"Volksverräter" ist als "Unwort des Jahres" ausgezeichnet und gepriesen
worden. Tatsächlich muss es nämlich heißen: "Verräter derer, die schon
länger hier leben". MK am 13. 1. 2017
Wer erfahren will, wo den Tonangebern im Land der Schuh drückt, der muss
abwarten, bis das „Unwort des Jahres“ gewählt wurde. Eine kleine Gruppe mit Sitz in Darmstadt, im Kern vier Sprachwissenschaftler und ein
Journalist, sucht das Wort aus, und die Medien verbreiten deren Wahl wie die Entscheidung eines Kronrates, der bestimmt, was wir künftig nicht
mehr sagen sollen.
Sie geben vor, die Debatte versachlichen und von
Unflätigkeiten reinigen zu wollen. Doch das ist ein Märchen für die
geneigte Öffentlichkeit. Die Wahrheit dagegen ist alarmierend, und wir
(wer sonst?) sind ihr auf die Schliche gekommen. Gucken Sie sich mal an,
was wir herausgefunden haben. Sie werden staunen!
Das Unwort von
2013 lautete „Sozialtourismus“. Im Jahr zuvor hatte das
Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Asylanten nicht wesentlich
schlechter gestellt werden dürften als einheimische Hartz-IV-Empfänger.
Das war ein unwiderstehliches Angebot an Millionen von Erdenbürgern. Ein
Vergleich der deutschen Hartz-IV-Leistungen mit den Sozialhilfesätzen
im Rest der Welt oder der Einkommenssituation von mindestens einem
Drittel der Menschheit machte schon damals erwartbar, dass wir bald mit
einem Massenansturm rechnen müssten. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis
das ärmste Drittel der Menschheit die Offerte entdecken und einlösen
würde, fürchteten Skeptiker und warnten vor − genau: Sozialtourismus.
Was geschah? Seit 2014 überrollt uns die gewaltigste Welle von „Wirtschaftsflüchtlingen“, welche Deutschland je sah.
In
jenem Jahr verunglimpften die Staats- und Konzernmedien alles und jeden
als Nazi, der sich gegen die (mit der Welle einhergehende) Ausbreitung
eines zunehmend aggressiven und fundamentalistischen Islam in Europa
wendete. Der Vorwurf war in fast allen Fällen eine Lüge der Medien, denn
die Bürger waren ernsthaft besorgt und keineswegs kleine
Hitler-Anhänger − prompt wählten die Darmstädter die Parole
„Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres 2014.
2015 jubelten Politiker,
Manager und einfache Bürger über eine Million Menschen aus den
gefährlichsten Regionen des Planeten, die unkontrolliert nach
Deutschland fluteten. Die Jubler kamen sich dabei unbeschreiblich
barmherzig vor und dachten gar nicht daran, die Gefahren in den Blick zu
nehmen, welche der ungeprüfte Ansturm mit sich bringen könnte. Mehr
noch: Wer auf Risiken hinzuweisen wagte, ward mit aller Schärfe geächtet
als rechter Populist, der diffuse, unbegründete Ängste schüre und die
Gesellschaft spalte.
Für die Gescholtenen waren diejenigen, die da
besinnungslos jubelten und schönredeten, bloß selbstgerechte
„Gutmenschen“. Damit ist nicht etwa ein guter Mensch gemeint, sondern
einer, der sich aus Borniertheit oder Berechnung bloß als der „Bessere“
inszeniert, ohne die Folgen seiner scheinbar guten Taten verantworten zu
wollen. Dieser Vorwurf saß recht gut, weshalb „Gutmensch“ zum Unwort
des Jahres 2015 erhoben wurde.
Wir sehen also: Das „Unwort des
Jahres“ trifft stets einen Sachverhalt, über den wir nicht reden sollen,
weil dies den Mächtigen nicht in den Kram passt. Damit ist die Wahl vor
allem eines: Ein zuverlässiger Kompass, der den Deutschen zielgenau
anzeigt, aus welcher Richtung gerade Unheil auf sie zurollt. Die
Darmstädter tun nur so, als prangerten sie ein „Unwort“ an. In Wahrheit
wollen sie uns versteckt mitteilen, was die jeweils größte
Ungeheuerlichkeit der Saison darstellt.
Was kommt als nächstes? Als
Unwort des Jahres 2016 wurde diese Woche „Volksverräter“ bekannt
gegeben, mit dem Politiker wie Merkel oder Gabriel belegt worden sind.
Das
ist starker Tobak, fürwahr. Die Vokabel unterstellt schließlich, dass
uns die Besagten nicht aus reiner Dummheit in diese, mittlerweile
buchstäblich mörderische Lage gebracht haben, sondern mit Absicht. Ist
es das, was uns die Jury mit ihrer düsteren Wahl zuraunen will?
