EZB-Chef Mario Draghi habe keine Antwort darauf, wie die Zentralbank
den Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen beenden wolle, betonte
Michelbach. Die Maßnahmen führten letzlich zur Ausdehnung der
Solidarhaftung. Die Menschen wollten aber keine Eurobonds, merkte
Michelbach an. EZB-Präsident Draghi hatte gestern Abgeordneten des
Deutschen Bundestags die umstrittenen Maßnahmen der Zentralbank
erläutert und um Vertrauen geworben.
Michelbach hält die Politik
des billigen Geldes, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, für
verfehlt. In Krisenstaaten der Eurozone sei die Arbeitslosenquote nur
von 15 auf 13 Prozent zurückgegangen. Michelbach warb dafür, die Phase
der Null-Zins-Politik zu beenden. "Man muss den Anreiz des billigen
Geldes wegnehmen", so Michelbach. Zur Begründung verwies er auf eine
seiner Ansicht nach mangelnde Reformbereitschaft der Euro-Krisenländer.
Das Interview in voller Länge:
Tobias Armbrüster:
Es sollte wahrscheinlich ein Befreiungsschlag sein, gestern der Besuch
von Mario Draghi im Deutschen Bundestag. Dem Chef der Europäischen
Zentralbank, den haben vor allem konservative Finanzpolitiker im Visier.
Er gilt als Hauptverantwortlicher für die aktuelle Niedrigzins-Politik
der EZB. Er ist damit, so heißt es immer wieder, ein Feind der Sparer,
und der Hauptvorwurf lautet, die europaweiten Nullzinsen, die sind
eigentlich ein gigantisches Rettungspaket für marode Eurostaaten -
allerdings ein Rettungspaket, dem der Bundestag nie zugestimmt hat.
Mario Draghi hat nun gestern versucht, solche Vorwürfe zu entkräften.
Am
Telefon ist jetzt der CSU-Politiker Hans Michelbach. Er ist Obmann der
Unions-Fraktion im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages. Schönen
guten Morgen, Herr Michelbach.
Hans Michelbach: Guten Morgen.
Armbrüster:
Herr Michelbach, Sie haben vor diesem Besuch von Mario Draghi gesagt,
er mache die Eurozone zu einer Schuldenhaftungs-Union und die EZB durch
ihre Anleihekäufe zu einer Bad Bank. Hat Mario Draghi Sie gestern vom
Gegenteil überzeugt?
Michelbach: Er war letzten
Endes positiv, dass er zu seiner Verantwortung für das Zusammenhalten
der Gemeinschaftswährung gestanden ist und sich mit der Kritik
auseinandergesetzt hat. Natürlich kann man auch die negative Seite
sehen, dass er auf eine Ausdehnung der Solidarhaftung eigentlich setzt
und dass letzten Endes diese Liquiditätsausweitung durch 2.000
Milliarden Euro Anleihekäufe natürlich irgendwo einmal endet. Und die
Frage, wie das enden wird, die konnte er nicht beantworten. Wir haben
dann gefragt, ob das die Eurobonds sind, die Vergemeinschaftung mit
Eurobills-Einlagensicherung auf europäischer Ebene und so weiter. Da hat
er keine Antwort gegeben. Das heißt, im Grunde genommen ist klar, dass
es diese Ausdehnung der Solidarhaftung gibt und wir heute schon mit 20
Prozent bei den Staatsanleihen, die die EZB hat, haften, 100 Prozent bei
den Unternehmensanleihen. Also Deutschland hat letzten Endes die
Haftung und wir gehen in eine Haftungs- und Schuldenunion. Das wurde
leider nicht ausgeräumt oder wollte er und konnte er auch nicht
ausräumen.
Armbrüster:
Das heißt, Sie haben nicht den Eindruck, dass Mario Draghi jetzt nach
diesem Besuch irgendetwas an seinem Vorgehen, an seiner Politik ändert?
