Wanderer, kamst du nach Braunschweig, verkündige heimwärts, du habest
Alle Taschen voll Geld, auf des Sozialamts Geheiß.
(Wanderer, kommst du nach Spa)
***
Wenn ich schon dabei bin:
Zur EU euch zu bilden, ihr hofft es, Deutsche, vergebens;
Liefert, ihr könnt es, dafür kniend der Umma euch aus.
(Transatlantiker dürfen statt "der Umma" "dem Russen" einsetzen, Linke "den Banken"...)
Deutschland? aber wo liegt es? Ich weiß das Land nicht zu finden,
Wo Ralf Stegner beginnt, hört Mario Barth gerade auf.
***
Die Sonntage immer den ... !
Die
letztliche Unübersetzbarkeit von poetischen oder im weitesten Sinne
literarischen Texten ist das schlagendste Argument gegen die Preisgabe
der Sprachen zugunsten einer Lingua franca. Eine Weltsprache
ist fraglos ein Segen, aber sie sollte die Zweitsprache sein. (Ich frage
mich zuweilen, wie Leute, die sich nicht differenziert auf deutsch
ausdrücken können, auf den Gedanken kommen, es werde ihnen englisch
besser gelingen.)
Progressisten führen jetzt zwei Argumente ins Treffen.
Das erste lautet, die babylonische Sprachverwirrung sei doch eine Strafe
Gottes gewesen (also Progressisten gebrauchen dieses biblische Bild
gemeinhin nicht, weil sie es nicht mehr kennen), und es sei am besten,
wenn deutsche Kinder von Anfang an englisch sprechen, denken, beten und
träumen lernten („träumen“ und „beten“ sagen Progressisten auch nie, ich
füge es hier nur der Vollständigkeit halber ein). Dagegen lässt sich
einwenden, dass die Intelligenz eines Kindes, welches zwei oder mehrere
Sprachen lernt, immer stärker gefördert wird als die eines monoglott
aufwachsenden. Eine Einheitssprache würde die Welt nicht nur ärmer,
sondern auch dümmer machen. Die Sprachen sind semantische Speerspitzen
der Evolution.
Das zweite Argument der Fortschrittler ist ein
technisches: Bald werde es Übersetzungsprogramme geben, die jeden
fremden Text sekundenschnell in die je eigene Sprache transferieren. Das
betrifft vornehmlich Lektüren, und davon mögen Verlage träumen, die auf
Übersetzer verzichten wollen, weil die nur Geld kosten. Das Ergebnis
wäre eine Entdifferenzierung sondergleichen. Nicht die beste Software
und selbst der genialste Übersetzer kann einen Text auch nur
achtzigprozentig von einer Sprache in eine andere übertragen. Das lässt
sich bereits bei so nah verwandten Idiomen wie dem Englischen und dem
Deutschen beobachten, gerade was poetische (oder philosophische) Texte
betrifft.
Es gibt zwei Möglichkeiten, sich diesem Problem zu
stellen. Das eine ist der Versuch, den Sinngehalt möglichst vollständig
wiederzugeben, dafür aber ein weitgehendes Verschwinden der Form und
poetischen Eigenart in Kauf zu nehmen, gewissermaßen eine
Interlinearübersetzung. Oder aber man entscheidet sich für eine
Nachdichtung, womit sich dieses Verhältnis umkehrt. Am Beispiel des
heimlichen Bestellers unserer Tage: Man vergleiche die
Koran-Übersetzungen von Hartmut Bobzin und Friedrich Rückert. Die erste
ist inhaltlich nah am Original, aber quasi unlesbar. Rückerts
Nachdichtung ist weit freier, doch sie vermittelt immerhin eine Ahnung
vom poetischen Reiz, den das Original auf dafür empfängliche Menschen
ausübt.
