Die Wahl des neuen Bundespräsidenten steht an, und die Menschen da
draußen im Land, der Arbeiter an seiner Werkbank, die Mathematikerin an
ihrem Schreibpult, die Pilotin in ihrer Kanzel fiebern dem populären Akt
repräsentativer demokratischer Willensbildung hoffnungsfroh entgegen.
Die Parteien bringen ihre profiliertesten Kandidaten in Stellung.
Es sind Namen, die im Volke ehrfürchtig von Mund zu Mund gehen:
Frank-Walter Steinmeier, Wolfgang Schäuble, Winfried Kretschmann,
Norbert Lammert, Ursula von der Leyen. Jeder weiß, was diese Männer und
Frauen in der Flüchtlingskrise, bei der Rettung des Euro, bei der
Rettung Griechenlands, des Weltklimas und des deutschen Rufs im Ausland
geleistet haben.
Vergessen wir nicht den Geheimfavoriten Herfried Münkler, den
Architekten der Einwanderung, jenen Politikwissenschaftler, der im
nachhinein genial begründete, was unsere Willkommens-Kanzlerin mit
sicherem Instinkt bereits realisiert hatte. Gemeinsam mit seiner Frau
hat der Professor aus der Hauptstadt in einem Buch dargelegt, wie die
Deutschen es und warum sie es schaffen werden; er brächte die ideale
First Lady also gleich mit … Genug, verlassen wir die
CDU-Generalsekretärsträume und schauen wir auf die Realität in dieser
unserer Republik.
Das Amt des Bundespräsidenten ist ein Relikt der konstitutionellen
Monarchie. Der Präsident verkörpert, in den Worten des
Bundesverfassungsgerichtes von 2014, „die Einheit des Staates“ – wie der
Monarch es tat und in glücklicheren Ländern noch heute tut. Glücklicher
allein schon deswegen, weil die monarchistische Etikette es verbietet,
Volksreden zu halten (unser einstweilen letzter Kaiser war die große
Ausnahme). Außerdem amtiert ein Monarch kraft Tradition und nicht
aufgrund von Parteienproporz.
Wie auch immer, die Karriere der Institution Bundespräsident begann
in Gestalt von Theodor Heuss durchaus hoffnungsvoll. Überhaupt muß man
nur die drei wichtigsten Namen der politischen Neugründergeneration im
Vergleich zum heutigen Führungsterzett auf sich wirken lassen: Adenauer,
Schumacher, Heuss – Merkel, Gabriel, Gauck. Irgend etwas ist
schiefgelaufen.
Beim Bundespräsidenten womöglich früher als bei den Kanzlern. Gustav
Heinemann war der erste Quasi-Pastor an der symbolischen Staatsspitze, wenngleich er achtenswerte Sätze formulierte wie: „Ein Staat ist immer
nur so frei wie sein Waffenrecht.“ Heute würde er für so viel
Liberalität schäumende Rücktrittsforderungen ernten. Richard von Weizsäcker schien nie verwinden zu können, daß die
Bergpredigt schon gehalten worden war, und verlieh dem Amt eine
penetrant pastorale Note. Es war nur folgerichtig, daß mit Joachim Gauck
schließlich der erste echte Pfarrer zum Staatspastor aufstieg.
Zugleich darf man Weizsäckers Rede zum 8. Mai 1985 als den Einzug der
DDR-Terminologie in die BRD werten. Auch wenn sie deutlich
differenzierter war als später verschlagwortet, blieb doch einzig der
„Tag der Befreiung“ von ihr übrig. Weizsäcker hat auf seine Weise den
Weg gebahnt für Merkel und Gauck.
Gab der knorrige Roman Herzog eine akzeptable Figur ab, begann mit
dem Kirchentagssprechautomaten Johannes Rau die Wendung ins Peinliche.