Michelbach:
Nein. Es heißt ja immer, bedenke das Ende, und wie gibt es eine
Konzeption, auch letzten Endes aus dieser wirklich schwierigen Lage der
Niedrigzinsphase herauszukommen. Da hat er keinerlei Vorschlag darlegen
können und das war eigentlich - - Er hat sich dann immer wieder in
Mahnungen geflüchtet, dass er erwartet, dass die Staaten nicht nur auf
die EZB-Politik schauen, sondern auch selbst Struktur- und Finanzpolitik
durchführen und durchsetzen. Aber da haben wir ihm entgegenhalten
müssen, mit dieser Flutung und der Niedrigzins-Politik hat ja gerade der
Staat gar keinen Anreiz, in den Krisenländern zu sparen, zu
konsolidieren und eine solide, stabilitätsorientierte Finanzpolitik zu
betreiben, weil er hat ja keine Belastungen.
Armbrüster:
Herr Michelbach, verzeihen Sie, wenn ich Sie da kurz unterbreche. Ist
Mario Draghi denn eigentlich für diese Kritik der richtige Adressat? Er
hat ja eigentlich als Chef der Europäischen Zentralbank gar keine andere
Wahl, als Zinsen niedrig zu halten, Liquidität zu schaffen, wenn das
Wachstum in den Euro-Mitgliedsländern einfach nicht da ist und
geschaffen werden soll.
Michelbach: Er möchte ja
mit dieser Liquiditätsausweitung, also dem Kauf der Anleihen mit über
2.000 Milliarden, Wachstum erzielen. Und wir müssen ihn natürlich
fragen: Was ist der Erfolg Deines Tuns und welche Folgen erzeugst Du?
Und der Erfolg ist sehr bescheiden. Wir haben Wachstum, er sagt dann,
ich habe in den Krisenländern die Reduzierung der Arbeitslosigkeit von
ehedem 15 Prozent auf 13 Prozent reduziert. Das ist natürlich sehr
bescheiden. Das ist nicht der Erfolg, den man braucht, um in der
Eurozone wieder neues Vertrauen zu schaffen. Es geht ja darum, die
Menschen auch mitzunehmen.
Armbrüster: Herr Michelbach, was würden Sie denn an seiner Stelle tun?
Michelbach:
Es ist ganz klar die Quadratur des Kreises, aber es muss deutlich
werden, dass diese Ausweitung der Liquidität ein Ende braucht und dass
dazu auch den Menschen gesagt werden muss, ehrlich und offen, dass das
nur lösbar ist mit Vergemeinschaftungen, die in Deutschland natürlich in
der Bevölkerung klar abgelehnt wird. Die Menschen wollen keine
Eurobonds, sie wollen keine Einlagensicherung für Konten in den
Krisenländern, keine Haftung übernehmen dafür. Also ich glaube, man muss
den Menschen auch neues Vertrauen geben und muss sagen, wir wollen ganz
klar die Niedrigzinsphase beenden, und die Staaten, die dazu nicht
mitmachen, die Banken, die dazu nicht in der Lage sind, die müssen auch
die Folgen selbst tragen.
Armbrüster: Was würde
das jetzt heißen? Das heißt, wir schrauben einfach die Zinsen wieder
hoch und würgen damit möglicherweise das Wachstum in vielen Staaten ab?
Michelbach:
Natürlich nicht in einem Schock. Aber man muss natürlich den Anreiz
auch wegnehmen, den Anreiz des billigen Geldes, und da gibt es dann den
Reformdruck, der notwendig ist, sowohl bei den Staaten wie bei den
Banken.
Armbrüster: Dann können wir festhalten,
Herr Michelbach: Sie würden heute Morgen dem EZB-Chef Draghi raten, die
Zinsen langsam, schrittweise wieder zu erhöhen, weil seine bisherige
Zinspolitik ein Reinfall war?
