Pünktlich zur Buchmesse in Frankfurt wendet sich ein neuer Verlag an die Öffentlichkeit. Der Jungeuropa Verlag,
ist, so der Gründer Philip Stein, „die publizistische Folge einer
festen Überzeugung: daß Europa als historische und kulturelle Einheit
zwingend zusammenfinden muß, um angesichts der Verwerfungen des globalen
Geschehens bestehen zu können.“ Was heißt das konkret? Und welche Pläne
gibt’s? Wir sprachen mit Stein über Verlagsgründung und
Programmschwerpunkte.
SEZESSION: Jetzt haben wir also noch einen Verlag im konservativen
und neurechten Bereich, diesmal offenkundig mit dezidiert europäischem
Anspruch. „Jungeuropa Verlag“: was hast Du mit ihm vor, für was steht
er?
PHILIP STEIN: Zunächst muß ich ganz offen gestehen: diese
Unternehmung, einen weiteren „neurechten“ Verlag zu gründen – überhaupt
einen Verlag zu gründen! – fußt zuvorderst auf einer ganz persönlichen
Passion. Denn wer Bücher verlegt, und dies nicht nur aus
wirtschaftlichen Erwägungen heraus, bestimmt – eine glückliche Hand
vorausgesetzt – ganz unweigerlich die ästhetische Prägung einer
lesenden, im besten Falle nonkonformen Generation. Die Arbeit an einem
Buch gleicht gewissermaßen jener Arbeit, die auch nötig ist, um eine
junge Generation zu formen. Es geht um Haptik, Ästhetik, Form,
Tatendrang und Mut. Der Anspruch unserer Werke soll jenen Vorbild sein,
für die sie verlegt werden.
Während etwa euer Verlag Antaios mit Armin Mohler begonnen hat, beginnen wir mit dem von ihm sehr geschätzten Pierre Drieu la Rochelle – einem leidenschaftlich europäisch und „antibürgerlich“
denkenden Virtuosen. Anhand dieser ersten Figur, die von uns erneut auf
das Schachbrett gehoben wird, sollte klar werden: der Jungeuropa Verlag
wird all jene europäischen Denker verlegen und – wenn nötig –
reanimieren, die diese Art von Ästhetik nicht nur beschrieben, sondern
auch gelebt haben oder leben. Wir bedienen also gewissermaßen eine
europäische Nische auf dem deutschen Buchmarkt. Jede Schrift, jeder
Autor den wir anfassen, soll einen unverwechselbaren Geist und Esprit in
die Welt bringen. Ganz konkret indes: Erst- und Neuauflagen aus ganz
Europa, die den Geist europäischer Annäherung und Einigung für den
notwendigen Neubeginn atmen. Denn Drieu hatte schon damals recht, als er
schrieb, daß man sich von der Annahme verabschieden müsse, in Europa
allein bleiben zu können – es sei denn, man litte an einer
Wahnvorstellung.
SEZESSION: Bei besagtem Drieu beginnst Du ja jetzt direkt mit seinem großen Weltanschauungsroman Die Unzulänglichen (frz. Original: Gilles).
Wie kamst Du auf das Buch – und warum sollten sich Leser, die den Autor
bis dato noch nicht kennen, an 500, 600 Seiten Belletristik heranwagen?
STEIN: Ich selbst habe den Roman vor rund drei Jahren zum ersten Mal
in der Hand gehabt – also ganze 64 Jahre nach seiner
Erstveröffentlichung (1939) in Frankreich. Obgleich dieser
Weltanschauungsroman schon etliche Jahre auf dem Buckel hat, und die
Zeiten sich angeblich bedeutend geändert haben, war ich sofort
begeistert. Denn Drieu beschreibt hier sehr detailreich und mit einer
faszinierenden literarischen Präzision (man beachte die genialen und
facettenreichen Dialoge!) genau jene dekadenten gesellschaftlichen
Prozesse, die sowohl vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg als auch
dieser Tage zum Zusammenbruch der Nationen geführt haben. Drieu ist also
vor allem ein genialer Beobachter seiner Zeit (in der sich auch unsere
Zeit wiederfindet), doch geht Gilles Gambier, der Protagonist Drieus,
darüber hinaus: er beobachtet nicht nur (wie so viele), er zeigt uns
auch einen Ausweg. Weiterhin, kurz gefaßt, bin ich der Meinung, daß wir
in „unserer“ Szene mehr Belletristik benötigen. Die Leute sollen Lust am
Lesen verspüren.
