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Mittwoch, 24. Juni 2020

Gutes Recht!! - und man reibt sich wieder mal die Augen

Dieses Land hat keine Ahnung von Demokratie.

Einmal abgesehen von der lächerlichen Berührungsangst mit Nazivereinen und der Verbissenheit, mit der man in Deutschland ungenehme politische Minderheiten ächtet und sie verbietet und sich darauf etwas zugute hält, statt sie mit Argumenten und Wählermehrheiten zu besiegen. Und abgesehen von der kindischen Weigerung, die AfD in Talkshows einzuladen, wo es eine Selbstverständlichkeit sein müsste, jede Partei, die Sitze im Parlament hat, einzuladen, mithin also auch die NPD!! Soviel Demokratie, deren Argumente anzuhören und ihnen zu widersprechen und sie möglichst zu widerlegen, muss in einer Demokratie sein, sonst ist es nur ein Demokratiesimulationszirkus, der aus Angst und Bequemlichkeit die Argumente der Gegner und Kritiker übertönt. Aber hier von abgesehen!!

Es müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass die Opposition für eine Demokratie wichtiger ist als die Regierung. Das konsenssüchtige Deutschland mit seinen antipluralistischen Reflexen will dies aber nicht einsehen.
Und was sich gerade im Zusammenhang mit der Polizeischmähung durch die taz-Autorin abspielt, bringt die deutsche Demokratieunfähigkeit wieder aufs peinlichste ans Licht.
Aus den Parteispitzen von Grünen und Linken kommen nach Seehofers lautem Nachdenken über die Strafanzeige volle Breitseiten, nachzulesen hier und hier. Nur noch Seehofer wird skandalisiert, nicht mehr die Hetze in der taz. Von einem Angriff auf die Pressefreiheit ist da die Rede, der Innenminister wird mit Victor Orbán und Jaroslaw Kaczynski auf eine Stufe gestellt. Grünen-Chefin Annalena Baerbock sieht gar die „Vorbildfunktion“ unseres Landes „mit Blick auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundgesetz“ in Gefahr. Renate Künast findet Anzeige gar „ungeheuerlich“ und sieht Seehofer deshalb schon „am Ende“.
Bei Licht betrachtet offenbaren die wütenden Angriffe auf Seehofer lediglich eines: Das völlige Unverständnis unseres Rechtssystems und der Gewaltenteilung. Mit welchem Recht wollen die linksgrünen Politiker einem Minister verbieten, ein unabhängiges Gericht darüber urteilen zu lassen, ob die taz-Kolumne noch durch die Pressefreiheit gedeckt ist oder nicht? Völlig haltlos wird insinuiert, dass Seehofer durch einen eigenmächtigen Eingriff in Justiz und Presserecht eine Zeitung maßregeln will, ein Bestreben, für das Orban und Kaczynski schließlich bekannt geworden sind. Dabei legt es die „Vorbildfunktion“ unserer Rechtstaatlichkeit eigentlich nahe, hier die Gerichte sprechen zu lassen. Mit offenem Ende.

Seehofer weiß, dass eine Anzeige noch kein Urteil ist. Aber wissen das Baerbock und ihre Freunde auch? Ist es denn – mal abgesehen von politisch-taktischen Erwägungen – völlig abwegig, wenn ein Bundesinnenminister, wenigstens symbolisch doch ranghöchster Dienstherr aller Ordnungskräfte im Lande, durch so eine Anzeige der Fürsorgepflicht für seine Schützlinge nachkommen will, nachdem eine Journalistin diese alle in die Tonne treten will?
Gewiss, Seehofer ist nicht der Betroffene. Doch Volksverhetzung ist ein Offizialdelikt. Jeder darf bei Verdacht Anzeige erstatten, wenn die Staatsanwaltschaft nicht von selbst tätig wird. Auch ein Minister. 
Die Taz-Kolumne stand in keinem zeitlosen Raum. Nur wenig später wurden Polizisten von einem wütenden Mob in Stuttgart wie Freiwild behandelt. Erst wenige Wochen zuvor hatte in Berlin das Abgeordnetenhaus ein Gesetz verabschiedet, nach dem Polizisten unter Generalverdacht gestellt und ihnen der Rechtsweg bei Auseinandersetzungen deutlich erschwert wurde. Kein Mensch weiß, ob bei so etwas Zusammenhänge nachzuzeichnen sind oder nicht. Ich weiß aber, dass bei einer solchen zeitlichen Abfolge bei anderen Vorzeichen landauf, landab in sämtlichen Blättern aller Schattierungen ein Begriff die Kommentare dominiert hätte: „Geistige Brandstifter“ – und nicht „Pressefreiheit“.
Natürlich stünde auch der Weg zum Presserat offen. Es wäre die mildere Variante. Das brancheninterne Gremium kann Rügen aussprechen, mehr nicht, wird deshalb bisweilen als „Zahnloser Tiger“ bezeichnet. Und oft genug auch der Intransparenz beschuldigt. So oder so: Entscheidet sich jemand, die ordentliche Gerichtsbarkeit anzurufen, ist dies jedenfalls keine „Ungeheuerlichkeit“, sondern einfach nur gutes Recht. Ganz im Sinne unserer Gewaltenteilung.



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