Die Vereidigung von Donald J. Trump
zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten umwehen geopolitische
Stürme und ein Hauch von Watergate. Statt einer erfahrenen politischen
Wettertanne wird indes ein bunt geschmückter Christbaum vor dem Kapitol
in Washington seine Inaugurationsrede halten. Es gibt nicht wenige, die
sich vom Amtseid eine bändigende Wirkung erhoffen auf den neuen
Präsidenten. Dies wird allerdings nur eintreten, wenn er statt der Marke
Trump tatsächlich die Verfassung der Vereinigten Staaten „nach besten
Kräften wahren, schützen und verteidigen“ sollte.
Zweifel sind angebracht. Bisher sind
zwei Konstanten erkennbar: eine bizarre Launenhaftigkeit, die das
Unwägbare zu einem neuen Stilmittel der Politik erklärt. Sowie die
pompöse Ankündigung, Amerika wieder „great“ zu machen.
Diese fand auch
deswegen so viel Zustimmung, weil sie eine Abgrenzung zum fraglos
verhärmten politischen System und seinem „Establishment“ implizierte.
Wohlwollend könnte man hierin eine erfrischende Erneuerungsansage sehen.
Der Charme des Unkonventionellen kann aber nur erblühen, wenn er sich
auf dem Verständnis großer Zusammenhänge begründet. Den Beweis profunder
Kenntnis ist Trump bislang in ungewohnt schweigsamer Aggressivität
schuldig geblieben. Der kokett vorgetragene Mangel an
Regierungserfahrung kann nicht allein durch „Dealmaking“ kompensiert
werden. Worauf wird sich Deutschland einstellen müssen? Einen
twitternden Schachtelteufel oder einen hemdsärmeligen Macher? Entgegen
mancher Kommentierungen hat Trump einige respektable Persönlichkeiten in
die Regierung berufen. Ihre Zusammensetzung ist jedoch so wirr wie die
bisher bekannte Agenda. Wenn aber ein Apparat aus verschiedenen
Denkschulen auf einen irrlichternden Präsidenten trifft, werden die
Implikationen unter Umständen erschreckend sein.So hübsch es klingt, Weltpolitik mit „Deals“ zu gestalten,
so illusionär ist ihre Umsetzung. Insbesondere, wenn auf der Gegenseite
nicht spiegelbildliche Managermentalitäten, sondern ausgebuffte
Machtzyniker wie der russische und türkische Präsident oder europäische
Zauderer stehen.
Die Komplexität internationaler Beziehungen und das
Geflecht nationaler Interessen übersteigen in der Regel die
intellektuelle Herausforderung eines Immobiliengeschäftes.
Es gibt für die deutsche und europäische Politik keinen Grund, passiv
und abwartend in die neue Beziehung einzutreten. Trump wird nachgesagt,
durchaus zuhören zu können und Selbstbewusstsein in der Argumentation zu
honorieren. Selbst wenn er dem transatlantischen Verhältnis außer der
erklärten „Liebe“ zu Deutschland höchstens den Wert eines noch zu
ergründenden Geschäftsmodells beimisst, darf das gemeinsame ökonomische
und sicherheitspolitische Fundament auch für künftige Generationen nicht
persönlichen Abneigungen zum Opfer fallen. Wenn das Erratische zur
Normalität wird, erwächst der Grundsatztreue auf der Gegenseite umso
größere Bedeutung. Dies gilt nicht nur für demokratische Werte, sondern
auch für Allianzen und den Freihandel. Die Nato
ist nicht obsolet, aber – hier hat Trump sogar einen Punkt – dringend
reformbedürftig. Inhaltlich und mit Blick auf nationale Beiträge. Es
wäre fatal, wenn die deutsche Politik in einem Wahljahr lediglich die
Militärskepsis unserer Bevölkerung bediente. Angesichts der
geopolitischen Bedrohungen Europas, der Schwäche vieler Mitgliedstaaten
und gebremsten amerikanischen Engagements wächst Berlin, ob es dies will
oder nicht, zwangsläufig eine Führungsrolle zu. Diese gilt es
vernunftgeleitet nach innen wie nach außen wahrzunehmen. Zaghaftigkeit
wäre der Anfang vom Ende der Nato.Auf Trumps krude Vorstellungen von der EU antwortete Angela Merkel:
„Europas Zukunft liegt in unserer Hand.“ Vordergründig ein
Allgemeinplatz, tatsächlich aber ein Handlungsauftrag, der weit über das
Krisenmanagement der letzten Jahre hinausreicht. Ein Beispiel: die
Autorität in Sachen Freihandel sollte Europa nicht China überlassen. Es
ist schon bemerkenswert, wenn ein offiziell kommunistisches Land für
freien Handel wirbt, während der Präsident der größten kapitalistischen
Wirtschaftsmacht auf Protektionismus setzt. Es wird gewiss nicht leicht,
Trump von der Abwegigkeit seines Ansatzes zu überzeugen. Berlin wird
dies aber eher gelingen als Peking. In einer Sprache, die Trump
versteht: klar, konstruktiv und gegebenenfalls hart. Dies mag nun der
Moment sein, um auch in unserem Land aus der rührend gepflegten „Kultur
der Zurückhaltung“ endlich eine „Kultur der Verantwortung“ erwachsen zu
lassen. Wir sollten uns darauf einrichten, hierfür mehr zu leisten.
Der Autor ist Chairman von Spitzberg Partners in New York. Er war
Bundesminister, zunächst für Wirtschaft, dann für Verteidigung (CSU).
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