Stationen

Mittwoch, 19. Oktober 2016

Ökozid


Manche Menschen leben in ihren eigenen Welten, das ist nun einmal so. Sie negieren die Realitäten und erklären ihre manchmal nicht einfache Situation mit Hilfe von Verschwörungstheorien. Ich lebe zur Zeit in den USA und sehe tagtäglich, wie sich ein gewisser Donald Trump in selbst fabrizierten Scheinwelten verirrt und nicht mehr erkennt, wie lächerlich er mittlerweile geworden ist. Aber auch in Europa gibt es reichlich Scheinwelt-Blasen.
So inszenieren dieser Tage die üblichen Verdächtigen der Anti-Gentechnik-Bewegung in Den Haag den sogenannten „kangoroo court“. Den Haag als Sitz der Internationalen Gerichtshofs wurde publikumswirksam als Ort gewählt, um der staunenden Öffentlichkeit zu suggerieren, Monsanto und die „moderne Landwirtschaft“ würden einen "Ökozid“ provozieren. Das Tribunal findet allerdings in einer Schule statt und hat nichts mit dem Internationalen Gerichtshof zu tun. Aber schon das Wort "Ökozid“ flößt Furcht ein. Nur: sachdienliche Hinweise auf eine solche Katastrophe fehlen komplett, es sei denn, man gründelt in den Verschwörungs-Tiefen des Internets.
Andererseits erlebten wir 2011 tatsächlich die schlimmste Lebensmittel-Katastrophe in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Spuren führten  aber nicht zu Monsanto, sondern zu einem Bio-Betrieb in Norddeutschland. Aber die 53 Toten der Bienenbütteler Biosprossen sind wohl zu marginal, um in den Haag einen kurzen Prozess zu machen.

Also, liebe Gentechnik-Paranoiker: Geht es nicht auch ein bisschen kleiner? Vorläufer dieses Den Haager Spektakels war das maßgeblich von Bertrand Russell geprägte Vietnam Tribunal, welches amerikanische Kriegsverbrechen in Vietnam anklagte. Zwar wurden hier die Kriegsverbrechen der Nordvietnamesen und des Vietcong ausgeblendet, aber immerhin wurde der Welt vor Augen geführt, was damals in Vietnam geschah.

Zurück zum Klamauk in Den Haag: Stellvertretend angeklagt wird Monsanto, eine Firma, die es den Mächten der grünen Schweinwelten leider allzu leicht gemacht hat, sich zum Buhmann aufbauen zu lassen. Das allein ist aber kein Grund, ein derartiges Spektakel aufzuziehen, denn damit verhöhnt man all die echten Opfer von Schauprozessen, die in Diktaturen probates Mittel waren und immer noch sind - man denke aktuell an Saudi Arabien oder den Iran-, um kritische Geister einzuschüchtern: genau das ist die Funktion von Schauprozessen, bei denen die Urteile schon vorher feststehen.

Wir müssen übrigens auch nicht in die stalinschen Schauprozesse der Sowjetunion zurückgehen, wir kennen Schauprozesse mit Vorsitzenden wie Roland Freisler in Deutschland nur allzu gut. Nun sind die Organisatoren des Tribunals selbstverständlich keine Freislers, auch keine kleinen Freislers, sondern eher halbseidene Wissenschaftler wie Gilles-Eric Seralini, Politikerinnen auf dem absteigenden Ast wie Renate Künast oder auch Hochstapler wie die hier schon mehrfach gewürdigte Vendana Shiva.

Aber denen muss man  halt auch attestieren, dass sie in einer selbstfabrizierten Scheinwelt leben oder zumindest der Welt glauben machen, dass wir auf moderne Landwirtschaft verzichten können. Und damit sind wir wieder bei Trump: Scheinweltbewohner sind gefährlich, weil sie nicht in der Lage sind, realistisch abzuschätzen, was ihre Taten verursachen können, Gentechnik hin, Energiewende her. In den USA ist aber immerhin zu beobachten, dass die Medien, die Trump einst aufgeblasen haben, sich nun von ihm abwenden. Ob die deutsche Presse aus dem Haager Klamauk was lernt, bleibt abzuwarten.
Professor Hans-Jörg Jacobsen war Leiter der Abteilung Pflanzenbiotechnologie am Institut für Pflanzengenetik der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover.

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