Gehen wir in medias res. Als ich unlängst Weimar
besuchte, trug ich den „Faust“ bei mir – allerdings auf englisch. Und
zwar in der vielgerühmten Übersetzung – Nachdichtung – von David Luke
(Oxford University Press 1987). Luke behält die Reimform bei, was
selbstverständlich löblich ist, aber die Schwierigkeiten beim Übertragen
noch mehr erhöht. So stellt sich Mephistopheles in seiner Übersetzung
vor als „Part of the Power wich would/ Do evil constantly, and
constantly does good.“ Das Nolens volens des diabolischen Tuns ist zu 49 Prozent lost in translation.
Ein paar meiner Lieblingsstellen zum Exempel.
O, devil take him, it’s that dry-as-dust
Today, my famulus! Why must
He interrupt me and destroy
This supreme hour of visionary joy?
O Tod, ich kenn’s, das ist mein Famulus
Es macht mein größtes Glück zunichte
Daß diese Fülle der Gesichte
Der trockne Schleicher stören muß!
„So that was the quintessence of the cur!
A student-tramp! How very comical.“
„Sir, I salute your learning and your wit!
You made me sweat, I must admit.“
„Das also war des Pudels Kern! Ein fahrender Scholast?
Der Kasus macht mich lachen.“
„Ich salutiere dem gelehrten Herrn!
Ihr habt mich weidlich schwitzen machen.“
Stop playing with your misery,
That gnaws your vitals like some carrion-bird!
Even the worst human society
Where you feel human, is to be preferred!
Hör auf, mit deinem Gram zu spielen,
Der, wie ein Geier, dir am Leben frißt;
Die schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen,
Daß du ein Mensch mit Menschen bist.
You are just what you are. Do what you will;
Wear wigs, full-bottomed, each with a million locks,
Stand up yards high on stilts or actor’s socks –
You’re what you are, you’ll be the same man still.
Du bist am Ende – was du bist.
Setz dir Perücken auf von Millionen Locken,
Setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
Du bleibst doch immer, was du bist.
Well! now you’re on the boil again, that’s clear.
Go to her, comfort her, you dunderhead!
Because your silly brain can’t see the way ahead,
At once you imagine doomsday’s near.
Wie’s wieder siedet, wieder glüht!
Geh ein und tröste sie, du Tor!
Wo so ein Köpfchen keinen Ausgang sieht,
Stellt er sich gleich das Ende vor.
Preisen wir an dieser Stelle den Nachdichter, doch halten wir am Original fest – es gibt immer nur eines. Auch in diesem Fall:
This was what the lads had plans for
And for which they brought a handsaw.
Wish-a-wosh! They saw-blade neatly
Cuts the bridge, but not completely.
Max und Moritz, gar nicht träge,
Sägen heimlich mit er Säge,
Ritzeratze! voller Tücke
In die Brücke eine Lücke.
Und sogar hier:
Bang! The meerschaum pipe goes off
Loud like a Kalashnikov!
(Max und Moritz auf Englisch, Nachdichtung von Percy Reynolds, Reclam 1996)
1:1
unübertragbar, nicht durch den exzellentesten Übersetzer, und auch
durch den besten Computer nicht. Eine Übersetzung ist immer nur eine
Notlösung und Krücke.
Spätestens an dieser Stelle muss der
Progressist die Larve fallen lassen und gestehen, dass ihm an Poesie
wenig gelegen ist, dass sich alles, was er zu sagen hat, viel einfacher
ausdrücken lässt, am besten in Algorithmen, und dass die soziale Frage
bedeutender sei als alle Ästhetik. Die hochsprachliche Differenzierung
wirke ohnehin nur diskriminierend auf die weniger Gebildeten. Nieder mit
der Nuance! Heute schreibt und spricht außer A. Merkel ohnehin jeder,
als sei es übersetzt. Wer auf seiner Muttersprache beharrt, ist ein
Reaktionär. Bill Gates hat einmal geäußert, es werde der Preis des
informationstechnischen Fortschritts sein, dass die Gattung sich in
einer einfacheren und einheitlicheren Verkehrssprache zusammenfinde.