Michelbach: Die
Folgen und die wirtschaftliche Erholung, die er prognostiziert, die
findet so nicht statt, weil die Reformen verweigert werden, es keine
Anreize gibt, auf den Pfad der Tugend zu gehen.
Armbrüster: Das heißt, seine bisherige Politik war ein Reinfall?
Michelbach:
Die Politik ist gescheitert. Ich gebe gerne zu, dass es eine schwierige
Aufgabe ist, dass es die Quadratur des Kreises ist. Aber man muss der
Realität ins Auge schauen und vor allem kann man so nicht weitermachen,
weil das Vertrauen in der Bevölkerung für diese Arbeit fehlt.
Armbrüster:
Ganz kurz noch, Herr Michelbach. Die Krise, die ist auch bei den
deutschen Banken angekommen. Wir haben darüber berichtet. Die
Commerzbank wird Tausende von Stellen streichen, die Deutsche Bank
schmiert an der Börse ab. Wird es wieder Zeit, um über staatliche
Bankenrettungen in Deutschland nachzudenken?
Michelbach:
Ich glaube, dass diese Diskussion sehr überzogen ist. Wir haben in der
weltweiten, globalen Finanzkrise die Banken retten müssen. Wir haben
dazu sicher gerade wie bei der Commerzbank, der anderen Banken die
richtigen Weichenstellungen für die Zukunft getätigt. Das ist jetzt auch
bis auf wenige Ausnahmen in die richtige Richtung gegangen. Ich kann
mir nicht vorstellen, dass der Staat so etwas wiederholt. Wir haben ja
auch ein anderes Abwicklungsregime jetzt. Jetzt müssen zunächst die
Gläubiger, die Eigner bei den Banken einsteigen, wenn es Krisen gibt,
und nicht mehr der Steuerzahler. Das haben wir ja auf europäischer Ebene
verändert durch die Bankenunion und das gilt und deswegen kann sich
kein Bankmanager darauf verlassen, dass der Staat, sprich Steuerzahler
einsteigt.
Armbrüster: Hier bei uns im
Deutschlandfunk in den "Informationen am Morgen" war das der
CSU-Politiker Hans Michelbach, der Obmann der Unions-Fraktion im
Finanzausschuss des Bundestages. Vielen Dank, Herr Michelbach, für Ihre
Zeit heute Morgen.
Michelbach: Bitte schön! Deutschlandfunk
Die Villa Vigoni am
Comer See ist eine Perle im Immobilienportfolio der Bundesrepublik
Deutschland. Von ihrem früheren Eigentümer wurde sie als
deutsch-italienische Begegnungsstätte für Wissenschaftler und
Kulturschaffende gestiftet. Da die Leitung der Villa Vigoni die Ökonomie
dankenswerterweise zu den Wissenschaften zählt, durfte ich anlässlich
einer Konferenz Mitte Juli dort wieder zu Gast sein. Am Tag der Abreise
erschien meine Kolumne „Krisenland Italien“. Dabei hatte ich
unterschätzt, wie intensiv die Konferenzteilnehmer die F.A.S. lesen. Da
mein Text schon am Samstagnachmittag online auf faz.net erschien, war er
Gegenstand intensiver Diskussion beim Abschiedsessen.
Die italienische Seite war zwar mit
meiner kritischen Sicht der italienischen Wirtschaftslage einverstanden,
glaubte jedoch nicht an meine Prognose, dass Italien die Europäische
Währungsunion (EWU) früher oder später verlassen müsse. Ich fragte meine
italienischen Gesprächspartner, warum Italien denn in der Zwangsjacke
einer Währungsunion bleiben wolle, die der Wirtschaft einen für sie zu
starken Wechselkurs aufzwinge.
Außerhalb
der Währungsunion hätte eine eigene Währung doch sicherlich einen
wesentlich geringeren Außenwert, so dass die italienische Wirtschaft an
internationaler Konkurrenzfähigkeit gewänne. Die Antwort war, dass man
der Währungsunion beigetreten sei, um eine bessere Wirtschaftspolitik
herbeizuzwingen.
