Sonntag, 16. Oktober 2016
Deutschlands größter Tragiker
Die meisten kennen ihn als Romanautor mit Millionenauflage, dessen Bücher erfolgreich und teilweise mit internationaler Besetzung verfilmt wurden. Irgendwann in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts schuf er das Genre des „Katzenkrimis“ und wurde damit weltberühmt. Andere - wie ich - lernten ihn durch einen provokanten Artikel kennen, der auf der Achse des Guten erschien und den Titel „Das Schlachten hat begonnen“ trug. Darin nahm er den Mord an einem jungen Mann in Kirchweyhe zum Anlass, um darüber zu fabulieren, dass die Deutschen die eigene Auslöschung durch Mord an ihren jungen Männern nicht zur Kenntnis nehmen wollten. Dieser Text schlug hohe Wellen und brachte „dem kleinen Akif“, wie er sich fortan kokett auf seiner Facebook-Seite nannte, allerlei Vorwürfe ein. In Akif Pirinçcis soeben erschienenem Buch „Deutschland von Sinnen“ ist dieser Text ebenfalls abgedruckt.
Ich erinnere mich noch daran, wie ich selbst auf diesen Text reagierte. Mit Erschrecken. Die Sprache war wütend, die Worte waren hart und die Anklage war verdammend. Ich verstand nicht, dass Akif Pirinçci Schriftsteller und Fabelerzähler ist und deswegen in einer phantastischen Zukunft leben muss, die es - hoffentlich - nie geben wird. Es brauchte einige Zeit und einige Beschäftigung mit Pirinçci, bis ich mich an seine Schreibe gewöhnt hatte. Dann erkannte ich, dass neben seinen apokalyptischen Vorstellungen, die das Phantasierecht des Schriftstellers sind, und seinem derben Schmäh, der ganz und gar nicht österreichisch daherkommt und bereits nach kurzer Zeit zu seinem Markenzeichen wurde, ein feines und sehr ernstes Pathos mitschwingt, das berührend ist und verletzlich wirkt. Es ist dieses Pathos, das auch sein neues Buch nie in eine Hassschrift abgleiten lässt, sondern noch dem derbsten Schmäh den Funken einer unglücklichen Liebe hineingeheimnist.
Im Mittelpunkt von „Deutschland von Sinnen“ steht die „Mutter Deutschland“, die Akif Pirinçci zutiefst verehrt und liebt. Es ist eine Liebe, die sich schon seit Jahrzehnten kein deutscher Schriftsteller mehr auszudrücken wagte. Für diese Liebe kann heute scheinbar nur noch ein Schriftsteller mit türkischen Wurzeln die richtigen Worte finden, ohne in Kitsch abzudriften. Aber diese Liebe ist bedroht. Denn die Deutschen haben sich von einer Politikerkaste und den Mainstream-Medien, die an Verlogenheit und Selbsthass nicht zu überbieten sind, in Haft nehmen lassen. Und dann bekommt jeder sein Fett ab: die Parteien, der Staatsfunk, die von Steuergeldern gemästeten Verwalter der Armut und Migration und alle anderen, die die Hand beim Steuerzahler aufhalten, ohne sich respektvoll zu benehmen und zumindest den Versuch unternehmen, das Land wirtschaftlich und ideenmäßig voranzubringen.
Und so hört es sich am Beispiel Gender-Mainstreaming an, wenn Akif Pirinçci vom Leder zieht:
„Wenn man normale Leute auf der Straße fragen würde, was das bedeutet, könnten sie es nicht beantworten, und wenn man es ihnen erklärte, könnten sie es nicht glauben, dass solch ein Schwachsinn an unseren Universitäten überhaupt gelehrt wird, inzwischen sogar mehr als Slawistik, und sich kontinuierlich in andere Bildungsbereiche, ja, bis in die Kindergärten und auch in die Justiz hineinfrisst. Dabei ist die Sache so einfach. Gender Mainstreaming ist eine von nicht richtig arbeiten wollenden, nichtsdestotrotz sehr aggressiven Lesben in die Welt gefurzte Quatschtheorie, wonach das Geschlecht eines Menschen ein anerzogenes „soziales Konstrukt“ sei, das man je nach Lust und Laune wie Tampons wechseln könne.“
Einige Absätze später: „Die Inspiratorin und Ikone des ganzen Gender-Mainstreaming-Schwindels ist eine zum Überschnappen attraktive Lesbe namens Judith Butler, welche nicht einmal Lesben, die es nötig haben, mit der Kneifzange anfassen würden und deren sämtliche Theorien, Lehren und Bücher in Wahrheit selbst ihre Fans nicht verstehen, weil die „Professorin“ ihre vollkommen schlichte Weisheit (= werdet alle lesbisch) bewusst mit solch einem Bombast an Fremdwörtern befrachtet, dass sie auch glatt das Gegenteil bedeuten könnte.“
Sie sehen schon: das wirklich Furiose an Akif Pirinçcis neuem Buch ist natürlich seine Sprache. Sie ist derb, sie ist vulgär, sie ist saukomisch. Eine Kanonade an Schimpfwörtern, die jeden Stammtisch erröten lassen würde und deswegen auch nicht stammtischartig wirkt, schleudert Pirinçci seinen Feinden entgegen, ohne dass sich - und das ist eines der großen Kunststücke - „der kleine Akif“ selbst zu ernst nehmen würde. Der heilige Furor, den er förmlich auskotzt, ist dadurch gar nicht mehr so heilig, sondern einfach nur noch eins: Leidenschaft pur. Es ist diese Bandbreite zwischen Clown und zornigem Gott, die den Esprit des Buches ausmacht. Es bringt einfach, um es auf den Nenner zu bringen, Riesenspaß zu lesen. Dagegen wirken linke Schriften á la „Empört Euch!" wie blutleere Abhandlungen für Frustrierte.
Aber Akif Pirinçci wäre nie der Bestsellerautor geworden, der er ist, wenn er nicht die Poesie genauso beherrschen würde wie das Derbe. Was er über Männer und Frauen schreibt - vor allem über Frauen -, ist so zart und ernst und tragisch, dass es einem (mir) beim Lesen förmlich Tränen in die Augen treibt. Da spricht einer, der viel weiß und viel erlebt hat und viel gelitten hat. Da schreibt kein Frauenhasser und Verächter, sondern einer, der sich erlaubt, eine dezidierte Meinung zu haben und dem das ganze Lügengerüst des Gender-Mainstreams zutiefst verhasst ist. Aber nicht aus Spaß, sondern weil Pirinçci das Unglück sieht, das mit diesen Lügen bis in die kleinsten Verästelungen der menschlichen Beziehungen angerichtet wird. Aber es wäre keine Poesie, wenn die Frustration siegen würde. Dann blitzt wieder Pirinçcis feines Pathos auf.
Das Kunststück des Buches „Deutschland von Sinnen“ liegt ganz einfach darin, dass an wirklich keiner Stelle die Empörung und der Zorn in ein Beleidigtsein umschlagen. Da geriert sich niemand als Opfer oder Zukurzgekommener, dem nur das Jammern und das Lamentieren bleiben. Akif Pirinçci malt sich selbst eher wie Parzifal, der tumbe Tor, der fröhlich und naiv in den Kampf zieht, aber instinktiv weiß, wo er das Böse besiegen muss. Und so hat er, frei nach Tucholsky, das Recht Deutschland zu hassen - weil er es liebt.
Das spürt man auf jeder Seite seines Buches. Markus Vahlefeld
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