Stationen

Donnerstag, 19. Januar 2017

Brodelnder Hexenkessel Deutschland




Der Gauleiter der AfD Thüringen, B. Höcke, hat in Dresden eine Rede gehalten, die besonders schlimm gewesen sein muss. So soll er beispielswiese den gemütvollen Berliner Holocaust-Stelenwald als „Denkmal der Schande im Herzen der Hauptstadt“ bezeichnet haben. Der Tenor der Medienkommentare lässt sich zusammenfassen in den Worten: Die AfD lasse – endlich – die bürgerliche Larve fallen, und das braune Antlitz trete zutage. Aber davon abgesehen, dass die Hauptstadt kein Herz hat, ist die Formulierung doch vollrohr rotgrün-, ja sogar antifa-kompatibel. Exakt diese Funktion sollte das Denkmal doch erfüllen. Dass die Shoa die größte Schandtat der deutschen Geschichte gewesen ist, steht ja ohnehin außer Frage. Höcke hat zunächst nichts weiter getan, als den Status quo beschrieben. Oder?

Ich habe mich zu diesem närrischen Bau wiederholt geäußert. Er soll nicht an die Opfer erinnern, sondern an seine Erbauer. Er rührt niemanden und nutzt niemandem außer den Erbauern und deren Image. Es ist ein Denkmal für die Großartigkeit der sogenannten deutschen Erinnerungskultur, eine egozentrische Selbstfeier der angeblichen Mahner, die sich ihren wenn nicht größten, so doch schlimmsten aller Völkermorde von niemandem streitig machen lassen wollen. Jede einzelne an Israel gelieferte Maschinenpistole hat mehr mit dem Holocaust und seinen Opfern zu tun als diese Zeppelinwiese der Zerknirschungssimulanten am Brandenburger Tor. Jedes in Deutschland gebaute U-Boot, das heute im Dienste Israels das Meer pflügt, ist ein besseres Holocaust-Denkmal als dieser Betonschrott.  MK am 18. 1. 2017

Sehr geehrte Frau ***, ich pflichte Ihnen in nahezu allem bei, was Sie über B. Höcke und seine Dresdner Rede schreiben. Höcke ist, mit den Worten eines großen deutschen Satirikers, der nebenher als bayrischer Ministerpräsident tätig war, vom Problembär zum Schadbär geworden. Allerdings verbietet mir ein tiefsitzender Instinkt (den ich an guten Tagen für die Quelle der Kultur halte), gegen eine Person zu polemisieren, über die ohnehin schon alle herfallen, und wenn es sich um den Teufel selber handeln sollte. Es ist aber nicht der Schleppfuß, Widersacher und Scheitan, sondern bloß ein Schadbär. Außerdem will ich a priori ausschließen, dass mein kleiner Eckladen in den Ruch gerät, in ihm werde parteipolitisch oder gar parteitaktisch getratscht. Hier ist Platz für jede Wahr- und Bosheit, aber möglichst nicht für taktische.
Bleiben Sie mir gewogen, mit 1000 Komplimenten bin ich Ihr  MK

