Zunächst die Nachrichten. In Louisville, Kentucky, so berichtet der Spiegel, wurden „bei
einer Anti-Rassismus-Demonstration im US-Bundesstaat Kentucky Schüsse
auf die Menge abgegeben, ein Mann starb. Der Tatort war in den
vergangenen Wochen zum Zentrum der Proteste geworden.“ Es handele
sich offenbar um einen Einzeltäter, ein weiterer Mensch wurde auch noch
verletzt. Im Nachklang bekommt der Artikel, der sehr im Ungefähren
bleibt, noch die Kurve zur Polizeigewalt, denn die Proteste richteten
sich ja gerade gegen die Polizei, die für den Tod einer Afroamerikanerin
in deren Wohnung verantwortlich gemacht wird. Dieser Vorfall ereignete
sich zwar schon im März, muss heute aber als Begründung für alles
mögliche herhalten.
Natürlich vergisst der Spiegel nicht zu erwähnen, dass der Bürgermeister von Louisville, Greg Fischer (Demokraten), „rechte Gegendemonstranten aufgefordert hat, sich von dem Protest im Jefferson Square Park fernzuhalten“. Die amerikanische Presse sekundiert zudem der deutschen, und es wird munter geraunt und vermutet. Der „Louisville Courier Journal berichtet“, so orakelt der Spiegel, „dass bewaffnete Patrioten-Gruppen vorhätten, den Anti-Rassismus-Demonstranten entgegenzutreten.“ Mehr erfährt der Spiegel-Leser nicht, aber das ist ja auch gar nicht nötig, um die antrainierten Reflexe zu aktivieren.
Ein Mordopfer auf einer friedlichen Demo gegen Rassismus und
„bewaffnete rechte Gruppen“ planen hinterhältige Dinge … da schießt bei Spiegel-Redakteur und Leserkommentator gemeinschaftlich die Schokomilch ein: white supremacy und Trump, how dare you! Das Desinformationsbömbchen hat wie gewünscht gezündet, man muss ja nur die Kommentare lesen, um das zu sehen.
Das Bild in den Köpfen stellte sich wie gewünscht ein, das
Ressentiment ist erfolgreich in die Blutbahn gelenkt. Wer liest schon
nochmal nach, wenn der Spiegel sich dazu bequemt, vielleicht in
ein paar Tagen einige ergänzende Informationen rüberzuschieben, die man
vielleicht erst prüfen musste, übersehen hatte oder für nicht so
wichtig hielt?
Was wirklich geschah, erfährt man derzeit nicht im Spiegel, sondern in einigen US-Medien (USA today, oder dem courier journal, das der Spiegel als Quelle in eigener Sache nennt). Darf ich vorstellen: das (hier links im Bild)
ist der Schütze Steven Nelson Lopez, ein Bürschlein von 23 Lenzen, das
seit mindestens zwölf Tagen mit von der Partie war, als
BLM-Demonstranten Louisville den Rassismus ein für allemal austreiben
wollten. Am 17. Juni wurde er zusammen mit 16 weiteren „Demonstranten“
verhaftet, es ging um die Teilnahme an kriminellen Aktivitäten wie
Plünderungen. Das Foto stammt von dieser Festnahme. Lopez kam wieder auf
freien Fuß, trotz der Pistole mit zwei vollen Magazinen, die er bei
sich trug. Vermutlich Eventbedarf.
Der gute Steven geriet jedoch immer wieder mit den anderen
„friedlichen Demonstranten“ im Camp in Streit, wobei es wohl auch zu
Schießereien kam. Eines Tages wurde es den „trained marxist“ Anführern
von BLM in Louisville zu bunt, weshalb sie ihren nützlichen, aber dummen
Troll kurzerhand vor die Tür des Weltrettercamps setzten. Das wiederum
konnte dieser offenbar nicht verwinden, weshalb er mit einer (seiner?)
Pistole erst mehrmals in die Luft und dann in die Menge der
„Protestierer“ feuerte.
Ergebnis: der 27-jährige Fotograf Tyler Gerth, im Gesicht getroffen,
war mehr oder weniger sofort tot. Eine weitere Person wurde verletzt.
„Zuschauer“ der Szene stoppten Lopez, indem sie das Feuer erwiderten und
ihn am Bein verletzten. Die herbeigerufene Polizei (hört, hört!) nahm
Lopez fest, er hat sich nun wegen mass-shooting zu verantworten.
Und nun, Spiegel? Weit und breit war kein Rassist beteiligt
oder auch nur zu sehen, auch kein White Supremacist oder Beelzetrump
höchstselbst. Den Finger am Abzug hatte ein drogenabhängiger Idiot,
randvoll mit seltsamen Ideen, den BLM nicht mehr unter Kontrolle hatte.
Lopez erschoss ausgerechnet einen Foto-Journalisten, der begeistert von
den ach so friedlichen Protesten berichtete.
Ich frage mich nun, wie groß wohl die Richtigstellung im Spiegel ausfallen wird und ob einer der Kurzgeschlossenen im Kommentarbereich des Spiegel sie lesen wird.
(Für Spiegel-Abstinenzler gibt’s den Link zum Artikel im Webarchiv.)
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.
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