Als ich Florenz zum ersten Mal sah, war ich neunzehn Jahre alt. Ich
war gerade seit drei Tagen in Italien, meine magere Reisekasse war schon
zur Hälfte geplündert, und ich konnte einfach nicht begreifen, warum
jeder, der mich sah, mich grundlos zu hassen schien. Ich stand auf dem
Campingplatz hoch oben am Piazzale Michelangelo, ein Gewitterregen
von Dantesken Ausmaßen prasselte auf meinen Backpack nieder, und man
weigerte sich aus purer Bosheit und/oder Faulheit, mich auf den Platz zu
lassen.
Da war mir klar, dass ich dieses miese Land mit seinen durch und
durch verkommenen Bewohnern augenblicklich verlassen musste. Nach einer
durchwachten Nacht auf dem Florentiner Bahnhof im Wartesaal II. Klasse
machte ich allerdings einen folgeschweren Fehler: Da der nächste Zug
nach München (Insider-Tipp: Nicht wundern, wenn dieses Reiseziel in
Italien „Monaco“ heißt) erst um neun Uhr morgens ging, hatte ich noch
satte vier Stunden Zeit totzuschlagen. Warum also nicht Florenz ansehen,
wo man schon mal da war? Das, was in der Morgenstille so rosig
angehaucht im Arnotal lag, war so atemberaubend schön, dass ich
beschloss, doch noch eine Nacht dazubleiben. Ich blieb zwölf Nächte, und
seitdem hänge ich an Italien mit der ungesunden Dummheit, mit der eine
hörige Frau an einem kaltherzigen, brutalen Idioten hängt.
Seitdem ist viel Wasser den Arno hinuntergeflossen und die
Florentiner haben enorm dazugelernt. Zufriedene Touristen lassen sich so
viel besser melken als unzufriedene, und seitdem hat sich die Zahl der
Florenzbesucher in etwa verzwanzigfacht. Mit zahlreichen öffentlichen
Toiletten, klimatisierten Supermärkten, bezahlbaren und flotten
Restaurants, Cafès und Pizzerien mit unglaublicherweise sowohl
freundlichem als auch kompetenten Personal hat sich die Renaissanceperle
in die Jetztzeit katapultiert. Da berappt man auch gern mal ohne
weiteres fünf Euro, nur um durch einen Kreuzgang zu latschen.
Inzwischen habe ich auch gelernt, dass die Italiener den gemeinen
Touristen nicht als solchen hassen, sondern nur die Tatsache, dass er
nicht fließend italienisch spricht. Noch heute ist es symptomatisch,
dass das englische Vokabular von italienischen Kellnern, die seit
fünfundzwanzig Jahren fast ausschließlich mit Ausländern zu tun haben,
und das bis zu zwölf Stunden täglich, im besten Fall aus den zwei
Schlüsselwörtern „driiink“ und „griiill“ besteht.
Ein Crashkurs in der Landessprache ist daher dringend empfohlen,
schon als Notwehrmaßnahme. Zu den ersten Sätzen, die ich in klingendem
Italienisch sprechen lernte, gehörten die allernötigsten: Das
Wechselgeld stimmt nicht! Das hier habe ich nicht bestellt und ich werde
es auf keinen Fall bezahlen! Ich hole gleich die Polizei!
Diese neu erworbene Fähigkeit änderte meine Italienurlaube von Grund
auf. Einmal schenkte mir im Zug zwischen Bologna und Venedig eine
Signora spontan zehntausend Lire, weil sie so begeistert von meinen in
nur drei Monaten erworbenen Kenntnissen war. So durfte ich das kleine
Wunder erleben, dass mir italienische Herzen zuflogen und ich
meinerseits auch mal die Italiener um ihr Geld erleichtern konnte.
Inzwischen ist Florenz nicht mehr die große Welt für mich, so wie
früher, aber die Stadt ist immer noch eine zauberhafte, bis an den Rand
mit Kunstschätzen prall gefüllte Wundertüte, die jeder gebildete Mensch
wenigstens einmal im Leben geöffnet haben sollte. Im Hochsommer ist der
Besuch nichts für Weicheier – Temperaturen um 35 ° sind dann keine
Seltenheit. Um das Schlangestehen vor den Galerien der Uffizien und dem
Palazzo Pitti zu vermeiden, sollte man am besten das
Online-Ticket-Verfahren nutzen. Schattig und dazu noch gratis parkt man
unterhalb der hoch gelegenen Kirche San Miniato al Monte. Das
atemberaubende Panorama lässt den Besucher schnell vergessen, dass er
später auch wieder hinaufsteigen muss, und dazu, wenn er schon längst
nicht mehr kann, will und mag. Das beste Eis gibt es seit vielen
Jahrzehnten in der Gelateria Vivoli ,Via dell’Isola delle Stinche,
unweit von Santa Croce. Unbedingt besuchen sollte man den wunderbaren Spezialitätenhandel Pegna,
ein Traditionsgeschäft beim Dom, das die Herzen von Schlemmern höher
schlagen lässt und überdies mit einem Schlag jedwedes Mitbringselproblem
lösen wird. Toskanische Produkte wie Weine und Olivenöle, getrocknete
Steinpilze und senesische Lebkuchen sowie nie gesehene
Schokoladenspezialitäten und außerhalb Italiens praktisch unbekannte,
hervorragende Kosmetik- und Körperpflegeprodukte lassen keinen Wunsch
offen.
Zuerst auf https://antjesievers.wordpress.com/
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