Ich (Necla Kelek) bin in der Türkei geboren, als junges Mädchen nach Deutschland
gekommen und lebe seit 50 Jahren in diesem Land. Ob ich damit, wie
Angela Merkel es am 20. November 2016 bei „Anne Will“ formulierte, zu
„denjenigen“ gehöre, „die schon länger hier leben“ oder zu denen, „die
neu dazugekommen sind“, weiß ich nicht.
Und ob es auf Dauer noch mein
Land ist, auch nicht. Jedenfalls schwerlich, wenn Wirklichkeit werden
sollte, was in dem „Impulspapier der Migrant*innenorganisationen zur
Teilhabe in der Einwanderungsgesellschaft“ steht.
Dieses Papier wurde
von der zuständigen Staatsministerin für Integration, Aydan Özoguz,
vorgelegt und fand auf dem 9. Integrationsgipfel am 16. November 2016
den Segen der Bundeskanzlerin. Was Kanzlerin Merkel in ihrer Rede zu
diesem 9. Integrationsgipfel als „ermutigend“ empfand, ist nach meiner
Beurteilung eine Kapitulation vor den Migrantenorganisationen.
Vorbereitet wurde das Papier von der Beauftragten der Bundesregierung
für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özoguz, die ich seit
vielen Jahren in der sozialdemokratischen Partei als Lobbyistin von
Islamvereinen und der türkischen Gemeinde wahrnehme. Aydan Özoguz
spricht nicht gern über Probleme und Konflikte in den
Einwanderer-„Communities“. Wenn doch, verharmlost sie Unerfreuliches
stets. So wandte sie sich anlässlich der Debatte über die Zunahme
muslimischer Kinderehen am 3. November 2016 gegen ein „pauschales Verbot
von Ehen von Minderjährigen“; denn es könne „junge Frauen ins soziale
Abseits drängen“. Aydan Özoguz verhüllt mit diesen Formulierungen den
sexuellen Missbrauch von Mädchen im Migrantenmilieu.
So hat es mich auch nicht überrascht, dass sie Minister de Maizière
in den Arm fiel, als der am 15. November 2016 den Salafisten-Verein „Die
wahre Religion“ verbot, ein islamistisches Netzwerk, das junge Muslime
in Deutschland für den Dschihad in Syrien anwirbt. Aydan Özoguz forderte
stattdessen „Augenmaß" bei der Verfolgung von Islamisten. Die
Integrationsbeauftragte hat normalerweise die Rückendeckung der
Bundeskanzlerin, der SPD und der Grünen sowieso – doch aus der Union
kamen dieses Mal Widerworte: „Gegen Islamisten ist kein Augenmaß
gefragt, sondern die volle Härte des Gesetzes“, entgegnete
CDU-Generalsekretär Peter Tauber am 16. November 2016 und fuhr fort:
„Anstatt unseren Sicherheitsbehörden für ihre hervorragende Arbeit zu
danken, tritt ihnen Frau Özoguz vors Schienbein.“
Frau Özoguz kann nicht nur treten, sie kann auch schweigen. Bei dem
jetzt vorgelegten „Impulspapier der Migrant*innenorganisationen zur
Teilhabe in der Einwanderungsgesellschaft“, das nach ihrer Vorstellung
im Wahljahr 2017 umgesetzt werden soll, ist zunächst aufschlussreich,
wovon nicht die Rede ist.
Nicht die Rede ist von Problemen und Konflikten bei Flüchtlingen und
Migranten, sondern es geht sogleich darum, wie die „Teilhabe am Haben
und am Sagen“ der Migrantenorganisationen organisiert werden kann.
Migranten sind nach der Definition des Papiers Opfer, „Einzelne, denen
ihre Herkunft oftmals nachteilig ausgelegt wird“. Von wem? Der Begriff
„Deutscher“ oder „deutsche Gesellschaft“ kommt aber gar nicht vor, das
Impulspapier zitiert, um die Bezugsgruppe zu beschreiben, den
Bundespräsidenten, der bei anderer Gelegenheit vom „Wir der
Verschiedenen“ sprach.
Selbst die Art der Teilhabe an diesem „Wir der Verschiedenen“ bleibt
ungesagt. Die Bundeskanzlerin hat dem gewählten US-Präsidenten Donald
Trump trotzig die Zusammenarbeit auf Basis von „Demokratie, Freiheit,
Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von
Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder
politischer Einstellung“ angeboten. Eine derart selbstverständliche
Standortbestimmung gegenüber Migranten fehlt im Impulspapier. Ein
positives Leitbild wäre aber nötig, sind doch an dem Regierungsprojekt
Integration Organisationen wie die Islamverbände beteiligt, die sich mit
Werten und Freiheiten des Westens wieder und wieder schwertun.
Auch ein weiterer Grundsatz unserer Verfassung wird in dem
Impulspapier grundsätzlich negiert. Das Grundgesetz stellt am Beginn des
Grundrechtekatalogs das Individuum, den Einzelnen, in den Mittelpunkt.
Ganz bewusst werden Grundrechte nicht gewährt, sondern umgekehrt, die
Grundrechte eines „Jeden“ sind das Fundament für alles andere. Das
bedeutet als Staatsziel, dass der Einzelne und nicht sein Kollektiv im
Mittelpunkt der Integrationsbemühungen stehen muss. Die
Koalitionsfreiheit, die Vereine oder hier die Migrantenorganisationen
sind nur die Folge dieses Prinzips. In dem Impulspapier geht es aber
nicht um die Rechte der Migranten, sprich der Bürger, sondern
ausschließlich um eine „Teilhabe am Haben und am Sagen“ der
Migrantenorganisationen. Die islamischen Verbände als Vormünder der
Migranten, die Migranten als Mündel der Migrantenverbände. Hier geht es weiter.
In den 70-er Jahren war es genug, an die Demokratie und öffentliche Debatten zu glauben, um mit Extremisten fertig zu werden. Man konnte in Anlehnung an mitmenschlichen Konsens auf die Kraft der besseren Argumente vertrauen und zuversichtlich und sorglos sagen: „Wenn diese Republik nicht ohne staatlich verordnetes Berufsverbot auskommt und keine kontroversen Debatten aushält, dann verdient sie nicht zu überleben“.
Aber damals hatten es Deutsche mit anderen Deutschen zu tun, denen letztlich allen an einer Republik lag, in der es sich lohnen sollte zu leben. Heute haben wir es mit anderem zu tun. Es geht um Landnahme und Wille zur Macht seitens einer unserer Kultur fremden, von Ressentiment gegenüber Nordeuropa im besonderen und dem Christentum im allgemeinen erfüllten Ethnie (die mit anderen Ethnien aus dem islamischen Kulturkreis potentielle Verbündete gegen diejenigen sieht, die schon länger hier sind), die uns latent oder auch nicht latent feindselig gegenübersteht. Wenn man sie einfach gewähren lässt und sich lieber vor dem Spiegel in einem adretten Büßerhemd bewundert, als vorlauten Forderungen entgegenzutreten, dann bringt man eine Republik in Gefahr, die es sich verdient hat zu überleben.
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