die Menschen seit jeher angezogen hat. Die unterschiedliche Verteilung der Präferenzen gehört freilich dazu.
In praktisch allem, was die deutsche Politik seit ungefähr einer Generation tut, treten diese Kontinuitäten zu Tage: Gestalten und Lenken nach den Maßgaben von (kritischen) Theorien – das ist der mächtige Strom der Zeit im Abendland, aber von keinem Volk wird er so verinnerlicht, so angebetet und so geglaubt wie von den Deutschen. Und, welch ein Paradox, sie haben sich dazu diese unscheinbare Person auserkoren, der nicht nur jedes Private und jede allgemein menschliche Ausstrahlung fehlen, sondern erstaunlicherweise auch jede Ausstrahlung von Pathos und Sendungsbewußtsein, welch letzteres sie selbst allerdings ohne Zweifel besitzen muß.
Diese Frau ohne jede rhetorische Begabung, quasi ohne Eigenschaften, hat eine Machtfülle angehäuft, wie vor ihr tatsächlich nur der Führer. Was sagt das über diese Deutschen? In der Konsequenz haben Faust und Mephisto verloren; der Studiosus Wagner schickt sich an, die Weltregierung zu übernehmen…"   zitiert von Klonovsky am 11.6.


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