Stationen

Donnerstag, 2. Juni 2016

30 Jahre Junge Freiheit


Die erste Ausgabe der JUNGEN FREIHEIT benannte vor 30 Jahre das Grundmotiv, weshalb es zur Entwicklung eines neuen konservativen Mediums, letztlich einer Veränderung der politischen Landschaft kommen sollte. Wir waren Kinder der Ära Schmidt/Genscher/Kohl/Strauß. Es war die Zeit der „Neuen Deutschen Welle“, „Skandal im Sperrbezirk“, Parole: „Neue Männer braucht das Land“.

Wir hatten im Freiburger Hausbesetzerbiotop die Mobilisierungskraft einer linksalternativen Szene vor der Nase, aus deren Netzwerk von Dutzenden Umweltschutz-, Anti-AKW- und Friedens-Initiativen sich die Grünen auf den Weg zur Etablierung gemacht hatten. Gleichzeitig erlebten wir ab 1982, daß der von Helmut Kohl in Aussicht gestellte politische „Roll-Back“ zu 1968 ausblieb und viele Konservative mit einer Pseudo-„Wende“ bitter enttäuscht wurden.
Damit trat für uns überdeutlich die Defensive des konservativen Milieus zutage, sein Mangel an Eigeninitiative und Mobilisierungskraft. Viele hingen an den Rockschößen der Union und der von CDU und CSU alimentierten oder domestizierten Verlage und Institutionen. Zahlreiche Versuche, parteipolitische Alternativen neben Union und FDP zu etablieren, schlugen in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder kläglich fehl, prallten nicht zuletzt an einer kompakten Abwehr oder der Ignoranz etablierter Medien ab.
Karlheinz Weißmann charakterisierte 1988 diese Ausgangslage in einer der ersten Rezensionen in der Zeitschrift Criticón: Das Problem für Konservative bestehe darin, die zur Mobilisierung und Formierung eines Milieus vitale Subkultur nicht einfach „machen“ zu können. Deshalb gäbe es nicht „jenen Wald von Blättern und Blättchen, der der linken und alternativen Szene zur Verfügung steht, um Informationen und Lebensgefühl durch ein ganzes Kapillarsystem sickern zu lassen“. Darum sei jedoch das Erscheinen unserer Zeitung – damals wohlgemerkt noch zweimonatlich und lediglich mit wenigen hundert Abonnenten – so erfreulich.

In diesen 30 Jahren ist die JUNGE FREIHEIT bis heute nicht nur außergewöhnlich gegen teilweise schärfsten Gegenwind gewachsen, es hat sich auch parallel die deutsche Medienlandschaft insbesondere seit der Wiedervereinigung 1990 und vor allem durch die Revolution digitaler Medien ab der Jahrtausendwende dramatisch gewandelt.

Als wir aus dem südbadischen Freiburg in die künftige Hauptstadt Berlin umzogen, um ab 1994 als Wochenzeitung zu erscheinen, konnte niemand die mediale Macht vorausahnen, die heute das Internet ausüben würde. Noch war die publizistische Landkarte von alteingesessenen Verlagsriesen dominiert, die auch die Claims in den neuen Ländern untereinander aufgeteilt hatten. Seit dem Abfluß der Stellenanzeigen ins Internet schrumpfen nicht nur die Umfänge, es sind stetig Zeitungstitel untergegangen – allein bei den wöchentlichen: Woche, Wochenpost, Rheinischer Merkur, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt –, haben fusioniert, Verlage gaben die Beteiligung an Tageszeitungen auf.
Wer erinnert sich noch daran, welche Allmacht der verantwortliche Lokalredakteur einer monopolartigen Regionalzeitung – wie in Freiburg die Badische Zeitung – einst ausüben konnte? Wenn er nicht wollte, fand eine politische Veranstaltung einfach nicht statt. Heute unterrichten sich Bürger selbstverständlich über das Internet, unabhängige Blogs, vielfach über soziale Medien wie Facebook, Twitter, Instagram, was in ihrem Umfeld geschieht. Es sind vielfältige, vor allem digitale „Kapillarsysteme“ (Weißmann) entstanden, über die Lebensgefühl, neue Positionen, Gegenmeinungen verbreitet werden.

