Stationen

Montag, 9. Januar 2017

Schlechte Erfahrungen


"Sehr geehrter Herr Klonovsky", schrieb mir Leser** am 3. des Monats, "nach Lektüre des FAZ-Blogs unter dem Pseudonym 'Don Alphonso' habe ich an die Achse des Guten, in der Henryk M. Broder den Blog verlinkt hat, folgendes geschrieben:

'Auch ich stelle in meinem politisch stark gemixten Bekanntenkreis Fragen. Selbstverständlich nicht, ohne zuvor darauf hinzuweisen, sie seien allesamt populistisch, und nie ohne im Voraus um schärfste Kritik zu ersuchen, gerade aus der politischen Mitte. Ich bitte dann, mir einige Vorgänge zu erklären, die für mich unerklärlich sind. Seltsam - danach sehe ich mich jedes Mal den einen gegenüber, die verstohlen nicken, und den anderen, die mir nicht einmal in die Augen sehen können. Seither ahne ich, was die Schweigende Mehrheit ist.'

Als unlängst in Tichys Einblick nach dem Anschlag am Breitscheidplatz jemand zu 'Einigkeit und Recht und Freiheit' aufrief, schrieb ich:

'Welche Einigkeit? Jene, die vor dem Populismus warnt und den Islamismus übersieht? Welches Recht? Jenes, das die 'Shariah Police' freispricht? Und welche Freiheit? Jene, diese Reaktion von einem Meinungskontrollministerium überprüfen zu lassen?'

Keine der Reaktionen ist veröffentlicht worden, denn 'bitte haben Sie etwas Geduld, Ihr Beitrag wird von einem Moderator geprüft'.

Ich wundere mich ein wenig, denn wenn Dumpfbacken ohne jegliche Argumente schreiben 'Merkel muss...' irgendetwas, dann geht das anstandslos durch. Ich selbst schreibe nie, Merkel müsste irgendetwas. Sie ist Kanzlerin. Ich bin nur Landarzt. Ich muss Patienten behandeln, täglich elf bis dreizehn Stunden, Nachtdienste nicht eingeschlossen, auch eine überschaubare Menge Syrer, Kurden, Nordafrikaner. Ein Jahr lang habe ich das in viel größerem Umfang in meiner 'Freizeit' im hiesigen Flüchtlingscamp getan. Gern. Ich besorgte Möbel, einen Kühlschrank, Gebetsteppiche, das Bild einer Sure des Korans und das der Jungfrau mit dem Jesusknaben. Ich erfuhr Dankbarkeit. Man grüßt und umarmt mich im Supermarkt: 'Hey, it's our doctor.' Mein Mitgefühl mit Politikern hält sich also, im Vergleich zu jenem mit Flüchtlingen, in Grenzen.

Das habe ich dann Dirk Maxeiner geschrieben.

Keine Antwort.

Ich sehe einen Mann mit einem LKW quer über den schönsten Platz meiner Jugend rasen und morden; die alten Fotos von meiner Frau, barfuß im 'Wasserklops', bekommen einen Beigeschmack, den ich nicht beschreiben kann. Ich werde trauriger, wütender, ich schreibe, in Abwandlung eines dictum von Kurt Schumacher, die Islamisten seien grün lackierte Nazis.

Keine Antwort.

Daniel Deckers schreibt in der F.A.Z., islamische Attentäter handelten 'allem zuwider, was der Prophet je gelehrt' habe. Ich erinnere daran, dass in der Scharia die Kuffar außerhalb islamischer Staaten Harbi sind, Rechtlose, die man töten darf, im Konfliktfall sogar töten soll. Dass diese Lehrmeinung von jungen deutschen Muslimen auf Facebook verbreitet wird. Und frage, ob die führende Zeitung, die den von mir verehrten Martin Luther ob seiner Rückständigkeit und Rabulistik zu recht dekonstruiert, dem Propheten Muhammad diesen Akt der Aufklärung per Gnadenerlass ersparen darf.

Keine Antwort.

Es ist ein bisschen wie Beten: Man weiß, dass die höhere Instanz existiert.

Aber sie antwortet nie. Sie gehört auch zur Schweigenden Mehrheit.

... einen habe ich noch.
 Vor Monaten fragt jemand auf der Achse, es war Henryk M. Broder, ob es an der Zeit sei, den Nationalstaat für tot zu erklären. Und begründet es knapp mit Problemen Israel-Palästinas, sehr ernsthaften Problemen, die Micha Brumlik per Supranationalstaat lösen möchte. Es sind nicht meine dringlichsten Probleme, ich kann sie auch ebenso wenig lösen wie jene der vielen 'failed states' im Nahen und Mittleren Osten, bin aber heftig auf seiner, Broders, Seite, manchmal radikaler als er, ich wünsche mir Moshe Dayan zurück. Und Golda Meir. Und Anwar el Sadat auch.

Ich schreibe: 'Der Nationalstaat hat sich erst dann überlebt, wenn der Supranationalstaat seine Funktions- und Zukunftsfähigkeit unter Beweis gestellt hat. Die Liste der Gegenbeispiele ist lang, angefangen beim Hethiterreich über jenes Alexanders des Großen, das Römische Reich, das Frankenreich, das Heilige Römische Reich, das Osmanische Reich, die k.u.k-Monarchie, das Jugoslawien Titos, die Sowjetunion, die Tschechoslowakei. Als leidlich funktionierende und vor allem demokratische Gegenbeispiele fielen mir nur Indien und Brasilien ein, vielleicht noch Indonesien. Und die EU ist irgendwo zwischen Nationalstaaten und Supranationalstaat hängen geblieben, was nicht für ihre Funktions- und Zukunftsfähigkeit spricht.'

Sie ahnen es: 'Ihr Beitrag wird zuvor von einem Moderator geprüft...'

Bis heute. Vielleicht, weil er nicht zum Thema Israel gepasst hat. Das alles macht mich fertig. Ich bin in Zeiten groß geworden, da konnte man das als Gymnasiast in jeder Kleinen Pause diskutieren, in den 80ern in Westberlin. Warum schätzten mich die 'Linken' und ich sie, warum tun wir das bis heute? Vielleicht, weil damals nicht jeder Beitrag von einem Moderator geprüft wurde. Man konnte auch so einfach direkt auf die Fresse bekommen. - Seltsam, das ist nie passiert."  MK am 6. 1. 2017

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