Samstag, 21. Januar 2017
Dieser Trump
Nun ist er also im Amt, Donald der Fürchterliche, und verbreitet Angst und Schrecken. Die deutschen „Atlantiker“, die seit Jahrzehnten stolz für die Vormachtstellung der USA in Deutschland und Europa kämpfen, irren umher wie verstoßene Kinder.
Nichts stimmt mehr in ihrer eben noch so züchtig geordneten Welt, seit der neue Mann im Weißen Haus ziemlich lässige Bemerkungen über die Nato und die EU abgeworfen hat.
Selbst die deutsche Chef-Atlantikerin Angela Merkel hat übel was abbekommen. Er mag sie, sagte er im Interview mit „Bild“ und „Times“. Allerdings gesteht er dort auch, dass er alle Menschen mag, die Deutschen, die Briten, die Mexikaner, die ganze Welt. Die dürre Sympathie-Bekundung für die deutsche Kanzlerin ist also weniger wert als schimmeliges Butterbrot.
Trump haut der CDU-Chefin um die Ohren, sie habe einen „katastrophalen Fehler“ begangen, als sie „all diese Illegalen ins Land“ gelassen habe. Und geht gleich zum Massaker von Berlin über, das den Deutschen „einen deutlichen Eindruck“ davon gegeben habe, wer da durch Merkels Wirken hereingekommen sei.
Das klingt wie „Merkels Tote“ und ist hierzulande als „Hassrede“ verpönt, also quasi verboten. Darf denn der Ami sowas sagen? Er tut es einfach, und gibt Merkels Asylpolitik überdies die Schuld am Brexit. Erst ihre Grenzöffnung habe das Fass bei den Briten zum Überlaufen gebracht.
Deutschlands politische Elite ist tief verunsichert. Sie hatte weder mit dem Brexit gerechnet noch damit, dass die Amerikaner diesen Trump wählen würden. Was droht als nächstes? Was, wenn die Völker sich auch auf dem europäischen Kontinent nicht mehr benehmen wollen? Gruseliger Gedanke.
Aber keine Sorge, man lässt sich nicht nochmal kalt erwischen und baut vor. Brexit und Trump seien nur möglich geworden, weil hinterhältige Aufwiegler Falschmeldungen, englisch „Fake News“, über das Internet verbreitet hätten, ist man sich in Berlin einig. Daher ist künftig dafür zu sorgen, dass solcher Unrat im Netz umgehend gelöscht wird. Aber gibt es dagegen, dass Medien (und dazu zählt ja auch das Netz) platte Lügen, üble Nachreden verbreiten oder zu Rassenhass oder Gewalt aufstacheln, nicht jetzt schon erprobte Gesetze? Was also soll das plötzliche Geschrei über „Fake News“?
Nun, mit „Falschmeldungen“ sind eben nicht jene ohnehin verbotenen Sünden gemeint, sondern wohl eher politisch „falsche“ Meldungen, also Nachrichten, die den falschen Leuten, den Widersachern der Etablierten, in die Hände spielen könnten.
Der Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer hat des Pudels wahren Kern bereits enthüllt: Man müsse gegenhalten gegen Leute, die „falsche Meinungen verbreiten“, um zu „destabilisieren“. „Falsche Meinungen“ − hat er tatsächlich gesagt. So offen hat schon ewig kein deutscher Spitzenpolitiker mehr von Zensur gesprochen.
Im Moment geht es darum, erst mal nachzusehen, was es da alles zu monieren gäbe im Netz. Zunächst soll im Auftrag von Facebook das „gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv.org“ von Nutzern aufgespürte, mutmaßliche „Fake News“ untersuchen. Die Leute von „Correctiv“ haben da schon Erfahrungen, in ihrer Selbstdarstellung schreiben sie unter der Überschrift „Unsere Themen“: „Correctiv.org recherchiert zu den Bedrohungen und Herausforderungen unserer Gesellschaft, zu Machtmissbrauch und Korruption in Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur, zu Themen wie Umwelt, Bildung, Gesundheit und sozialer Gerechtigkeit oder Rechtsradikalismus und Islamismus.“
Fehlt da nicht was? Linksextremismus scheint jedenfalls nicht zu „unseren Themen“ zu zählen. Damit dürfte ausgemacht sein, in welcher politischen Richtung das „Correctiv“-Kollektiv die Meute der Falschmeldenden und -meinenden wittert, der es das Maul zu stopfen gilt, damit sie die bewährte Machtverteilung in der Republik nicht weiter „destabilisiert“ − so kurz vor der Bundestagswahl.
