Achgut.com machte den Skandal öffentlich und die Wellen der Empörung schlugen hoch. Jetzt verließ Hensel die Agentur. Doch die Hintergründe gehen weit über die Personalie Hensel hinaus. Möglicherweise wollte Hensel ein Pilotprojekt vorführen, um mit seinem Arbeitgeber einen Millionen-Auftrag des Bundesfamilienministeriums zu ergattern: „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“.
Ob er freiwillig gegangen ist oder ob man ihm die Kündigung nahegelegt hat, wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass sein Chef Stefan Wegner, Geschäftsführer von Scholz & Friends Berlin, ihm am Tag zuvor noch ausdrücklich den Rücken gestärkt hat. Hensel mache bei Scholz & Friends „einen tollen Job“ er sei „ein sehr guter Digitalstratege, ein politischer Kopf und Querdenker“.
Nur eine leichte Distanzierung war aus der Stellungnahme („Für Meinungsfreiheit und Respekt“) herauszuhören: „Gerald hat uns nicht um Erlaubnis gefragt, bevor er seine Initiative gestartet hat. Er hat es aus Überzeugung getan.“ Im übrigen versucht der Geschäftsführer von Scholz & Friends Berlin, einen neuen Mythos zu schaffen: Nicht etwa die Achse des Guten wurde Opfer der Denunzierungskampagne eines Mitarbeiters von Scholz & Friends, in deren Folge achgut.com praktisch alle Anzeigenkunden verloren hat und finanziell massiv geschädigt wurden. Nein, ganz im Gegenteil, Scholz & Friends seien Opfer eines Shitstorms der von Achgut.com ausgelöst worden sei. Tatsachen werden auf den Kopf gestellt, ein klassischer Fall von "victim blaming", das Täter-Opfer-Prinzip wird umgedreht.
Da fragt man sich, ob die Herren wirklich erwartet haben, dass wir uns nicht gegen ihre Denunziations-Kampagne wehren? Und dass wir es zulassen, dass die Achse des Guten heimlich, still und leise finanziell stranguliert wird? Gerald Hensel, inzwischen ein freier Mann, wütet indes genauso weiter wie vorher. Und erzählt dem „stern“ triefend vor Selbstmitleid von seinem angeblichen Opfer-Schicksal. Ansonsten kann seine Bedeutung gar nicht groß genug sein. „Wenn mir Deutschland einen Gefallen tun möchte“, schreibt er in einem Beitrag auf seiner Facebook-Seite, „dann durch eines: Das waren 8 Tage systematischer, bösartiger, multidimensionaler Psychoterror der übelsten Sorte. Seht hin, lasst diese Menschen nicht gewinnen. Was mir die letzte Woche passiert ist, wird dir morgen passieren.“
Aber er ist kein Opfer, er ist ein Täter. Und er ist wahrscheinlich noch nicht einmal ein Überzeugungstäter. Seine "#keingeldfürrechts“-Aktion gegen die Achse des Guten und andere Webseiten vereinte auf idealtypische Weise seine verqueren politischen Ansichten und die Interessen seines Arbeitgebers. Und die Geschichte dahinter geht weder um Moral, noch um rechts oder links. Sie geht ums Geschäft. Ende September meldete der Branchendienst new business:
„Familienministerin Manuela Schwesig hat (SPD) hinsichtlich der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen in punkto Rechtsextremismus und Flüchtlinge keine leichte Aufgabe. Deswegen ist sie nun auf der Suche nach Unterstützung für eine breit angelegte Kampagne. Wie einer europaweiten Ausschreibung zu entnehmen ist, sucht das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) derzeit eine Agentur zur Bewerbung der Marke ‚Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit‘. In den Ausschreibungsunterlagen heißt es, das Familienministerium beabsichtigt „für die Projektphase 2017 (1.1.2017-31.12.2017) vorbehaltlich zur Verfügung stehende Mittel zu vergeben.“
Die finanziellen Mittel für diese Kampagne belaufen sich dem Vernehmen nach auf mehrere Millionen Euro. So etwas ist das exakte Beuteschema für eine Agentur wie Scholz & Friends, die ja schon für das Bundespresseamt und mehrere Bundesministerien arbeitet. Und für eine Großagentur, die eine arge Schlappe ausbügeln wollte oder musste.