Selten wurde jemand so schnell widerlegt wie die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach. Sie hatte bei ihrem CDU-Austritt die AfD als „Fleisch vom Fleische“ der CDU bezeichnet. Der Teil der AfD, den der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke verkörpert, ist nicht „Fleisch vom Fleische“ der CDU, sondern von der NPD oder ihrer verbrecherischen Vorläuferorganisation im 3. Reich.
Höcke, der schon einmal von „1000 Jahren Deutschland“ fabulierte, nannte in einer Rede das Holocaust-Mahnmal ein „Denkmal der Schande“, sprach von „dämlicher Bewältigungspolitik“ und bezeichnete Richard von Weizsäckers historische Rede zum 8. Mai als eine „Rede gegen das eigene Volk“. Höcke enttarnte sich damit endgültig als lupenreiner Rechtsextremist. Er ist ein Fall für den Verfassungsschutz.
Eine genauso große Schande ist, dass kein Mitglied des bürgerlich-konservativen Flügels der AfD den Anstand und die Kraft hat, sich inhaltlich davon zu distanzieren und seinen Parteiausschluss zu fordern.. Auch der feine Herr Gauland nicht. Für ihn läuft das alles unter Wählermaximierung. Irgendjemand muss ja die vagabundierenden ehemaligen NPD-Wähler aufsaugen, so sein bisheriges Credo.
Es dauerte sehr lange, bis sich Frauke Petry wenigstens zur Kritik an Höcke entschloss. Allerdings nicht inhaltlich, sondern nur taktisch-instrumentell. Ihr geht es nur um den möglichen Schaden für ihre Partei.
Das Schlimme aber ist, dass auch Höckes rechtsradikale Tiraden voraussichtlich keinen AfD-Wähler davon abhalten werden, diese Partei zu wählen. Wie bei Donald Trump. Auch bei ihm schreckten seine rassistischen, menschenverachtenden Tiraden keinen Wähler ab.
Es gibt offenbar Wähler, die sind so fertig mit dem liberalen demokratischen Rechtsstaat, dass sie ein Bündnis mit dem Teufel eingehen – nur um ihren Protest und ihren Hass herauszuschreien. Das lässt auch für die Bundestagswahl das Schlimmste erwarten.
Nazis bleiben Teil des politischen Spektrums. Dazu braucht es keine NPD mehr. Höckes AfD ist ihr Erbe.   Michael Spreng


Björn Höckes Dresdener Rede hat der AfD einen Bärendienst erwiesen. Das augenzwinkernde Kokettieren mit zweideutigen Formulierungen („wir wollen den vollständigen Sieg“), das aufgesetzte Ausschließlichkeits-Pathos, das rhetorisch überhöhte, holzschnittartige Entweder-Oder – das paßt nicht zum selbstgesetzten Anspruch einer „Vision“ der „inneren Erneuerung“ und lädt zur böswilligen Interpretation geradezu ein.

Mußte das sein, diese Steilvorlage? Ärgerlich an diesem mißglückten geschichtspolitischen Exkurs ist vor allem, was nicht gesagt wurde. So unterirdisch das reflexhafte Gepöbel des notorischen SPD-Vize Ralf Stegner („Hetz-Rede“, „Neonazipack“), so „Fake News“-verdächtig in den Leitmedien die schwarmdumme Verzerrung von Höckes Formulierung „Denkmal der Schande“ zu der Behauptung, er habe das Holocaust-Gedenken an sich als „Schande“ bezeichnet: Höckes „Erstaunen“ über die Negativ-Berichterstattung ist unaufrichtig, zumindest gespielt.
Per persönlicher Erklärung teilte er am Tag nach seiner Rede mit, er wolle durchaus den Völkermord an den Juden als „Schande für unser Volk“ verstanden wissen. Warum hat er das dann nicht gleich gesagt? Wer sich in öffentlicher Rede auf ein geschichtspolitisches Minenfeld begibt, sollte vorher genau überlegen, was er sagt, statt – nicht zum ersten Mal – erst auf massive Kritik hin wortreiche Klarstellungen hinterherzuschieben.

Daß auf die dunklen Kapitel der Geschichte fixierte Dauer-Vergangenheitsbewältigung lähmt, daß den nachwachsenden Generationen das positive historische und kulturelle Vermächtnis des eigenen Volkes zu vermitteln ist, daß auch der Opfer von Vertreibung und Bombenterror gedacht werden muß: Alles nicht falsch. Aber das ist nicht alles. Denn das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus gehört ebenfalls zu uns. Zumal auch unter ihnen viele Deutsche sind: Deutsche Juden, politisch Mißliebige, Oppositionelle, Widerständler, Andersdenkende, die in die Mühlen des Terrors gerieten. Und auch die Verbrechen des Nationalsozialismus an den Völkern Europas gehören zu unserer Geschichte. Das ehrliche und unverklemmte Bekenntnis zu dieser monströsen historischen Schande muß Teil des geschichtspolitischen Selbstbildes unserer Nation sein. Die politische Instrumentalisierung kann man kritisieren, zu den Fakten muß man stehen, zu den Sternstunden wie zu den Schandflecken.