Doch das Gegenteil ist eingetreten. Die Qualität der Politik wurde während der EWU-Mitgliedschaft deutlich schlechter. Die Weltbank
berechnet für eine Vielzahl ihrer Mitgliedsländer regelmäßig einen
Index zur Qualität der politischen Verwaltung eines Landes. Zwischen
1996 und 2014 fiel der Index für Italien um elf Punkte, die schlechteste
Entwicklung in der Eurozone. Mit 67 von maximal 100 Punkten war Italien
im Jahr 2014 das Schlusslicht unter den EWU- Mitgliedsländern. Sogar
Griechenland lag mit 69 Punkten vor Italien. Innerhalb der Europäischen
Union unterbieten nur Bulgarien und Rumänien den italienischen
Qualitätsindex.
Meine
italienischen Gesprächspartner machten geltend, dass kein ernsthafter
Politiker in Italien und den anderen EWU-Ländern an einen Austritt
Italiens denken würde. Doch die Verteidigung des Status quo gründet in
der Annahme des Primats der Politik vor wirtschaftlichen
Notwendigkeiten. Diese Annahme ist kaum zu halten. Der österreichische
Ökonom und Finanzminister Eugen von Böhm-Bawerk bestritt schon im 19.
Jahrhundert zu Recht, dass politische Macht über ökonomische Gesetze bei
der Verteilung des Volkseinkommens zwischen Arbeit und Kapital
langfristig dominieren könnte.
Einiges
spricht dafür, dass Böhm-Bawerks These auch auf das Währungsregime
angewendet werden kann. Folglich wird politischer Wille allein nicht
genügen, Italien in der Währungsunion zu halten. Bleiben die
wirtschaftlichen Umstände so unbefriedigend wie in den vergangenen 18
Jahren, wird der Wille zur fortdauernden Mitgliedschaft ausgehöhlt und
die politischen Zentrifugalkräfte gewinnen die Oberhand. Der Aufstieg
der eurokritischen Fünf-Sterne-Bewegung weist in diese Richtung.
Aber
könnten denn nicht öffentliche Transfers zwischen Ländern der Eurozone
die wirtschaftlichen Unterschiede auf ein erträgliches Maß verringern?
Schließlich stabilisiert der Norden Italiens durch Transfers den Süden,
und in Deutschland unterstützen die reicheren Bundesländer die ärmeren.
Für die Umverteilung von Steuergeldern zwischen Regionen braucht es
jedoch einen demokratisch legitimierten Zentralstaat, der den
Interessenausgleich der Regionen regelt. Der Regionalausgleich wird nur
dann von allen akzeptiert, wenn er nach allgemeinen und als fair
empfundenen Regeln erfolgt. Davon sind wir in Euroland jedoch meilenweit
entfernt.
Der
größte Teil der Transfers wird verdeckt über die Geldpolitik und den
Europäischen Stabilitätsmechanismus in Form von Zinssubventionen
arrangiert. Ein kleinerer Teil wird über Strukturfonds und den
„Juncker-Plan“ zur Investitionsförderung vergeben. Da die Effektivität
der offenen Transfers zweifelhaft ist und die verdeckten Transfers
vielen Bürgern als illegitim erscheinen, ist die Zahlungsbereitschaft
der Politiker in den Geberländern gering. Eine Aufstockung der Transfers
würde auch dort die eurokritischen Kräfte stärken.
Im
katholischen Italien darf man an Wunder glauben und glaubte daher eine
Zeit lang, dass Matteo Renzi Staat und Wirtschaft heilen werde. Doch
Renzi scheint die Wunderheilung nicht zu gelingen. Nun verortet man
finstere Kräfte in Deutschland, die den Euro zum Nachteil Italiens für
ihre Zwecke nutzen. Der Schluss liegt nicht mehr fern, dass man den Euro
verlassen muss, wenn die finsteren Kräfte nicht zu bändigen sind. FAZ
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