Der Schriftsteller Ilija Trojanow schreibt in der taz: „Nein,
nein, nein. Wir müssen Angst nicht verstehen! Im Gegenteil: Wir müssen
sie bekämpfen. Angst ist unsinnig, gefährlich, erbärmlich. Seit wann
wird der Pathologie der Angst derartige Relevanz zugesprochen, höchste
Priorität eingeräumt?"
Sehr geehrter Ilija Trojanow, die Antwort lautet: Seit spätestens den
Achtziger Jahren und der allgemeinen Übernahme des grünen Weltbildes
ist das so. Anfangs wurde die Angst vor amerikanischen Pershings
beschworen, danach entdeckte man das Waldsterben und die
Klimakatastrophe, Müllverbrennungsanlagen und Pestizide, BSE und
Vogelgrippe, Hormonfleisch und Gengemüse. Eine aktionistische und oft
kontraproduktive Umweltpolitik spricht traditionell unbegründeten
Ängsten totale Relevanz zu. Sie ist schlicht die Raison d‘Être
der deutschen Politik. Diese Politik ist seit über 30 Jahren von
irrationalen Ängsten geleitet und lässt sich von einem grünen Zeitgeist
vor sich hertreiben, der einen Weltuntergang nach dem anderen beschwört.
Der letzte Streich war die Energiewende, die ein Seebeben und einen
Atomunfall im fernen Fukushima zum Anlass nahm, die hervorragende
deutsche Energie-Infarstruktur mit den sichersten AKW’s der Welt zu
verschrotten. Dabei spielten nicht etwa rationale Risiko-Abwägungen eine
Rolle, sondern eine religiös gestimmte Ethikkomission.
Ilija Trojanow beschreibt das sehr gut: „Kein Tag vergeht, ohne
dass gewisse Ängste beschworen und hofiert werden, ganz so, als sei
Angst die herausragende Leistung unserer Epoche und unserer glorreichen
Zivilisation“. Und weiter: „Es sei in Ordnung, Angst zu haben,
heißt es allenthalben. Ja, mehr noch: Wer die herrschende Verzagtheit
kritisiert, wird immer wieder aufgefordert, die angeblich weit
verbreitete Angst der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen – als
bestünde die Gesellschaft nur noch aus Neurotikern und
Psychoanalytikern.“ So ähnlich würden das wohl auch die Bediensteten eines Atommeilers formulieren.
„Besonders pervers ist die Angst des Elefanten vor der Maus“, schreibt Ilija Trojanow, er tut dies allerdings in einem anderen Kontext: „Ich
weiß nicht, wie oft ich in den letzten zwei Jahren lesen oder hören
musste, die Deutschen hätten verständlicherweise Angst vor den vielen
Flüchtlingen“. Und weiter: „Die Angst vor einer vermeintlichen
Islamisierung speist sich nicht aus konkreten Erfahrungen mit Muslimen,
sondern aus dumpfen Verlustgefühlen, die ganz andere Ursprünge haben
und sich unter der Hand in ausländerfeindliche Ressentiments verwandeln.
Es ist, als wäre Angst das ‚Opium des Volkes‘, eine Abwendung von
Freiheit und Autonomie, eine Selbstbenebelung“.
Schön dass Ilija Trojanow nach gut 30 Jahren deutscher
Selbstbenebelung darauf kommt. Also: Entweder man nimmt Ängste der
Menschen ernst und richtet sich politisch danach. Oder man lässt es. Für
jede Position gibt es Argumente. Man kann aber nicht mal so und mal so
herum argumentieren - je nachdem was gerade opportun für das jeweilige
Weltbild ist.
Jetzt erzählen also die gleichen Leute, die den Menschen seit über 30
Jahren Angst vor oft völlig irrationalen Bedrohungen machen, dass
solche Ängste krankhaft seien. Bürger fürchtet euch vor Glyphosat, aber
doch nicht vor ein paar Hundertausend Zuwanderern, die vor der Einreise
ihren Pass wegwerfen. Sorry Herr Trojanow: You can’t have it both ways. Dirk Maxeiner
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