Wir müßten uns „in unserer Selbstvergewisserung der immensen Schuld bewußt“ sein, sagt Höcke in seiner nachgereichten Erklärung. Erst provozieren, dann zurückrudern und Solidarisierung einfordernd alles zum Mißverständnis erklären, das ist mehr als schlechter Stil. Der Satz hätte in seine Rede gehört, aber da hat er nicht so recht reingepaßt. Denn da forderte Höcke eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“. Statt Aussöhnung mit der eigenen Vergangenheit also die Wiederauflage des geistigen Bürgerkriegs, den der Totalitarismus über unser Land gebracht hat, nur mit anderen Vorzeichen.
Das ist der direkte Weg ins selbstgewählte Ghetto. Wer den Rändern zuzwinkert, marginalisiert sich über kurz oder lang selbst.

Eine Alternative, die eine politische Wende herbeiführen will, muß für breite Schichten der Bevölkerung wählbar sein. Dafür muß sie, statt Schlachten der Vergangenheit zu schlagen, die Mißstände in den Mittelpunkt stellen, an denen unser Gemeinwesen heute krankt: Die fortgesetzten Rechtsbrüche der Etablierten bei Euro-„Rettung“, Energiewende und Masseneinwanderung, die Demontage des Rechtsstaats, der grassierende Verlust an Ordnung, Freiheit, Sicherheit, Gemeinsinn und bürgerlichen Tugenden.
Das bewegt die Bürger, damit muß die Wende beginnen und nicht mit geschichtspolitischen Parolen, die die wenigsten nachvollziehen können, von denen die meisten abgestoßen werden und die dem Establishment so einen willkommene Vorwand liefern, um vom eigenen Versagen abzulenken.
Gleichwohl wird auch die AfD nicht umhin können, eine geschichtspolitische Positionierung vorzunehmen, die die heutigen Deutschen mit ihrer Identität und Vergangenheit versöhnt, ohne nostalgische Beschönigungen und einseitiges Weglassen oder Überbetonen. Die AfD-Führung sollte Björn Höcke dieses Thema nicht überlassen: Für ihn ist es offenkundig mehrere Nummern zu großMichael Paulwitz



Der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke hat mit massiver Kritik am Holocaust-Gedenken der Deutschen Empörung ausgelöst. Offensichtlich mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal in Berlin sagte Höcke auf einer Veranstaltung der Jungen Alternative am Dienstagabend in Dresden: „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“
SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich entsetzt über die Äußerungen des Thüringer AfD-Landesvorsitzenden. Ihm sei es den „kalt den Rücken runtergelaufen“, als er sich die Rede Höckes im Internet angesehen habe, schrieb Gabriel am Mittwoch auf Facebook. Er wisse, dass die AfD gezielt Aufmerksamkeit mit Provokationen erzeuge. „Wir sollten deshalb nicht über jedes Stöckchen springen, das uns die AfD hinhält.“ Bei den Aussagen Höckes gehe es aber „nicht um irgendeine Provokation“, schrieb der Vizekanzler weiter. „Es geht um die Frage, wie wir mit unserer Geschichte umgehen.“

Auch Vertreter der AfD-Spitze distanzierten sich von Höckes Äußerungen. Der nordrhein-westfälische AfD-Vorsitzende Marcus Pretzell warf Höcke auf der Internetseite der Zeitung „Bild“ vor, dieser treibe zum wiederholten Mal „kluge und kritische bürgerliche Wähler“ der Partei zurück in das Lager der Nichtwähler. Pretzell kritisierte, dass sich Höcke wiederholt „sehr missverständlich“ ausgedrückt habe, „um es vorsichtig zu formulieren“. Er rühre dabei „mit größter Ignoranz an einer 12-jährigen Geschichtsepoche, deren Revision wahrlich nicht die Aufgabe der AfD ist“.

AfD-Chefin Frauke Petry sagte der Wochenzeitung „Junge Freiheit“, das, was sie schon vor einem Jahr gesagt habe, habe sich nun bestätigt. Höcke sei mit seinen „Alleingängen und ständigen Querschüssen zu einer Belastung für die Partei geworden“. Die AfD müsse sich entscheiden, ob sie den Weg der Republikaner gehen wolle oder den anderer erfolgreicher Parteien wie der FPÖ. Petry und Höcke stehen innerhalb der AfD-Führung für unterschiedliche Ausrichtungen.

