Miteinander
reden, im Gespräch bleiben, achtsam umgehen ist wichtig. Für Christen,
für evangelische, für deren Geistliche zumal. Im Prinzip. Aber es gibt
auch Ausnahmen. Die AfD zum Beispiel. Mit der redet man nicht, mit der
will man nicht im Gespräch bleiben, von Achtsamkeit keine Spur.
Der
EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm hat „klare Kante“ gegen rechts
verlangt, der Berliner Bischof Dröge festgestellt, daß Christen „in der
AfD nichts verloren“ haben. Regelmäßig wurde und wird von den Kanzeln gegen die „Populisten“
gepredigt und gegen alle, die das Volk „vergötzen“, so der hannoversche
Landesbischof Meister in seiner Neujahrsbotschaft. Der Pastor im
Ruhestand, der für die Alternative kandidiert, sieht sich von seiner
eigenen Kirche attackiert, die Antifa darf dagegen regelmäßig auf
Unterstützung durch Gemeindegruppen rechnen. Und wohlweislich hat man
die AfD-Führung vom Kirchentag ausgeladen. Die evangelische Führung
betrachtet sie als Paria, als „Unberührbaren“, der Kontakt verunreinigt,
quasi kultisch.
Man wird dem Präses der Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski,
zugestehen müssen, daß er diese Haltung nicht teilt. Er hat geredet, mit
der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry über das Verhältnis von Kirche und
Partei. Die Bilanz des Gesprächs, das auf Einladung von ideaspektrum in der vergangenen Woche stattfand,
ist rasch gezogen: Rekowski bemüht, Petry überlegen, der Präses ganz
offenbar gewohnt, im innerkirchlichen Raum zu agieren, nicht darauf
gefaßt, daß ihn jemand argumentativ kontert, die Vorsitzende mit einer
ebenso klugen wie sachlichen Argumentation. Es gibt kein einziges Feld,
das Rekowski tatsächlich behaupten konnte.
Daß ihm das zu denken gegeben hat, wird man bezweifeln müssen. Seine
nachfolgenden Äußerungen sprechen dagegen. Verwunderlich ist das nicht.
Denn Rekowski gehört zur Führungsgruppe der evangelischen Kirche, eine
Art neuer Klerus, nicht nur in dem Sinn, daß es sich um eine relativ
geschlossene soziale Formation handelt, sondern auch in dem Sinn, daß
die Glieder auf eine besondere Doktrin eingeschworen sind. Es geht um
eine theologisch-politische Lehre, deren Hauptsätze endlos repetiert
werden.
Nehmen wir Rekowskis Hinweis auf das „christlich-jüdische
Menschenbild“. Eine Leerformel, mehr nicht, ohne Grundlage in der
Tradition oder der Bibel, nur eine sentimentale Vorstellung von dem, was
unsere Gattung ausmacht, deren Glieder alle „gleichwertig“ sind und
deren Typus unproblematisch erscheint. Decken soll das der Verweis auf
die Gottesebenbildlichkeit. Aber die hat den „Fall“ des Menschen eben
nicht unbeschädigt überstanden.
Deshalb spricht das Alte Testament mit radikaler Schärfe von der
Schlechtigkeit des Menschen: das „Dichten und Trachten des menschlichen
Herzens ist böse von Jugend auf“ (1. Mose 8,21); die Sünde „lauert vor
der Tür“ (1. Mose 4,7) wie ein wildes reißendes Tier, und der Mensch
wird ihrer kaum Herr. Nirgends hat Jesus von Nazareth diese Auffassung
in Frage gestellt.
Seine Äußerung, daß Gott die Sonne aufgehen läßt „über Gute und Böse“
(Matthäus 5,45), spricht lediglich für ein hohes Maß an Gelassenheit,
allerdings nicht dafür, daß er zwischen den einen und den anderen keinen
Unterschied macht. Rekowskis „Niemand wird ausgegrenzt“ und „Man
unterscheidet nicht zwischen Menschen“ wäre ihm nie über die Lippen
gekommen.
Die Botschaft des Neuen Testaments errichtet vielmehr hohe Grenzen:
gegen die Unbußfertigen, gegen alle, die die Ohren vor dem Evangelium
verschließen. Und sie unterscheidet scharf: zwischen dem Selbstgerechten
und dem Reuigen, zwischen den Gotteskindern und den Teufelskindern, dem
„Natterngezücht“ (Matthäus 23,33).
Das paßt natürlich nicht zur geistlich inspirierten Politik, die
Rekowski und seinen Amtsbrüdern wie -schwestern vorschwebt, eine Art
Weltverbesserungsplan, an dem alle Menschen guten Willens teilnehmen:
zum Ende der Planet erlöst, neu geordnet mit Hilfe von Brot für die
Welt, Grundrechten, allgemeiner Freizügigkeit und dem Anspruch von
jedermann auf alles zu jeder Zeit.
Da fehlt schon lange, was man biblischen Realismus genannt hat, die
Einsicht, daß wir „Arme allezeit“ (Johannes 12,8) um uns haben werden,
daß, „wer nicht arbeiten will, … auch nicht essen“ (2. Thessalonicher
3.10) soll, daß man dem Kaiser geben muß, was des Kaisers ist und Gott,
was Gottes ist (Matthäus 22,21), daß „ein Reich, das mit sich selbst
uneins ist, … zerfallen“ (Matthäus 12,25) wird.
Der heutige Protestantismus scheut die Auseinandersetzung mit so
bitteren Wahrheiten. Statt dessen pflegt er einen Jargon, dessen
Vokabular er aus Psychotherapie, Selbsterfahrungsgruppe und linker
Ideologie zusammengesucht hat. Unverdrossen reklamiert man das
„Wächteramt“ der Kirche gegenüber dem Staat, aber was den Staat ausmacht
und wozu er gut ist, davon weiß man wenig.
Um so wichtiger im Reformationsjahr daran zu erinnern, was einmal für
jeden Evangelischen zu Tage lag; mit den Worten Luthers: „die Welt nach
dem Evangelium regieren und alles weltliche Recht und Schwert aufheben“
das heißt „den wilden bösen Tieren die Bande und Ketten auflösen, daß
sie jedermann zerrissen und zerbissen“. Karlheinz Weißmann
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