Damit
hätte ein Vorwurf das politische Festland erreicht, der bislang in den
nebligen Sümpfen der Verschwörungstheorie gefangen war. Das kann ja
heiter werden dieses Jahr. Wir hatten ohnehin kein gutes Gefühl, was uns
2017 auftischen würde. Nun aber heißt es: Anschnallen und Rückenlehne
senkrecht stellen, wir werden hart landen in einer Realität, die sich
möglicherweise selbst Pessimisten nicht ruppig genug vorgestellt haben.
Man sieht bereits, wie die eben noch gut vertäuten politischen
Positionen plötzlich herumwirbeln wie herausgerissene Gepäckstücke durch
die Kabine eines heftig schlingernden Flugzeugs kurz vor dem Aufprall.
SPD-Chef
Gabriel führt sich auf, als sei er neulich Nacht in die AfD-Zentrale
eingebrochen. Wo sonst soll er die Forderung nach einem „Kulturkampf“
gegen den radikalen Islam gefunden haben? Nun
stellt er die Beute provokant bei sich ins Fenster, damit die Leute bis
zur Bundestagwahl im September vergessen mögen, was sie da kürzlich noch
für einen Multikulti-Kitsch erblicken mussten.
Schlägt sich da einer in
die Büsche, der nicht will, dass sich die Deutschen an das erinnern,
was uns die Darmstädter Jury durch die Blume als „Volksverrat“ enthüllt
haben will?
Die Grünen können angesichts solcher Turbulenzen kaum
noch ausmachen, wo oben und unten ist und greifen verständlicherweise
zur Brechtüte. Für die Avantgarde der Einwanderungs-Verherrlicher sind
dies anstrengende Tage. Und es sieht nicht danach aus, dass bald bessere
kommen.
Einen Trost gibt es. Wenigstens auf ihre heimliche
Ehrenvorsitzende können sich die Grünen nämlich noch verlassen: Angela
Merkel behält einen kühlen Kopf, was wir daran sehen, dass sie tut, was
sie immer tut: Reden, reden, reden und fast nichts sagen. Der
schreckliche Anschlag von Berlin mahne uns, so die Kanzlerin bei einer
Rede diese Woche vor dem Beamtenbund, „hier schnell zu handeln, hier
richtig zu handeln, nicht nur in Ankündigungen steckenzubleiben, sondern
auch wirklich Flagge zu zeigen“. Es bedürfe einer „nationalen
Kraftanstrengung“, „gemeinsamer Lösungen in der Großen Koalition“ und so
weiter.
Klingt gut, nicht wahr? Was aber hat sie damit konkret
gesagt? Eben: Nichts − wie üblich. Das heißt, an einer Stelle wurde
Merkel beinahe greifbar, um uns dann jedoch gleich wieder zu entgleiten.
Das macht sie so: Wer keinen Schutzstatus habe, der müsse „unser Land
wieder verlassen“. Das sei in der Vergangenheit „nicht so ernsthaft
verfolgt“ worden, räumt sie ein, um listig anzufügen: Dies zu ändern,
sei eine „Aufgabe für alle“.
Für alle? Also für Sie und mich ebenso
wie für die Regierung und deren Organe? Das ist natürlich Käse, wie auch
Merkel weiß. Sie operiert hier nach der alten Weisheit: Wo alle
zusammen die Verantwortung tragen, da trägt sie in Wahrheit keiner.
Wenn
sich in ein paar Monaten − sagen wir: so einige Wochen vor der Wahl −
herausstellen sollte, dass es mit der Abschiebung immer noch nicht
vorangeht, und böse Zungen die Kanzlerin dafür zur Verantwortung ziehen
wollen, dann wird Merkel mit Unschuldsmine erwidern: „Ich habe ja schon
im Januar gesagt, und ich sage das hier noch einmal ganz deutlich: Dies
ist eine Aufgabe für alle!“ Ergo sind „alle“ − sprich: keiner, und schon
gar nicht ich! − dafür verantwortlich, dass wieder nichts geklappt hat.
Einen kurzen Moment erlaubt uns Merkel einen Blick auf das, was sie
hinter dem Gewölk ihrer Reden wirklich betreibt. „Wir wollen einen
offenen Staat“, ließ sie wissen. Zur Erinnerung: Merkel hatte die
Balkanstaaten wegen deren Grenzschließung öffentlich angeprangert und
postuliert, dass man „nicht kontrollieren“ könne, „wer zu uns kommt“.
Was sie da mit „offenem Staat“ meint, muss nicht erst geraten werden.
Vermutlich will die CDU-Chefin nur Zeit gewinnen, bis sie nach der Wahl
weitermachen kann wie bisher. Hans Heckel
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