Der Linkspartei-Politiker Diether Dehm erstattete nun nach eigenen Angaben wegen Volksverhetzung Strafanzeige gegen den AfD-Politiker. „Am Tag der traurigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zeigt Höcke, offensichtlich ermuntert, wo Geschichtsrevisionisten und rechtsextreme Chauvinisten ihr neues Zuhause finden sollen: Bei der AfD“, sagte Dehm am Mittwoch. Das Bundesverfassungsgericht hatte am Dienstag entschieden, die rechtsextreme NPD nicht zu verbieten.

Auch der sächsische Grünen-Chef und Jurist Jürgen Kasek hatte zuvor erwogen, rechtliche Schritte gegen Höcke einzuleiten. Es sei relativ deutlich, dass sich Höcke „im Stil des Nationalsozialismus“ verfassungsfeindlich geäußert habe. Deshalb könne man ihn im Grunde auch nicht mehr als Rechtspopulisten bezeichnen. Am Dienstag hatte Kasek eine Protestkundgebung vor dem Veranstaltungsort in Dresden angemeldet.

Julia Klöckner, die stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU und Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz, erklärte, Höckes Aussagen seien „menschenverachtend, geschichtsvergessen und atmen den Geist rechtsradikaler Hetze“. Auch SPD- und Grünen-Politiker kritisierten Höcke scharf. „Björn Höcke spricht die Sprache der NSDAP“, sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. Der AfD-Fraktionschef im Thüringer Landtag rede alles schlecht, was die Deutschen nach 1945 geleistet hätten.
Barley betonte, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, die rechtsextreme NPD wegen Bedeutungslosigkeit nicht zu verbieten, dürfe nicht übersehen werden, dass viele ehemalige NPD-Mitglieder inzwischen ihre Heimat in der AfD gefunden hätten – und dort Politik und Auftreten der Partei maßgeblich prägten. SPD-Vize Ralf Stegner bezeichnete Höckes Äußerungen in einer Twitter-Nachricht als „Hetz-Rede“ und forderte „Null Einfluss für das Neonazipack“.
Der Grünen-Bundestagspolitiker Volker Beck verlangte eine Beobachtung des „Höcke-Flügels“ der AfD durch den Verfassungsschutz. Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter nannte die Rede des AfD-Politikers „unsäglich“. „Die AfD muss sich unmissverständlich davon distanzieren und sich bei unseren jüdischen Freundinnen und Freunden entschuldigen.“
Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, zeigte sich schockiert. „Die AfD zeigt mit diesen antisemitischen und in höchstem Maße menschenfeindlichen Worten ihr wahres Gesicht“, sagte Schuster. „Dass 70 Jahre nach der Schoah solche Aussagen eines Politikers in Deutschland möglich sind, hätte ich nicht zu glauben gewagt“.
Höcke selbst schrieb in einer Pressemitteilung, er sei „erstaunt über die Berichterstattung“ zu seiner Rede. Angeblich solle er „das Holocaust-Gedenken der Deutschen kritisiert haben“. Das sei eine „bösartige und bewusst verleumdende Interpretation“, erklärte Höcke. Der AfD-Politiker schrieb, er habe den Holocaust „als Schande für unser Volk bezeichnet“ und wisse nicht, was daran falsch sein solle.
Höcke erinnerte in seiner Mitteilung außerdem an eine Rede des Schriftstellers Martin Walser anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1998. In dieser habe Walser die „Monumentalisierung der Schande“ kritisiert. Der Begriff „Denkmal der Schande“ stamme überdies nicht von ihm selbst, so Höcke, „sondern ist schon vor langer Zeit zumindest in den politischen Sprachgebrauch eingegangen“. Höcke verweist in diesem Zusammenhang auf eine Drucksache des Deutschen Bundestages (14/3126) , in der die Formulierung „Denkmäler der Schande und der Trauer“ vorkommen soll.
Höcke hatte in seiner Rede auch einen Vergleich zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem ehemaligen DDR-Staatschef Erich Honecker gezogen. Der AfD-Politiker sagte in Dresden, bis jetzt sei der deutsche Gemütszustand der „eines brutal besiegten Volkes“. „Anstatt die nachwachsende Generation mit den großen Wohltätern, den bekannten, weltbewegenden Philosophen, den Musikern, den genialen Entdeckern und Erfindern in Berührung zu bringen, von denen wir ja so viele haben, ... vielleicht mehr als jedes andere Volk auf dieser Welt ..., und anstatt unsere Schüler in den Schulen mit dieser Geschichte in Berührung zu bringen, wird die Geschichte, die deutsche Geschichte, mies und lächerlich gemacht“, sagte Höcke.
Höcke sprach mit Blick auf die „führenden Altparteien-Politiker“ von „erbärmlichen Aparatschiks“. Die Regierung Merkel sei „zu einem Regime mutiert“ Weder „Habitus noch ihre floskelhafte Phraseologie unterscheidet Angela Merkel von Erich Honecker“, sagte Höcke unter „Merkel muss weg“-Rufen der Zuhörer.    FAZ