Der Spiegel berichtete am 11.11.2016 , dass Angela Merkel den Konkurrenten Jung von Matt mit der Wahlkampf-Kampagne 2017 beauftragen will (ein Indiz für die internen Hahnenkämpfe hinter den Kulissen: Es kommt plötzlich zu seltsamen Nazi-Vorwürfen gegen den Konkurrenten Jung von Matt – siehe hier). Dabei sind Scholz & Friends sonst „Muttis“ Liebling, denn sowohl das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung als auch einige Bundesministerien zählen zu den Kunden.
Als Termin für das Präsentations-Schaulaufen der großen Agenturen um den Schwesig-Etat kristallisiert sich Mitte Dezember 2016 heraus, das heißt diese Woche. Schließlich soll es im Januar losgehen. Vor etwa drei Wochen, am 23.11.2016, startet Gerald Hensel von Scholz & Friends auf seinem „privaten Blog“ davaidavai.com die Aktion #KeinGeldFuerRechts. Es werden Anzeigenkunden der Achse des Guten mit Rufmord bedroht und gedrängt, ihre Buchungen u. a. auf Achgut.com zurückzuziehen. Mehrere voneinander unabhängige Quellen bestätigten uns, dass dies möglicherweise kein Zufall war. Es drängt sich der Verdacht auf, dass diese Aktion ein vorauseilendes Pilotprojekt für die Bewerbung um den Millionen-Etat des Familienministeriums von Ministerin Schwesig war. Ein kostenfreier Probelauf für den sogenannten „Agenturpitch“.
Wir haben bei der Pressesprecherin das Familienministeriums, Verena Herb, nachgefragt:
"Wurde die Kommunikations/Werbeagentur Scholz & Friends oder eine mit ihr verbundene Gesellschaft im Zusammenhang mit einer künftigen Öffentlichkeits-Strategie des Ministeriums aufgefordert, ihre Kompetenz vorzustellen? Oder hat sich Scholz & Friends für eine solche Aufgabe beworben?".
Die Antwort ist karg, ein Dementi hört sich anders an:
„Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vergibt derzeit mehrere Aufträge nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB). Die Ausschreibungen werden über die entsprechenden Veröffentlichungsmedien bekannt gemacht. Entsprechend § 5 der Vergabeverordnung (VgV) ist der öffentliche Auftraggeber jedoch sowohl während als auch nach dem Abschluss des Vergabeverfahrens verpflichtet, die Integrität der Daten sowie die Vertraulichkeit der Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträge und Angebote einschließlich ihrer Anlagen zu gewährleisten.“
Der Fall ist inzwischen ein Politikum und die Wahrheit kommt bekanntlich oft nur scheibchenweise ans Licht. Wäre die ganze Aktion so gelaufen wie geplant, hätte sich Scholz & Friends gegenüber einem neuen Kunden auf diesem Gebiet neben der fachlichen Expertise zusätzlich auf entsprechend erfolgreiche und ethisch astreine Aktivitäten seiner führenden Mitarbeiter berufen können. Ein Probelauf am lebenden Objekt, die Existenzvernichtung eines regierungskritischen Autorenblogs als Morgengabe und als Nachweis der strategischen Fähigkeiten von Scholz & Friends.
Gerald Hensel bezeichnet diese Methode als „informellen Krieg“ und beschreibt ihn so:
„Die liberale Mitte muss die Samthandschuhe gerade in den neuen digitalen informationellen Kriegen mit der Neuen Rechten ausziehen. Wir müssen den Spieß umdrehen und Populismus auch und gerade im Netz lernen... Es gilt darum, an vielen kleinen Punkten digital übergriffiger und deutlich unsympathischer im Umgang mit den Leuten zu werden, die uns ihre Zukunft aufdrücken wollen - und das lange vor der nächsten Bundestagswahl... Politisches Storytelling, Targeting gegen den politischen Gegner, Influencer, Foren, Gerüchte...“ Lesen Sie hier das volle Programm.
