Der
Streit um die heiligen Stätten in Jerusalem erreicht einen neuen
Höhepunkt. Nachdem die Unesco-Programmkommission einen entschieden
israelkritischen Resolutionsentwurf mehrerer arabischer Staaten positiv
beschieden hatte, suspendierte die Regierung in Tel Aviv jede
Zusammenarbeit mit der UN-Kulturorganisation.
Im Zentrum des Entwurfs
steht die Kritik an der gegenwärtigen Zugangsregelung für
palästinensische Muslime zu dem Ort, der den Juden als zentrales
Heiligtum und dem Islam als drittheiligste Stätte nach Mekka und Medina
gilt, nach dem Glauben der Muslime Ort der Himmelfahrt des Propheten
Mohammed.
Jerusalem als zentraler Bezugspunkt der drei monotheistischen
Religionen Judentum, Christentum und Islam ist wohl der religiös
höchstgespannte Ort der Welt.
Am Tempelberg treffen vor allem jüdische
und muslimische Interessen aufeinander.
Bis zur Zerstörung der Stadt
durch die Römer vor fast 2.000 Jahren standen dort der erste und der
zweite Tempel der Juden. Danach in zeitlicher Folge ein römischer
Jupitertempel, eine christliche Kirche und schließlich die rund 1.300
Jahre alten muslimischen Gotteshäuser Felsendom und al-Aqsa-Moschee.
Im Kern geht es bei dem Streit zwischen der Kulturorganisati
on und der israelischen Regierung um Namen; Worte sind das A und O der Schriftreligionen.
So bezeichnen die Initiatoren der Resolution - sieben arabische Staaten -
den Tempelberg in ihrem Entwurf durchgängig als al-Aqsa-Moschee /
al-Haram al-Scharif (deutsch: nobles Heiligtum). Die jüdische
Bezeichnung Tempelberg kommt kein einziges Mal vor. Der den Juden
überaus heilige Platz vor der Klagemauer wird in der Resolution als
al-Buraq-Platz / „Klagemauerplatz
“ bezeichnet – die Anführungszeiche
n lösen in Israel Empörung aus.
Unterrichtsminis
ter Naftali Bennett warf den Befürwortern der
Resolution vor, „tausend Jahre jüdischer Geschichte zu leugnen und den
Terror zu ermutigen“. Die arabischen Staaten wiederum betonen, ihnen sei
am Erhalt des palästinensische
n Kulturerbes und am spezifischen
Charakter von Ostjerusalem gelegen. Der jetzt verabschiedete Text
kritisiert vor allem die Zugangsrestriktionen für muslimische Palästinenser, aber auch die archäologischen Arbeiten in Bereichen, die der Islam als heilig erachtet.
Der Resolutionstext wurde in der Unesco-Programmk
ommission mit
24 zu sechs Stimmen bei 26 Enthaltungen abgesegnet. Die deutsche
Delegation stimmte dagegen.
Befürwortet wurde der Text von China und
Rußland. Als nächstes muss der Unesco-Exekutivrat endgültig über die
Resolution entscheiden.
Die bulgarische Unesco-Chefin Irina Bokowa kritisierte die Wortwahl
und forderte alle Seiten zur Anerkennung und zum Respekt der jeweiligen
Benennungen auf.
Der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu
schrieb auf Facebook, die Unesco sei inzwischen nur noch „absurdes
Theater“; die Resolution nannte er eine „wahnwitzige Entscheidung“. Die
Aussage, Israel habe keine Beziehung zum Tempelberg und zur Klagemauer,
sei so gut wie die Behauptung, China habe nichts mit der chinesischen
Mauer und Ägypten nichts mit den Pyramiden zu tun. Mit dieser
Entscheidung habe die Unesco, so Netanyahu, ihr letztes bißchen
Legitimation verloren.
Die Autorität der Kulturorganisati
on ist in der Tat angeschlagen. Seit Jahren zahlen Israel und die USA keine Mitgliedsbeiträg
e
mehr. Hintergrund: 2011 war Palästina als Vollmitglied in die
Organisation aufgenommen worden. Inzwischen werden auch in deutschen
Medien Forderungen laut, die Mitgliedschaft westlicher Staaten zu
überdenken.
Was Pessimisten allen internationalen Institutionen
vorhersagen, egal ob UN, Olympia oder Fußball-WM, könnte sich im Falle
der Unesco schon bald bewahrheiten. Wenn es mit Sanktionen, Boykotten
und Austritten so weitergeht, gibt es für globale Institutionen in einer
post-globalisier
ten Welt keinen Platz mehr.
Thomas Fasbender
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