Die AfD ist eine kuriose Partei. Man möchte sich für einen Moment vorstellen, in einer anderen Partei wäre Ähnliches geschehen. Ein Landesvorsitzender hält eine Rede, in der er den zentralen Ort des Denkmals für die ermordeten Juden Europas kritisiert. Politische Gegner kritisieren den Landesvorsitzenden auf das Schärfste und das, wie man sagen kann, zu Recht. Der zentrale Standort des Denkmals entspricht der Bedeutung, welche die Erinnerungskultur in der Bundesrepublik hat. Schließlich gehört die Losung, Menschheitsverbrechen wie die Schoa dürften sich niemals wiederholen, zum Fundament der bundesrepublikanischen Verfassungsordnung.
Und gerade als der Landesvorsitzende mit rhetorischen Angriffen bedacht wird, bezeichnet ihn seine eigene Bundesvorsitzende als Belastung für die Partei. Ihr Ehemann nennt das Verhalten des Landesvorsitzende gar parteischädigend - ein Begriff, der vor allem deshalb von Bedeutung ist, weil er nach den Statuten der AfD einen Parteiausschluss rechtfertigt und auch sonst als unverhohlene Aufforderung zum freiwilligen Parteiaustritt zu verstehen ist. Sie reihen sich ein in die Riege der Kritiker, was man als Haltung verstehen könnte, wenn sie in der Vergangenheit nicht selbst zu denen gehört hätten, die Provokationen äußerten und sich dann als Opfer einer böswilligen Öffentlichkeit inszenierten. Stichwort: Schusswaffengebrauch an der Grenze.
Was dürften Beobachter über eine solche Partei sagen, ohne sich von ihren Anhängern anhören zu müssen, sie verdrehten die Tatsachen? Eines mit Sicherheit: Dass sie in einem Maße zerstritten ist, welches in letzter Konsequenz nur den Schluss zulässt, dass Personen wie Frauke Petry und Marcus Pretzell auf der einen Seite, und Funktionäre wie Björn Höcke und Alexander Gauland auf der anderen Seite auf Dauer nicht zusammenarbeiten können. Etwas anderes aber auch: Dass Höcke nicht mit Stolz auf die Integrität blickt, mit der sich Deutschland seiner Vergangenheit gestellt hat, sondern mit einem Gefühl der Angegriffenheit.
Dass er sich für die Hauptstadt lieber eine pompöse Inszenierung nationaler Größe wünscht, als neben viel Herrschaftsarchitektur auch einen Ort stiller Nachdenklichkeit, an dem nicht ein therapiebedürftiger Schuldkomplex, sondern eine Haltung von moralischer Größe ausgedrückt wird. Selbst in den romantischen Begrifflichkeiten eines Björn Höcke könnte daraus ein Nationalstolz erwachsen, der nicht ausgrenzt.
Es gibt viele Orte in Berlin, an denen der Toten gedacht wird. In Laufweite des Denkmals für die ermordeten Juden steht in Berlin die Neue Wache. Es ist ein leerer, stiller Raum mit nichts als einer Skulptur von Käthe Kollwitz in seiner Mitte: eine Mutter mit ihrem toten Sohn. Das Denkmal ist die zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.
Auch an deren Tod trugen mitunter Deutsche schuld, auch ihr Tod war eine finstere Episode der deutschen Geschichte. Kritik an solchen Denkmälern war in rechtsradikalen Kreisen in den vergangenen Jahren jedoch nicht zu hören gewesen. Und das, obwohl die Opfer in beiden Fällen Unschuldige waren, und deutsche Bürger. Den Grund für diese Unterscheidung zwischen den einen und den – angeblich – anderen mag man gar nicht hören. Er liegt, aus moralischer Sicht, im Dunkeln.   Justus Bender