Daraus folgen dann wahrscheinlich so viele Verbesserungen des Lebens auf
diesem Planeten, dass man die angeblichen Klassiker getrost entsorgen
und vergessen kann.
Natürlich ist das Gegenteil wahr. Die Poesie ist das Wichtigste auf der Welt.
***
Ist
des Menschen Wille frei? Mein Ältester, 17, überrascht mit einer
originellen These. Nein, sagt er, den freien Willen gebe es nicht,
sondern nur Determiniertheit oder Zufall. Und diejenigen, die unter der
Folter geschwiegen haben, halte ich mit meinem bevorzugten Argument
dagegen, taten die es nicht aus freier Entscheidung? Der Sohn bleibt
unerbittlich: Solche Menschen hätten entweder keine Wahl und könnten
nicht anders, oder ihr Schweigen sei ein Zufall gewesen.
Ich bemerke,
wie eine Art moralischer Entrüstung in mir aufsteigt (determiniert?
zufällig?), behalte sie aber für mich. Entrüstete Zeitgenossen wird der
Bub noch in übergenügender Zahl kennenlernen.
***
Freund
*** erzählt am Telefon, er halte jetzt Vorträge über die Geschichte der
amerikanischen Demokratie. Wenn danach aus dem Publikum die
unvermeidliche Frage gestellt werde, ob denn ein Zwei-Parteien-System
eine komplexe Gesellschaft überhaupt hinreichend widerspiegeln könne,
pflege er darauf hinzuweisen, dass wir in Deutschland seit kurzem ja
ebenfalls ein Zwei-Parteien-System besäßen und die Antwort sozusagen am
lebenden Objekt ermitteln könnten.
***
Ich
habe im Frühjahr 2016 geschrieben, dass Merkel als zweitgrößte
Zerstörerin unter den Kanzlern in die Geschichte dieses Landes eingehen
wird. Ein paar stutzerhafte Opportunisten und Zeitkorrekte fanden das
damals ganz schlimm. Vor kurzem gestattete ich mir, die Aussage zu
präzisieren: Was ich – und keineswegs nur ich – damals scheinbar keck
formulierte, werde in verblüffend kurzer Zeit ein Gemeinplatz, ja eine
Trivialität sein. Nun ist es soweit. Ein Heerrufer des Trivialen,
bislang Vizekanzler und damit an den Geschehnissen vollkommen
unbeteiligt, S. Gabriel, sagte im stern-Interview: "Niemals
hätten Kanzler wie Helmut Schmidt, Helmut Kohl oder Gerhard Schröder
Entscheidungen über die Öffnung der Grenzen getroffen, ohne wenigstens
einmal mit unseren Nachbarn zu sprechen." Angela Merkel habe
Deutschland und Europa "in eine Sackgasse geführt". Als Ursachen dafür
nennt er "Naivität oder vielleicht auch Übermut". Schau an. Der
Merkel-Stellvertreter sagt, die Dame sei naiv und übermütig (ich legte
mich fest auf "übergeschnappt"). Gabriels Resümee: "Europa steht vor der
akuten Gefahr, zusammenzubrechen. Die Aufbauarbeit von zwei
Generationen steht vor der erneuten Zerstörung." So ein lupenreiner
Rechtspopulist reist jetzt als deutscher Außenminister durch die Welt,
wenn er sich nicht gerade um seine Familie kümmert! Und welcher
Schewardnadse wird erst noch auf diesen Gromyko folgen?
Haben Sie
Gabriels Fundamentalkritik an seiner Domina in irgendeinem
Mainstream-Medium gelesen? Nein? Dabei ist vielerorts aus dem Interview
zitiert worden, doch die wirklichen "Hammerstellen" (D. Bohlen) haben
unsere Medienschaffenden wie auf Politbüro-Wink weggelassen. Merkwürdig,
nicht wahr? Des Merkens überaus würdig. MK am 29. 1. 2017
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