Dieses Land hat keine Ahnung von Demokratie.
Einmal abgesehen von der lächerlichen Berührungsangst mit Nazivereinen und der Verbissenheit, mit der man in Deutschland ungenehme politische Minderheiten ächtet und sie verbietet und sich darauf etwas zugute hält, statt sie mit Argumenten und Wählermehrheiten zu besiegen. Und abgesehen von der kindischen Weigerung, die AfD in Talkshows einzuladen, wo es eine Selbstverständlichkeit sein müsste, jede Partei, die Sitze im Parlament hat, einzuladen, mithin also auch die NPD!! Soviel Demokratie, deren Argumente anzuhören und ihnen zu widersprechen und sie möglichst zu widerlegen, muss in einer Demokratie sein, sonst ist es nur ein Demokratiesimulationszirkus, der aus Angst und Bequemlichkeit die Argumente der Gegner und Kritiker übertönt. Aber hier von abgesehen!!
Es müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass die Opposition für eine Demokratie wichtiger ist als die Regierung. Das konsenssüchtige Deutschland mit seinen antipluralistischen Reflexen will dies aber nicht einsehen.
Und was sich gerade im Zusammenhang mit der Polizeischmähung durch die taz-Autorin abspielt, bringt die deutsche Demokratieunfähigkeit wieder aufs peinlichste ans Licht.
Aus den Parteispitzen von Grünen und Linken kommen nach Seehofers
lautem Nachdenken über die Strafanzeige volle Breitseiten, nachzulesen hier und hier.
Nur noch Seehofer wird skandalisiert, nicht mehr die Hetze in der taz.
Von einem Angriff auf die Pressefreiheit ist da die Rede, der
Innenminister wird mit Victor Orbán und Jaroslaw Kaczynski auf eine
Stufe gestellt. Grünen-Chefin Annalena Baerbock sieht gar die
„Vorbildfunktion“ unseres Landes „mit Blick auf Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und Grundgesetz“ in Gefahr. Renate Künast findet
Anzeige gar „ungeheuerlich“ und sieht Seehofer deshalb schon „am Ende“.
Bei Licht betrachtet offenbaren die wütenden Angriffe auf Seehofer
lediglich eines: Das völlige Unverständnis unseres Rechtssystems und der
Gewaltenteilung. Mit welchem Recht wollen die linksgrünen Politiker
einem Minister verbieten, ein unabhängiges Gericht darüber urteilen zu
lassen, ob die taz-Kolumne noch durch die Pressefreiheit gedeckt ist
oder nicht? Völlig haltlos wird insinuiert, dass Seehofer durch einen
eigenmächtigen Eingriff in Justiz und Presserecht eine Zeitung maßregeln
will, ein Bestreben, für das Orban und Kaczynski schließlich bekannt
geworden sind. Dabei legt es die „Vorbildfunktion“ unserer
Rechtstaatlichkeit eigentlich nahe, hier die Gerichte sprechen zu
lassen. Mit offenem Ende.
Seehofer weiß, dass eine Anzeige noch kein Urteil ist. Aber wissen
das Baerbock und ihre Freunde auch? Ist es denn – mal abgesehen von
politisch-taktischen Erwägungen – völlig abwegig, wenn ein
Bundesinnenminister, wenigstens symbolisch doch ranghöchster Dienstherr
aller Ordnungskräfte im Lande, durch so eine Anzeige der Fürsorgepflicht
für seine Schützlinge nachkommen will, nachdem eine Journalistin diese
alle in die Tonne treten will?
Gewiss, Seehofer ist nicht der Betroffene. Doch Volksverhetzung ist
ein Offizialdelikt. Jeder darf bei Verdacht Anzeige erstatten, wenn die
Staatsanwaltschaft nicht von selbst tätig wird. Auch ein Minister.
Die Taz-Kolumne stand in keinem zeitlosen Raum. Nur wenig später
wurden Polizisten von einem wütenden Mob in Stuttgart wie Freiwild
behandelt. Erst wenige Wochen zuvor hatte in Berlin das Abgeordnetenhaus
ein Gesetz verabschiedet, nach dem Polizisten unter Generalverdacht
gestellt und ihnen der Rechtsweg bei Auseinandersetzungen deutlich
erschwert wurde. Kein Mensch weiß, ob bei so etwas Zusammenhänge
nachzuzeichnen sind oder nicht. Ich weiß aber, dass bei einer solchen
zeitlichen Abfolge bei anderen Vorzeichen landauf, landab in sämtlichen
Blättern aller Schattierungen ein Begriff die Kommentare dominiert
hätte: „Geistige Brandstifter“ – und nicht „Pressefreiheit“.
Natürlich stünde auch der Weg zum Presserat offen. Es wäre die
mildere Variante. Das brancheninterne Gremium kann Rügen aussprechen,
mehr nicht, wird deshalb bisweilen als „Zahnloser Tiger“ bezeichnet. Und
oft genug auch der Intransparenz beschuldigt. So oder so: Entscheidet
sich jemand, die ordentliche Gerichtsbarkeit anzurufen, ist dies
jedenfalls keine „Ungeheuerlichkeit“, sondern einfach nur gutes Recht.
Ganz im Sinne unserer Gewaltenteilung.
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