Die Allmacht der Fernsehsender, der saturierten Großverlage, der Meinungsmonopolisten, sie ist in den letzten Jahren geschrumpft. Hochnäsigkeit wendet sich in larmoyante Klage über den Untergang des „Qualitätsjournalismus“, den über ihre Verhältnisse lebende Blätter für sich gepachtet zu haben glaubten. Arroganz weicht dem Angstschweiß, wenn bei Spiegel, FAZ, Welt und anderen nur noch Stellen abgebaut werden.
Zeitungen, die das neue mediale Selbstbewußtsein der Bürger nicht in Rechnung stellen, daß ihre Leser sich selbst ein Bild machen, selbst Informationen beschaffen, haben keine Zukunft mehr.

Einige Zeitungen reagieren mit dem Konzept der „Bürgerzeitung“, indem Leser stärker als früher in die Berichterstattung einbezogen werden, sich die Blattmacher vom hohen Roß herunterbewegen und überprüfen, was die Bürger tatsächlich bewegt – und nicht über ihre Köpfe hinwegschreiben.
Es ist nicht völlig verwunderlich, daß dem Wandel der Medienlandschaft seit einiger Zeit auch eine Veränderung der politischen Landschaft folgt. Das Neue ist, daß sich nach Jahrzehnten einer Linkstendenz nun ein Pendelschlag ins Konservative abzeichnet, daß wir europaweit eine Renaissance der nationalen Idee erleben. Offensichtlich ist das Prinzip der Schweigespirale, wie Elisabeth Noelle-Neumann den Effekt der Ausgrenzung einer schweigenden Mehrheit analysiert hat, durchbrochen worden.
Der eruptive Erfolg des Buches „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin im Jahr 2010, das mit 1,5 Millionen verkauften Exemplaren zu einer Volksabstimmung gegen den politisch-medialen Mainstream wurde, war das Signal für einen gesellschaftlichen Wandel. Das Buch enthielt bereits die politische Agenda, die sich mit dem Aufstieg der AfD nun auch politisch und demoskopisch meßbar immer stärker manifestiert. Die Republik ist in Bewegung gekommen; so schnell läßt sich diese Drift nicht mehr ändern – die mediale Macht der alten politischen Klasse ist auch zu sehr geschwächt, die Medienhäuser sind zu sehr selbst Teil einer tiefgreifenden politischen Vertrauenskrise geworden.
Wir brauchen eine Rückkehr zu echten politischen Debatten, bei denen nicht eine Seite allein bestimmt, wer an die Mikrophone darf und wer nicht. Nur so wächst anstelle von Alternativlosigkeit neue demokratische Freiheit.  JF



Der Focus-Herausgeber Helmut Markwort hat die politische Einseitigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender scharf kritisiert. „Was für eine Schieflage! Die taz ist fast ständig im Presseclub und sogar der Jakob Augstein vom Freitag, der eine kleinere Auflage hat als die Junge Freiheit, wird immer wieder ins Fernsehen eingeladen – das ist einseitig.“, erklärt Markwort im Interview mit der Wochenzeitung Junge Freiheit, die in dieser Woche ihr 30-jähriges Bestehen feiert.

„Ich habe immer öffentlich gesagt, daß ich die Vorbehalte gegen die Junge Freiheit für unsinnig halte. Ich meine, wir brauchen in Deutschland auch ein konservativ-intellektuelles Blatt“, betont Medienmanager Markwort.

Zudem kritisiert Markwort den medialen Umgang mit der AfD: „Nehmen Sie die AfD: Auch die würden viele am liebsten totschweigen, in der Hoffnung, daß sie so verschwindet.“ Er sehe die AfD als rechte Partei, „die nationale Interessen in den Vordergrund stellt, aber keine rassistische Bewegung“.


Das Interview „Was für eine Schieflage“ mit Helmut Markwort ist in unserer Jubiläumsausgabe abgedruckt, die morgen am Kiosk erscheint
Sie finden in der Jubiläumsausgabe und der Sonderbeilage „30 Jahre JF“ ebenfalls:

  • den Beitrag „Wie räudig Schäfelein“ von Peter Gauweiler
  • die Grußbotschaft „Mehr Vielfalt, mehr Skepsis“ von Roger Köppel
  • das Interview „Wir bleiben unabhängig“ mit Verlagsgründer und Chefredakteur Dieter Stein
  • den Beitrag „Zeichen der Entfremdung“ zur Zukunft des Journalismus von Nicolaus Fest
  • den Brexit-Kommentar von Nigel Farage
  • Beiträge vieler weiterer prominenter Autoren

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