Fest steht: Scholz & Friends wussten von der Aktion. Die Agentur hat sie billigend in Kauf genommen. Sie hat es auch zugelassen, dass sich ein Mitarbeiter der beruflichen Kontakte seines Arbeitgebers bediente. Und sie haben Hensel offenbar nie gefragt, was für ihn denn eigentlich „rechts“ sei. Hensel und seine Kumpane haben den Begriff nie definiert, sondern nach Gutdünken damit hantiert, um anderen zu schaden. Eine solide Analyse, in der es tatsächlich um gefährliche Gruppen am rechten Rand geht, scheint ihnen vollkommen überflüssig. Die wahnhafte Fixierung auf alles, was vermeintlich „rechts“ ist, ist dafür umso felsenfester. Und dafür empfiehlt Hensel den von ihm beschriebenen „digital aktivierten Populismus“ zur Vernichtung des Gegners in seinem „Krieg“.
Doch dann ging das alles furchtbar schief.
Sein „digital aktivierter Populismus“ erwies sich als Bumerang. Denn die Achse des Guten tat nicht das, was er erwartet hatte: Abtauchen und hoffen, dass der Sturm vorüberzieht. Die Achse machte die Vorgänge öffentlich. Wir haben unseren Lesern aufgezeigt, was Sache war. Das ist alles. Punkt. Öffentlichkeit ist in Fällen von Denunziation die einzige Möglichkeit der Gegenwehr. Der „digital aktivierte Populismus“ ging nach hinten los.
Wenn Medien des liberalen oder konservativen Bürgertums wie Achgut.com oder Tichys Einblick unter Nazi-Verdacht gestellt werden, dann betrifft das alle Journalisten, Autoren und Leser. Hier wurde nicht etwa der Versuch unternommen, den in der Tat bedenklichen rechten Rand trocken zu legen (den man durch Reklame-Entzug ohnehin nicht treffen kann, weil er sein Geld aus anderen Quellen bekommt), sondern die Regierungskritik eines populären Blogs für das kommende Wahljahr auszuschalten. Und das ist genau der Grund, warum sich so große Kreise der Öffentlichkeit in diesem Fall für die Achse des Guten eingesetzt haben.
Wer die inzwischen Tausende Kommentare unter den diversen Foren liest, wird vor allem ein argumentativ intelligentes Publikum entdecken. Ausnahmen bestätigen die Regel, aber das ist immer und überall so.
Die Revolte gegen selbsternannte Bevormunder aus einer Werbeagentur zog immer größere Kreise. Ein absolutes Desaster für Scholz & Friends. Die Vorgänge kontaminierten den Namen der Agentur mit einer undemokratischen und verleumderischen Kampagne eines führenden Mitarbeiters. Dies gefährdet langfristig Aufträge und kurzfristig die Bewerbung um den Zuschlag für politische Kampagnen wie „Demokratie leben“. Deshalb wahrscheinlich auch der eilige Abgang Hensels. Kein Politiker wird sich eine Agentur ins Haus holen, die einen solchen Konflikt heraufbeschworen hat, geschweige denn einen Berater engagieren, der die bürgerliche Mitte gegen sich aufgebracht hat.
Das erklärt auch die Panik, die seit unserer Veröffentlichung am Montag ausgebrochen ist. Hensels Seite „davaidavai.com“ verschwindet hinter einem Passwort, facebook-Inhalte werden hektisch gelöscht, Seiten aus dem Netz genommen, Spuren verwischt. Warum? Wer nichts zu verbergen hat, kann doch getrost weiter machen wie bisher. Auch „netz-gegen-nazis.de“, eine von Scholz & Friends offiziell unterstützte Webseite, sperrt die betreffenden Seiten.
Sie wird von der staatlich geförderten Amadeu Antonio Stiftung unterhalten. Dort lebt man unter anderem von Steuergeldern aus den Ministerien von Heiko Maas und Manuela Schwesig. Die Welle der Empörung, die Scholz & Friends getroffen hat, ist nicht zuletzt eine Warnung an Minister wie Maas und Schwesig, mit der Stigmatisierung der ihnen nicht genehmen Bürger endlich aufzuhören. Die etablierten Parteien laufen Gefahr, noch mehr Wähler als ohnehin schon zu verlieren und die Spaltung der Gesellschaft zu vertiefen. Nicht regierungskritische Medien wie die Achse des Guten sind das Problem, sondern politische Parteien, die bereits ziemlich hoffnungslos in einem Loch sitzen und trotzdem immer tiefer graben.
