Stationen

Freitag, 14. Oktober 2016

Ilja Trojanow

Der Schriftsteller Ilija Trojanow schreibt in der taz: „Nein, nein, nein. Wir müssen Angst nicht verstehen! Im Gegenteil: Wir müssen sie bekämpfen. Angst ist unsinnig, gefährlich, erbärmlich. Seit wann wird der Pathologie der Angst derartige Relevanz zugesprochen, höchste Priorität eingeräumt?"
Sehr geehrter Ilija Trojanow, die Antwort lautet: Seit spätestens den Achtziger Jahren und der allgemeinen Übernahme des grünen Weltbildes ist das so. Anfangs wurde die Angst vor amerikanischen Pershings beschworen, danach entdeckte man das Waldsterben und die Klimakatastrophe, Müllverbrennungsanlagen und Pestizide, BSE und Vogelgrippe, Hormonfleisch und Gengemüse. Eine aktionistische und oft kontraproduktive Umweltpolitik spricht traditionell unbegründeten Ängsten totale Relevanz zu. Sie ist schlicht die Raison d‘Être der deutschen Politik. Diese Politik ist seit über 30 Jahren von irrationalen Ängsten geleitet und lässt sich von einem grünen Zeitgeist vor sich hertreiben, der einen Weltuntergang nach dem anderen beschwört.
Der letzte Streich war die Energiewende, die ein Seebeben und einen Atomunfall im fernen Fukushima zum Anlass nahm, die hervorragende deutsche Energie-Infarstruktur mit den sichersten AKW’s der Welt zu verschrotten. Dabei spielten nicht etwa rationale Risiko-Abwägungen eine Rolle, sondern eine religiös gestimmte Ethikkomission.
Ilija Trojanow beschreibt das sehr gut: „Kein Tag vergeht, ohne dass gewisse Ängste beschworen und hofiert werden, ganz so, als sei Angst die herausragende Leistung unserer Epoche und unserer glorreichen Zivilisation“. Und weiter: „Es sei in Ordnung, Angst zu haben, heißt es allenthalben. Ja, mehr noch: Wer die herrschende Verzagtheit kritisiert, wird immer wieder aufgefordert, die angeblich weit verbreitete Angst der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen – als bestünde die Gesellschaft nur noch aus Neurotikern und Psychoanalytikern.“ So ähnlich würden das wohl auch die Bediensteten eines Atommeilers formulieren.
 „Besonders pervers ist die Angst des Elefanten vor der Maus“, schreibt Ilija Trojanow, er tut dies allerdings in einem anderen Kontext: „Ich weiß nicht, wie oft ich in den letzten zwei Jahren lesen oder hören musste, die Deutschen hätten verständlicherweise Angst vor den vielen Flüchtlingen“. Und weiter:  „Die Angst vor einer vermeintlichen Islamisierung speist sich nicht aus konkreten Erfahrungen mit Muslimen, sondern aus dumpfen Verlustgefühlen, die ganz andere Ursprünge haben und sich unter der Hand in ausländerfeindliche Ressentiments verwandeln. Es ist, als wäre Angst das ‚Opium des Volkes‘, eine Abwendung von Freiheit und Autonomie, eine Selbstbenebelung“.
Schön dass Ilija Trojanow nach gut 30 Jahren deutscher Selbstbenebelung darauf kommt. Also: Entweder man nimmt Ängste der Menschen ernst und richtet sich politisch danach. Oder man lässt es. Für jede Position gibt es Argumente. Man kann aber nicht mal so und mal so herum argumentieren - je nachdem was gerade opportun für das jeweilige Weltbild ist.
Jetzt erzählen also die gleichen Leute, die den Menschen seit über 30 Jahren Angst vor oft völlig irrationalen Bedrohungen machen, dass solche Ängste krankhaft seien. Bürger fürchtet euch vor Glyphosat, aber doch nicht vor ein paar Hundertausend Zuwanderern, die vor der Einreise ihren Pass wegwerfen. Sorry Herr Trojanow:  You can’t have it both ways.  Dirk Maxeiner

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