Politiker forderten die Entlassung Höckes als Beamter. Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) solle ein Disziplinarverfahren gegen Höcke einleiten, heißt es in einem Brief an den Minister, der der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Höcke ist vor seinem Einzug in den Thüringer Landtag in Hessen als Lehrer verbeamtet worden. Er ist als Lehrer für Geschichte und Sport derzeit beurlaubt.
Politiker fordern in einem Brief an den hessischen Kultusminister die Entlassung von Höcke als Beamter
Unterzeichnet haben den Brief die Bundestagsabgeordneten Eva Högl (SPD) und Özcan Mutlu (Grüne) sowie die Thüringer Landtagsabgeordnete Katharina König (Linke) und der Anwalt Mehmet Daimagüler. Er vertritt die Angehörigen eines NSU-Opfers im Prozess gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe.
„Kein Demokrat kann ernsthaft wollen, dass Höcke seine Hassreden als Lehrer in einer Schule vorträgt“, sagte Mutlu zur Begründung des Schreibens. Högl äußerte sich ähnlich. „Niemand, der rhetorisch und inhaltlich an die NS-Zeit anknüpft und sich dies zu eigen macht, kann und darf Geschichtslehrer sein.“ König sagte, die Thüringer Neonazi-Szene nehme Höcke längst als legitimen parlamentarischer Vertreter wahr.
Höcke selbst wies „bösartige und bewusst verleumdende Interpretationen“ seiner Rede zurück. Er habe „den Holocaust, also den von Deutschen verübten Völkermord an den Juden, als Schande für unser Volk bezeichnet“. Er habe gesagt, „dass wir Deutsche diesem auch heute noch unfassbaren Verbrechen, also dieser Schuld und der damit verbundenen Schande mitten in Berlin, ein Denkmal gesetzt haben“.
Auf die Rückendeckung aus seiner Partei kann der thüringische Landes- und Fraktionschef der AfD wohl nur in begrenztem Maß hoffen. Während AfD-Vize Alexander Gauland Höcke in Schutz nahm, äußerten andere Politiker der Partei deutliche Kritik. ...

... Die Fraktionschefs der Linken im Bundestag warfen Höcke Volksverhetzung vor. Sie würden deshalb gegen ihn Strafanzeige erstatten, kündigten Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch an. Ihr Parteifreund Diether Dehm stellte bereits eine entsprechende Anzeige. In Thüringen wurde die Entlassung Höckes als Beamter gefordert. ...

... Die katholische Deutsche Bischofskonferenz kritisierte die Äußerungen Höckes scharf. „Mit Fassungslosigkeit habe ich die völlig unsinnigen Äußerungen von Herrn Höcke zum Holocaust-Denkmal in Berlin und zur Erinnerungskultur vernommen“, sagte der Vorsitzende der Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, Bischof Ulrich Neymeyr. Das Holocaust-Denkmal sei „christlich gesprochen, ein Mahnmal der Umkehr“. ... FAZ


