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Freitag, 20. Januar 2017

Vereidigung

Die Vereidigung von Donald J. Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten umwehen geopolitische Stürme und ein Hauch von Watergate. Statt einer erfahrenen politischen Wettertanne wird indes ein bunt geschmückter Christbaum vor dem Kapitol in Washington seine Inaugurationsrede halten. Es gibt nicht wenige, die sich vom Amtseid eine bändigende Wirkung erhoffen auf den neuen Präsidenten. Dies wird allerdings nur eintreten, wenn er statt der Marke Trump tatsächlich die Verfassung der Vereinigten Staaten „nach besten Kräften wahren, schützen und verteidigen“ sollte.
Zweifel sind angebracht. Bisher sind zwei Konstanten erkennbar: eine bizarre Launenhaftigkeit, die das Unwägbare zu einem neuen Stilmittel der Politik erklärt. Sowie die pompöse Ankündigung, Amerika wieder „great“ zu machen.

Diese fand auch deswegen so viel Zustimmung, weil sie eine Abgrenzung zum fraglos verhärmten politischen System und seinem „Establishment“ implizierte. Wohlwollend könnte man hierin eine erfrischende Erneuerungsansage sehen.
Der Charme des Unkonventionellen kann aber nur erblühen, wenn er sich auf dem Verständnis großer Zusammenhänge begründet. Den Beweis profunder Kenntnis ist Trump bislang in ungewohnt schweigsamer Aggressivität schuldig geblieben. Der kokett vorgetragene Mangel an Regierungserfahrung kann nicht allein durch „Dealmaking“ kompensiert werden. Worauf wird sich Deutschland einstellen müssen? Einen twitternden Schachtelteufel oder einen hemdsärmeligen Macher? Entgegen mancher Kommentierungen hat Trump einige respektable Persönlichkeiten in die Regierung berufen. Ihre Zusammensetzung ist jedoch so wirr wie die bisher bekannte Agenda. Wenn aber ein Apparat aus verschiedenen Denkschulen auf einen irrlichternden Präsidenten trifft, werden die Implikationen unter Umständen erschreckend sein.So hübsch es klingt, Weltpolitik mit „Deals“ zu gestalten, so illusionär ist ihre Umsetzung. Insbesondere, wenn auf der Gegenseite nicht spiegelbildliche Managermentalitäten, sondern ausgebuffte Machtzyniker wie der russische und türkische Präsident oder europäische Zauderer stehen.

Die Komplexität internationaler Beziehungen und das Geflecht nationaler Interessen übersteigen in der Regel die intellektuelle Herausforderung eines Immobiliengeschäftes.
Es gibt für die deutsche und europäische Politik keinen Grund, passiv und abwartend in die neue Beziehung einzutreten. Trump wird nachgesagt, durchaus zuhören zu können und Selbstbewusstsein in der Argumentation zu honorieren. Selbst wenn er dem transatlantischen Verhältnis außer der erklärten „Liebe“ zu Deutschland höchstens den Wert eines noch zu ergründenden Geschäftsmodells beimisst, darf das gemeinsame ökonomische und sicherheitspolitische Fundament auch für künftige Generationen nicht persönlichen Abneigungen zum Opfer fallen. Wenn das Erratische zur Normalität wird, erwächst der Grundsatztreue auf der Gegenseite umso größere Bedeutung. Dies gilt nicht nur für demokratische Werte, sondern auch für Allianzen und den Freihandel. Die Nato ist nicht obsolet, aber – hier hat Trump sogar einen Punkt – dringend reformbedürftig. Inhaltlich und mit Blick auf nationale Beiträge. Es wäre fatal, wenn die deutsche Politik in einem Wahljahr lediglich die Militärskepsis unserer Bevölkerung bediente. Angesichts der geopolitischen Bedrohungen Europas, der Schwäche vieler Mitgliedstaaten und gebremsten amerikanischen Engagements wächst Berlin, ob es dies will oder nicht, zwangsläufig eine Führungsrolle zu. Diese gilt es vernunftgeleitet nach innen wie nach außen wahrzunehmen. Zaghaftigkeit wäre der Anfang vom Ende der Nato.Auf Trumps krude Vorstellungen von der EU antwortete Angela Merkel: „Europas Zukunft liegt in unserer Hand.“ Vordergründig ein Allgemeinplatz, tatsächlich aber ein Handlungsauftrag, der weit über das Krisenmanagement der letzten Jahre hinausreicht. Ein Beispiel: die Autorität in Sachen Freihandel sollte Europa nicht China überlassen. Es ist schon bemerkenswert, wenn ein offiziell kommunistisches Land für freien Handel wirbt, während der Präsident der größten kapitalistischen Wirtschaftsmacht auf Protektionismus setzt. Es wird gewiss nicht leicht, Trump von der Abwegigkeit seines Ansatzes zu überzeugen. Berlin wird dies aber eher gelingen als Peking. In einer Sprache, die Trump versteht: klar, konstruktiv und gegebenenfalls hart. Dies mag nun der Moment sein, um auch in unserem Land aus der rührend gepflegten „Kultur der Zurückhaltung“ endlich eine „Kultur der Verantwortung“ erwachsen zu lassen. Wir sollten uns darauf einrichten, hierfür mehr zu leisten.
Der Autor ist Chairman von Spitzberg Partners in New York. Er war Bundesminister, zunächst für Wirtschaft, dann für Verteidigung (CSU).


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