Werbeagenturen wie Scholz & Friends und ihr ehemaliger Mitarbeiter sollten aufhören, sich als verfolgte Unschuld zu gerieren. Der Kampf um Werbemillionen wird mit schmutzigen Mitteln geführt, das interessiert uns normalerweise nicht. Wir werden aber ungehalten, wenn wir dabei zum Spielball von Denunziationen werden. Der Probelauf zur Aushebelung der Meinungsvielfalt im Internet ist vorerst gescheitert. Scholz & Friends legt den Jammer-Blues auf und verbrämt sein Businessmodell als Dienst am Vaterland. Das glaubt niemand mehr. Es wäre Zeit, sich bei der Achse des Guten zu entschuldigen und den Schaden zu beheben. Schon im eigenen Interesse, denn der Reputationsverlust für die Werbeagentur wird sonst noch viel teurer als er ohnehin bereits ist.
Stay tuned. Dirk Maxeiner
Lesen Sie zum gleichen Thema auch Bettina Röhl auf Tichys Einblick und Michael Hanfeld in der FAZ.
Hier ein Überblick der bisherigen Beiträge zum Thema auf Achgut.com:
Chronologisch aufsteigend geordnet / Stand: 15.12.2016 14:46
(wird ggf. aktualisiert)
- Der Denunziant von Scholz & Friends
- Der Denunziant, Teil 2
- Scholz und Friends allein zuhaus
- Scholz und Friends, Hensel und Gretel und der böse Wolf
- Noch mehr von Scholz und Hensel: Kein Geld für Cookie-Gauner
- Ich will meine Politik-Verdrossenheit wiederhaben!
- Der schmutzige Erfolg der Denunzianten
- Das deutsche Bürgertum darf nicht mehr mitmachen
- McCarthys Wiedergänger
- „Kein Geld für Rechts“ zersetzt die Grundlage politischer Mitwirkung
- Zimmer frei für Frank und Gerald
- Das Schweigen vom Boykott
- Sondermeldung aus dem Scholz und Friends Hauptquartier: Denunziant entfernt
- Denunzianten-Gate: Eine Chronik unheimlicher Zufälle
- „Achgut-Autoren mögen Arschlöcher sein, Nazis sind sie nicht“
- Scholz and Friends übt in der Schweiz
- Scholz & Friends geht auf Abstand zu #keingeldfürrechts
- Fighting Freedom Of Speech: How Advertising Giant Scholz and Friends Begot A Stalinist
- Ein ausgewiesener Denunziationsexperte meldet sich zum Dienst
- Gerald Hensel: Ich habe alles richtig gemacht.
.... „Also habe ich die Kollegen, namentlich den Herausgeber Josef Joffe, den Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, den Vorsitzenden der Geschäftsführung Rainer Esser sowie die Leiterin Unternehmenskommunikation Silvie Rundel, gestern angeschrieben und Sie auf die unkollegiale Verleumdung – gibt es in Deutschland schlimmeres als den Nazi-Vorwurf? – unter ihrem Namen aufmerksam gemacht, mit der Bitte, den unter dem Signet der „Zeit“ betriebenen Hass schnell entfernen zu lassen.
Zurück kam eine Antwort der Referentin Johanna Schacht aus offenbar vorgefertigten Textbausteinen, mit dem Hinweis, dass die Artikel von der Amadeu-Antonio-Stiftung alleine zu verantworten seien und ich mich direkt dorthin wenden solle. Hallo?
Dabei hatte ich die Damen und Herren explizit darauf aufmerksam gemacht, dass ich mich nicht an die massiv unter Stasi-Verdacht stehende Stiftung wenden werde. Denn dass „Kulturstalinisten“ (Broder) liberale, konservative und libertäre Andersdenkende als „Nazis“ verleumden, ist leider so alt wie der Kulturstalinismus selbst. Dass aber die angesehene linksliberale Wochenzeitung „Die Zeit“ dies auch nach dem Hinweis auf unglaubliche Textstellen mit ihrem Banner versieht und damit weiter unterstützt, das ist in meinen Augen ein Skandal.“ .... André F. Lichtschlag
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