Stationen

Montag, 26. September 2016

Tauber, Biologisten, Dirndl

25. September 2016

Kaum ein Anblick treibt mir verlässlicher ein Lächeln ins Gesicht als der einer Schar von Dirndlträgerinnen. Allein deshalb mag ich das Oktoberfest. Das Dirndl ist ein Meisterwerk weiblicher Figurbetonung (und gegebenenfalls auch -kaschierung), das nahezu jede Frau kleidet. Außerdem ruft die hinreißende Kombination aus Magdkleid und Rokokomieder in genau den richtigen Kreisen Aversionen hervor:
Für radikale Feministinnen ist das Trachtenkleid zu sexy – die Trägerin als Objekt! –, der Gender-Fraktion ist es zu weiblich – die Trägerin als Konstrukt! –, den Progressisten zu traditionell – die Trägerin als personifizierte Vorgestrigkeit! –, und den verklemmten Frauenhautverhüllern muslimischer Provenienz zu westlich-dekadent – die Trägerin als Männerblickfang!  
Das Dirndl, liebe Madln, ist ein profankulturelles Bollwerk wider die versammelten Barbaren der Jetztzeit. Und wenn eine Schwarze es trägt, eine Asiatin, eine Russin, eine Türkin: desto besser!




24. September 2016


"Sie schrieben einmal, sehr geehrter Herr Klonovsky, Gott sei Biologist. Nicht nur Gott, das kann ich Ihnen versichern. Nach der Berlinwahl erlebte ich, wie in unserer in der Hauptstadt der BRD gelegenen Dependance jene Mitarbeiter, die sich gern als entgrenzende, weltbürgerliche Humanisten aufspielen (etwa 90 Prozent der Belegschaft), eine Fotoschau der ins Abgeordnetenhaus gewählten AfD-Kandidaten veranstalteten. Ich gebe hier die Kommentare dieser sonst so sanftmütigen, Mensch, Tier und Pflanze streichelnden Philister nur andeutungsweise zu Protokoll. Zusammenfassen lassen sich die mit losem Mundwerk verkündeten Urteile jedenfalls in der Feststellung, dass es sich bei den AfDlern um inzuchtgeschädigte, genetische Defektträger handele. Natürlich versuchte man sich in der Hatz nach dem bösesten, widerwärtigsten Kommentar gegenseitig zu übertreffen. Ich wäre gern zornig geworden. Doch wurde mir nur ganz flau im Magen. Es war kein zum Zorn regendes Schauspiel. Es war einfach ekelhaft."





Abendlicher 23. September 2016


CDU-Generalsekretär Peter Tauber hat ein Manifest geschrieben, dessen analytische Brillanz Erinnerungen an Leitartikel des Neuen Deutschland von Anfang 1989 gebieterisch hervorruft. Diesen Assoziationen schmiegt sich der Titel an, den entweder Tauber selber oder die Redaktion der Welt über das Zehn-Punkte-Bekenntnis setzten: „Wo die CDU steht – Sag mir, wo du stehst!“ Unsereiner wird bei einer solchen Überschrift hellhörig. Sag mir, wo du stehst“ hieß der bekannteste Titel des am penetrantesten regimetreuen Sangesvereines der DDR, des "Oktoberklubs" – ein Fähnlein staatsergebener Reimer und Klampfer, das einen fröhlich-pfiffigen und konformistischen Berufsjugendlichen wie Tauber gewiss gern aufgenommen hätte. (Wer jetzt einwendet, dass Westdeutsche ja vom Oktoberklub nichts wissen können und die Parallelität der Floskelwahl nicht intendiert gewesen sei: Desto schlimmer, dass sie ganz von allein auf denselben Trichter kommen!)

Die SED-Vögte betonten in der Endzeit ihres Arbeiter-und-Bauern-Paradieses zunehmend schrill, dass die DDR eine einzige Erfolgsgeschichte und das bessere Deutschland sei, und bei Tauber lesen wir unter Punkt 3: „Die Bundesrepublik ist das beste Deutschland, das es je gab.“ Die Frage, warum die Deutschen im besten Deutschland aller Zeiten so wenige Kinder bekommen – und er, Tauber, selber vorneweg –, schürt rassistische Vorurteile und bedient Ressentiments. Wer so fragt, steht eindeutig rechts. Also dort, wo die CDU eindeutig nicht steht.   MK vom 23. bis 25. 9. 2016

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