Dabei ist allen Beteiligten klar, dass das Internet eine riesig große, rasend schnelle Veranstaltung ist. Da müssen die Zensoren deutlich besser auf Draht sein als in den alten Tagen von NS-Staat oder DDR. Also besinnt man sich auf die Weisheit, dass Strafandrohungen vieles schon im Vorwege abwenden, wenn sie drastisch genug ausfallen. Unionsfraktionschef Volker Kauder will Portalbetreiber wie Facebook mit Bußgeldern bedrohen, die „weh tun“. Die Zahl von 500000 Euro Strafe steht im Raum, die fällig werden soll, wenn Facebook eine „Falschmeldung“ nicht binnen 24 Stunden löscht.
Da werden sich Portalbetreiber wie der US-Konzern aber sputen, technische Lösungen zu finden, die einen automatischen Lösch-Rausch, ein wahres Meinungsmassaker durch sein Portal fegen lassen. Wenn es richtig gut klappt, reinigen sich die „sozialen Netzwerke“ von Facebook, Twitter und so weiter ganz von selbst von jedem regierungskritischen Dreck. Dann sind es wieder verantwortungsbewusste Qualitätsmedien, gemacht von verständigen Journalisten, die wie einst im Mai vor dem Internet das Klima im Land fast allein bestimmen können.
Letzteres ist der Grund, warum die verdienten Qualitätsmedien so auffallend laut schweigen zu dem, was die hohe Politik und ihre Handlanger da ansäuern. Normalerweise müssten es doch gerade die Journalisten sein, die
reflexartig aufschreien bei jedem Ansatz von regierungsbeauftragter Zensur.
Aber nein, es geht ja nicht nur darum, die „falschen“ Meinungen und Meldungen zu liquidieren, sondern auch darum, dass nicht mehr jeder Hans und Franz selber welche schreiben und übers Netz in alle Welt verbreiten kann. Früher war es eben eine ausgesuchte, klitzekleine Schar von Journalisten in wenigen großen Medien, die mehr oder weniger allein entscheiden konnte, was überhaupt bekannt wird und wie man es bewertet.
Damals wäre eine AfD mit höchster Wahrscheinlichkeit gar nicht hochgekommen. Auch wären uns die hässlichen Debatten im Gefolge der Silvesterexzesse von Köln und anderswo vermutlich erspart geblieben. Ganz einfach, weil verantwortungsvolle Redakteure die Ereignisse einfach unter den Tisch hätten fallen lassen, um „keine falschen Signale an die Gesellschaft auszusenden“ oder um zu verhindern, dass „diffuse Ängste und rassistische Vorurteile um sich greifen“.
So aber sahen sich die großen Staats- und Konzernmedien einem Wettlauf mit privaten Internetberichten ausgesetzt, welche sie vor sich hertrieben und ziemlich alt aussehen ließen. Wie peinlich! Das muss ein Ende haben, weil es das Vertrauen in die Medien und die Politik untergräbt und damit deren Machtbasis „destabilisiert“.
Woher sie diese Macht haben, dürfte in einer Demokratie eigentlich unbestritten sein. Alle Staatsgewalt geht schließlich vom Volke aus, wie uns das Grundgesetz lehrt. Oder? Na ja, vielleicht nicht ganz. Der Generalsekretär der hessischen CDU, Manfred Prentz, ist mächtig sauer auf seine eben ausgetretene Ex-Parteifreundin Erika Steinbach. Die in ihrem Frankfurter Wahlkreis direkt gewählte Abgeordnete will ihr Bundestagsmandat frecherweise behalten, obwohl sie den Sitz „der Partei zu verdanken hat“, wie Prentz schäumt.
Der Partei? Und wir dachten, das seien die Wähler gewesen! War das etwa auch so eine „Falschmeldung“, die von gewissenlosen Populisten unters Volk gebracht wurde, um den selbstverständlichen Machtanspruch der derzeit Herrschenden infrage zu stellen? Nun, wenn das so ist, dann rührt diese „Fake News“ direkt aus dem Grundgesetz. „Correctiv“ sollte dieses Machwerk mal genauestens unter die Lupe nehmen, zumal es bei den geplanten Säuberungen noch hinderlich werden könnte, wenn einer gegen die Zensur-Maßnahmen vors Bundesverfassungsgericht zieht. Hans Heckel
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