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Freitag, 3. Januar 2020

Im Land der Frau ohne Eigenschaften

Ein paar Schmankerln aus dem Verfassungsschutzbericht über die AfD.

"Auch die Vereinigung 'Russlanddeutsche für die AfD' stellt auf Facebook entsprechende Beiträge ein. Dort heißt es: Der Bevölkerungsanteil der Muslime in Deutschland und ganz Europa steigt unaufhaltsam – auch durch ihre stets hohe Geburtenrate. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, werden die Muslime zur Mehrheit im Lande. Den späteren Generationen drohen ethnische Kriege, Heimat-, Freiheits- und Identitätsverlust – in einem islamisierten Land mit feudalen Gesetzen und Sitten. Mit einem Wort: es wird die Scharia herrschen! Sehr bald wird auch unser Sozialsystem durch die unbegrenzte Immigration ruiniert. Linke Parteien, darunter auch CDU/CSU zerstören die Zukunft unserer Kinder. Sie sind von der Idee besessen, Deutschland in einen Schmelztiegel zu verwandeln, in dem sich Menschen aus Europa, Nahost und Afrika vermischen und ein neues Volk bilden, welches sich dann von der regierenden Elite leicht beherrschen lässt. Wir sind uns sicher, viele von Euch verstehen, dass man nur mit der Stimme für die richtige Partei diese verderbliche Entwicklung im Lande bremsen und denjenigen Politikern zur Macht verhelfen kann, die für unser Volk einstehen.
Das Verständnis von Kultur als ethnisch determinierte Gemeinschaft, die durch Zuwanderung in ihrem Bestand bedroht ist, setzt sich auch hier fort. Neben der abermaligen Skizzierung ethnischer und kultureller Spannungen, die sich in Gewalt und Verlust der Heimat niederschlügen, führen die 'Russlanddeutschen' hier auch das in rechtsextremistischen Zusammenhängen weithin verbreitete Motiv eines atomisierten, kulturlosen Volkes an, das eben durch den aktiv herbeigeführten kulturellen Niedergang 'leicht [zu] beherrschen' sei. Regelmäßig finden sich in solchen Darstellungen auch antisemitische Stereotype, etwa der antisemitische Mythos einer jüdischen Weltverschwörung. Zwar wird dies hier nicht in dieser direkten Weise formuliert, gleichwohl sind entsprechende Verlautbarungen geeignet, Antisemiten gezielt anzusprechen." (S. 116)

Das schreibt, wie gesagt, ein Schlapphut, kein taz-Redakteur oder Wikipedia-Denunziant. Zwar wird Antisemismus von den interessanterweise in Anführungsstrichen gesetzten Russlanddeutschen nicht direkt formuliert – dafür gibt's ja genug arabische oder linke Webseiten –, aber Verlautbarungen sind geeignet, Antisemiten gezielt anzusprechen. (Wo mag ungezieltes Ansprechen stattfinden? In der SPD-Spitze? Auf der Reeperbahn?) In einem Rechtsstaat verlöre der Verfasser sein Pöstchen mit der warmen Empfehlung, sich bei einem Linksblatt zu verdingen, in einem Gesinnungsstaat in statu nascendi empfiehlt er (oder sie) sich damit für noch niedrigere hohe Aufgaben.
Weiter. "In besonderem Maße islamfeindlich zeigte sich die Junge Alternative Essen in einem Beitrag vom 15. März 2018 mit einer breiten Liste an vermeintlichen 'Negativmerkmalen' des Islam: Der Islam gehört dazu? Na gut, dann gehören Kinderehe, Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit, Christenfeindlichkeit, Züchtigung, Kopftuch, Hidjab, Burka, Steinigung, Scharia, Homophobie auch dazu. Wenn man A sagt, muss man auch B sagen, liebe Sozialromantiker." (S. 179)

Solche vermeintlichen Merkmale islamischer Gesellschaften zu erwähnen, was übrigens auch muslimische Oppositionelle und deutsche Medien mit Ausnahme der Zeit regelmäßig tun, ist also in besonderem Maße islamfeindlich. So steht's geschrieben im Islamschutzbericht.

Drittes Beispiel:
"Höcke legt also kategorisch fest, dass es in Deutschland keinen Platz für die 'religiöse Lebensweise' von Muslimen und damit für einen praktizierten Islam geben könne. Diese die Menschenwürde und die grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit verletzende Position relativiert sich nicht durch den Zusatz, Deutsche wollten anders als nach der Scharia leben. Abgesehen davon, dass Höckes Aussage ein einseitiges oder eher unzutreffendes Verständnis des vieldeutigen Begriffs Scharia zugrunde liegen dürfte, ist es abwegig bzw. demagogisch zu suggerieren, das grundgesetzlich verbriefte Recht von Muslimen, die eigene Religion zu praktizieren, tendiere unweigerlich zur Anwendung der Scharia-Vorschriften auch auf die nicht-muslimische Mehrheitsgesellschaft." (S 249)

Nein, erst die Mehrheit, dann die Scharia, so herum. Aber diese ominöse Scharia, wie steht es mit ihr? Noch in den Zeiten vor der Großen Flut hat der Europarat statuiert, dass die europäische Menschenrechtskonvention mit der Scharia unvereinbar ist: "The Court has ruled that Sharia law is incompatible with the European Convention on Human Rights, but obviously this does not mean that there is absolute incompatibility between the Convention and Islam." Der Schiedsspruch wurde notwendig, weil drei Mitgliedsstaaten – Albanien, Aserbaidshan und die Türkei – sowohl die europäische Konvention als auch die "Kairoer Erklärung der Menschenrechte" unterzeichnet haben, welchletztere bekanntlich alle Paragraphen unter den Scharia-Vorbehalt stellt. Also die Menschenrechte sind okay, solange die Scharia nichts anderes vorschreibt. Zum Beispiel bei Blasphemie. Oder wenn die Weiber wegen der Drittfrau oder der Ausgehgardarobe rumzicken. Der Verfassungsschutz wirft in seiner Best-of-Sammlung von AfD-Zitaten der Schwefelpartei mehrfach vor, die Scharia bzw. den Scharia-Islam als unvereinbar mit dem Grundgesetz darzustellen. Dass der Europarat ein Verdachtsfall ist, geht Haldenwang insofern nichts an, als der deutsche Regierungsschutz auf die Grenzen von 1990 beschränkt ist. Kann aber noch werden.

Den Satiregipfel haben die Schlapphüte schon auf Seite 72 erklommen:
"Die stellvertretende Parteivorsitzende Beatrix von Storch plädiert in einem Facebook-Post vom August 2017 für einen härteren Umgang mit dem Islam. Zur Eindämmung einer vermeintlichen Islamisierung forderte sie darin die Einführung einer ‘Anti-Sharia-Gesetzgebung‘. (...) Dem Wortlaut nach verlangt von Storch hier die pauschale Überwachung von Moscheen durch den Verfassungsschutz. Über eine Stigmatisierungswirkung hinaus könnte der Vorschlag darauf hinauslaufen, dass der Verfassungsschutz sein Handeln bzw. Tätigwerden nicht an Recht und Gesetz ausrichtet, sondern an politischen Vorgaben."


"Wir bitten Sie, mit der Bewerbung beim Bundesamt für Verfassungsschutz diskret umzugehen. Dies umfasst auch Informationen in sozialen Netzwerken." Stellenangebote

Niemals würden deutsche Juristen so etwas tun. Aber es gibt keine unterschiedlichen Nationalcharaktere...

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