SEZESSION: Da eignet sich Drieu natürlich, zumal auch die, die
gegenüber „politischer“ Literatur eher skeptisch eingestellt sind,
dennoch Freude an der Lektüre finden könnten…
STEIN: Richtig. Drieu ist ja nicht nur eine Empfehlung für den
politisch Interessierten, er ist eben vor allem ein Klassiker der
Literatur des 20. Jahrhunderts. Und nun gibt es, mehr als 70 Jahre nach
seinem Tod, eine offensichtliche Drieu-Renaissance. In Frankreich setzte
diese Entwicklung – wie so oft – etwas früher ein, aber auch in
Deutschland entsinnt man sich, daß auch ein „écrivain maudit“, ein „Umstrittener“,
ein „Verfemter“, durchaus literarisch von Wert sein kann.
Louis-Ferdinand Céline war kein Einzelfall. Jedenfalls: Drieus
Weltkriegsband Die Komödie von Charleroi, der 2016 im Manesse Verlag erschien, war das Startsignal. Wir haben es wohl vernommen.
SEZESSION: Im Gegensatz zu vielen Nischen-Verlagen des linken Milieus
muß der Jungeuropa Verlag von Anfang an auf eigenen finanziellen Beinen
stehen. Ist das überhaupt möglich – und wie können Interessierte
helfen?
STEIN: Ob das möglich ist, wird sich zeigen. Der
Verlag zielt zunächst darauf ab, sich langfristig selbst zu finanzieren.
Das heißt konkret: Die rund sechs ausgewählten Bücher, die wir in den
ersten zwei bis drei Jahren jährlich verlegen wollen, müssen schon sehr
bald auf eigenen Beinen stehen. Erstübersetzungen sind, rein
wirtschaftlich, ein sehr schwieriges Unterfangen; sie produzieren
überdurchschnittliche Kosten und erfordern eine besondere verlegerische
Sorgfalt. Wir haben aber einen Vorteil: Mit meinen 25 Jahren bin ich für
einen Verleger noch sehr jung, habe nicht die Verpflichtungen eines
vielfachen Familienvaters und muss so keine großen Summen für mich
selbst erwirtschaften bzw. verdiene mein Geld über andere Projekte. Der
Jungeuropa Verlag wirtschaftet die ersten zwei Jahre für „sich selbst“;
Gewinne werden nicht entnommen.
Langfristig wird sich also zeigen, ob wir „am Markt“ bestehen können. Unser Milieu wächst jedenfalls – und unsere Ideen (verlagseigener Podcast,
dezidiert europäischer Blog, „Reinhören statt Reinlesen“, langfristig
auch eBooks u. v. m.) sind in „unserer“ Szene bis dato auf weiter Flur.
Ob wir finanziell überleben, wird aber auch ganz maßgeblich davon
abhängen, wie „bereit“ die Leser sind, gewisse konservative Dogmen
abzulegen bzw. Kritik zu ertragen. Ich halte nichts davon, politische
Tabus aufzustellen. Wenn es etwa um Europa, Ökologie, Technikkritik oder
auch vermeintlich linke/sozialistische Ansätze geht (auch in der
Wirtschaft!), sind wir doch sehr nonkonformistisch aufgestellt. Wir
wollen die Jugend erreichen, sie formen und wirklich (!) neue
Denkansätze einstreuen. Gewisse Auseinandersetzungen sind
vorprogrammiert.
Wer unterstützen möchte, kann sich auf unserer Netzseite am Crowdfunding-Prozess für Die Unzulänglichen
beteiligen. Wir benötigen rund 5000 Euro, um das Werk in Druck zu
geben. Derzeit liegt es bei unserem Setzer. Diese Maßnahme – ein schöner
und spannender Versuch übrigens! – ist leider notwendig. Selbst habe
ich schon eine nicht unerhebliche Summe investiert (wie jeder Verleger
zu Beginn), aber bei den Druckkosten benötigen wir finanzielle Hilfe.
Wenn Drieu als Startpunkt gelingt, folgt übrigens ein Venner… Benedikt Kaiser
Bestellhinweise:
crowdfunding direkt beim Jungeuropa Verlag, www.jungeuropa.de, oder
Roman zum Ladenpreis vorbestellen bei Antaios.
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