Auf „Bruder Johannes“ folgte der habituelle Sparkassendirektor Horst
Köhler, von dem einzig der Rücktritt im Gedächtnis blieb, als er wegen
einiger Medienberichte mit tränenerstickter Stimme erklärte, man lasse
es an Respekt ihm und seinem Amt gegenüber fehlen. Damals wurde
gemutmaßt, er sei in Wirklichkeit zurückgetreten, weil er mit seiner
Unterschrift nicht den Euro-Rettungsschirm bewilligen wollte; wenn dies
stimmte, wäre die weinerliche Begründung seines Rücktritts erst recht
skandalös.
Nach Köhler brachte es mit Christian Wulff der erste Mann vollkommen
ohne Eigenschaften zum Staatsoberhaupt; der Niedersachse war ein
Präsident von Merkels Gnaden. Aber immerhin verschaffte er mit seiner
Ehefrau Bettina („Ich habe bei Männern kein festes Beuteschema“) einer gewissen Halbwelt Zugang ins Schloß Bellevue.
Ihm folgte mit Gauck ein spätberufener DDR-Bürgerrechtler – wie Merkel stand auch der Rostocker Pfarrer in einem unauslotbaren,
immerhin Reiseprivilegien einschließenden Verhältnis zum SED-Staat –, der seit der
Amtsübernahme immer weniger Interesse für die Rechte der Bürger zeigt.
Kein kritisches Wort von ihm fiel zur Politik der offenen Grenzen oder
zur faktischen Entmachtung des Parlaments in der Eurokrise. Längst
verkörpert der Bundespräsident nicht die Einheit des Staates oder gar
der Nation, sondern ist bloß von allen Sprechpuppen des Zeitgeistes die
prätentiöseste.
Verglichen mit der Medienhatz, die Wulff wegen pekuniärer
Nichtigkeiten ertragen mußte, mag mancher die Dresdner Pöbeleien gegen
seinen Nachfolger eher zu den harmlosen demokratischen Schikanen
rechnen. Die Frage ist nur: Wer will sich das als Nächster antun? Wer
wäre zugleich im Volke populär, ein Darling der Leitartikler, ein
windelweicher rhetorischer Fettnäpfchenumtänzler mit vollendet
langweiliger Biographie? Und vor allem: Was soll das eigentlich alles?
Der TV-Abendunterhalter Markus Lanz erklärte zum Schimpf, der am Tag
der Deutschen Einheit über Gauck herniederging, es sei eine Situation
gewesen, „wie sie so bei einem Auftritt der englischen Königin nicht
möglich wäre“. Wir haben aber keinen König mehr. Was ist also zu tun?
Die AfD fordert, daß der Bundespräsident vom Volk gewählt werden
soll. Wenn das Volk wählte, würde wahrscheinlich Dieter Bohlen knapp vor
Günther Jauch gewinnen. Und was wäre gegen Bohlen zu sagen? Er ist
weniger vulgär als Gauck eitel, und er spräche wohl auch im höchsten
symbolischen Amt weniger verlogen als seine Vorgänger.
Er würde das pastorale Parfüm mit realitätsnaher
Unterklassen-Rotzigkeit austreiben. Zugleich ist Bohlen ein
erfolgreicher Unternehmer und hat mehr Steuern gezahlt als sämtliche
Bundespräsidenten zusammen. Noch aus seiner letzten Zote spricht mehr
Weltkenntnis als aus den gesammelten Präsidialpredigten unseres
Bundesfreiheitsbuffos.
Bohlen würde dem politisch korrekten Schwätzamt in freier Rede den
Gnadenstoß versetzen. Er würde es auf dem Boden der schnöden Tatsachen
zerschellen lassen. Danach sollte Schluß mit dem Theater sein, bevor beispielsweise der erste Muslim nominiert wird (weil es ja, wie
wir inzwischen gelernt haben, Muslime waren, die Deutschland nach dem
Krieg wiederaufgebaut haben), und das symbolische Repräsen-Tantentum
sich sukzessive in schiere Minderheitenmachtpolitik verwandelte. Der Präsident gehört in
die historische Mottenkiste. Bis der Kaiser oder Erlöser oder wenigstens der Katechon wiederkehrt! Jenem mag ein Präsident dann Rosen streuend vorangehen! MK am 16. 10. 2016
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