AfD-Chef Jörg Meuthen sieht im Fall von Björn Höcke keinen weiteren Handlungsbedarf. „Ich habe mit Herrn Höcke ausführlich gesprochen, und er hat in seiner öffentlichen Erklärung dargelegt, wie er seine Rede gemeint hatte. Ich halte keine weiteren Konsequenzen für notwendig, vor allem keine disziplinarischen“, sagte Meuthen der JUNGEN FREIHEIT. Höcke repräsentiere zudem nicht die gesamte Partei, gab der AfD-Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag zu bedenken. „Herr Höcke und ‘Der Flügel’ stehen nach meiner Einschätzung für etwa 20 Prozent der Partei, nicht aber für die gesamte AfD. Diese 20 Prozent sind aber – wie andere Richtungen auch – integraler Bestandteil der Partei.“
Dennoch könne er nachvollziehen, daß Höckes Äußerungen bei manchen auf Kritik gestoßen seien. „Es ist wie so oft bei Herrn Höcke. Er tut sich und der Partei mit solchen Themen und diesem Duktus keinen Gefallen“, kritisierte Meuthen. „Ich würde es daher begrüßen, wenn Herr Höcke die Wortwahl bei seinen Reden etwas sorgfältiger bedenkt.“ Die Intention von Höckes Rede könne er aber trotzdem nachvollziehen. „Es ist nichts Falsches daran, die einseitige Verengung der Betrachtung der deutschen Geschichte auf die barbarischen zwölf Jahre aufbrechen und auch die hellen Seiten deutscher Geschichte mehr würdigen zu wollen.“
Er könne aber auch diejenigen verstehen, die meinten, es gebe momentan drängendere Themen. „Und die öffentliche Wahrnehmung gibt den Kritikern von Herrn Höcke leider recht. Solche Reden bedienen ungewollt unseren politischen Gegner. Ich fürchte, daß diese Geschichte unserer Akzeptanz bei bürgerlichen Wählern schadet.“
Auch ihn störe mitunter die Wortwahl Höckes. Diese sei ihm teilweise zu martialisch. Anders als Höcke sehe er die Rolle der AfD nicht ausschließlich in der Fundamentalopposition. „Wenn wir etwas bewegen wollen, werden wir nur mit Fundamentalopposition nicht weiterkommen“, warnte der AfD-Chef.
Daß es in der Angelegenheit nicht zu einer geschlossenen Reaktion des Parteivorstands gekommen sei, führte Meuthen auf die kurze Zeit und die verschiedenen Meinungen in der AfD zurück. „Wir alle waren am Mittwoch in Terminen gebunden. Da war wenig Zeit, ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen. Insbesondere wenn in einer solchen Frage sehr unterschiedliche Ansichten herrschen.“ Es sei kein Geheimnis, daß er und Alexander Gauland die Personalie Höcke anders sähen als Petry.
„Man sollte auch anderen keine Alleingänge vorwerfen, wenn man selbst zu Alleingängen neigt“, kommentierte Meuthen Petrys Stellungnahme zu Höcke vom Mittwoch. Er hätte es daher für sinnvoller gehalten, wenn sich der Parteivorstand in der Frage bis zu seiner Sitzung am Freitag zurückgehalten hätte. Höcke hatte in seiner Rede in Dresden auf einer Veranstaltung der Jungen Alternative unter anderem kritisiert, der Gemütszustand der Deutschen sei noch immer der eines total besiegten Volkes. „Wir Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“
Es folgte ein Sturm der Empörung. Auch zahlreiche AfD-Politiker äußerten Kritik an Höckes Rede. AfD-Chefin Frauke Petry sagte der JF: „Es bestätigt sich, was ich schon vor einem Jahr sagte. Björn Höcke ist mit seinen Alleingängen und ständigen Querschüssen zu einer Belastung für die Partei geworden.“ Die AfD müsse sich entscheiden, ob sie den Weg der Republikaner gehen wolle oder den anderer erfolgreicher Parteien wie der FPÖ. „Wir werden Realisten sein oder politisch irrelevant werden“, warnte die AfD-Chefin. „Unsere Aufgabe ist es, die Lösung der enormen Probleme des Euro, der Inneren Sicherheit, bei Energie, Familie und Migration voranzutreiben.“  JF

Ist Höcke nur eine loyale und mutige Kasperlesfigur auf der Hand von Götz Kubitschek? „Wherever a man comes, there comes a revolution. The old is for slaves.“  sagte Emerson. Es wird sich zeigen, ob Kubitschek und Höcke nur die AfD ruinieren oder tatsächlich eine Revolution in Gang setzen.

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