Vor einigen Monaten galt es noch als undenkbar,
doch mittlerweile ist ein rot-rot-grünes Bündnis für die Zeit nach der
nächsten Bundestagswahl ein durchaus realistisches Szenario. Das
künftige Kräfteverhältnis wird dabei auch vom Abschneiden der
Alternative für Deutschland beeinflusst.
Die Zeiten sind schlecht für die
Bundeskanzlerin. Die Zustimmungswerte für Angela Merkel (CDU) sinken in
den Keller, ihr Kurs in der Asylkrise hat die eigene Klientel verprellt.
Derzeit wurde nur noch 30 bis 33 Prozent die Union wählen. Ändert sich
die Stimmung nicht, dann bliebe der CDU nur noch eine Neuauflage der
Großen Koalition mit der SPD. Die Sozialdemokraten verharren auf einem
niedrigen Niveau, aber sie ziehen ein neues Selbstbewusstsein aus
Landtagswahlen wie in Rheinland-Pfalz oder Mecklenburg-Vorpommern, wo es
ihnen immerhin gelingt, stärkste Partei zu bleiben.
Bereits heute würde ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei über eine rechnerischer Mehrheit im Bundestag verfügen. Bisher hat die breite SPD-Mehrheit solche Überlegungen beiseite gewischt. Zu exotisch muteten manche Vorschläge der Linken an. „Außenpolitisch ist diese Partei schwer zu kalkulieren. Solange sich daran nichts ändert, wird es schwer, mit ihr auf Bundesebene zu regieren“, sagt der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner.
Doch nun scheint sich die Linkspartei zu bewegen. In der vergangenen Woche sorgte ein Strategiepapier für Aufsehen, das vom Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter Matthias Höhn verfasst wurde. „Die Linke in der Bundesregierung, dieses Szenario stand noch nie wirklich zur Wahl“, schreibt Höhn, „Diese politische Option kann 2017 mobilisieren. Wir müssen den Wählern signalisieren, dass wir nicht nur bereit stehen, sondern einen Regierungswechsel wollen, um linke Politik durchzusetzen.“ Doch die vergangenen Wahlergebnisse waren bescheiden, gerade in den einstigen Hochburgen in Mitteldeutschland schwand die Zustimmung spürbar: „Wir brauchen wieder eine Machtoption, damit die Menschen einen Grund haben, die Linken zu wählen“, sagt der frühere Parteivorsitzende Gregor Gysi. „Es geht mir nicht um eine Regierungskonstellation oder Ministerposten, sondern um die historische Verantwortung. Wenn die Union nicht in die Opposition geschickt wird, wird die AfD immer stärker“, sagte Gysi dem „Tagessspiegel“. Dass es rechts von der Union plötzlich eine neue Kraft gibt, hat nicht nur die CDU überrascht. Auch die Linkspartei leidet unter dem Aufstieg der AfD. Sie will die Abwanderung ihrer Wähler zur AfD mit dem Hinweis stoppen, dass die neue Protestpartei gar kein soziales, sondern ein neoliberales Programm hat. „Eine asoziale Partei“, sei die AfD, findet Gysi. Dennoch wanderten in Mecklenburg-Vorpommern fast 20000 Stimmen von links nach rechts. „Wir als Linke müssen uns fragen, warum auch wir für viele heute offenbar Teil dieses unsozialen Parteienkartells sind“, sagt die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht. Die Lebensgefährtin des ehemaligen saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine neigt in Sachen Einwanderung zu Tönen, die man sonst nur bei der AfD findet.
Dies steht im Widerspruch zum Höhn-Papier: „Wir
kritisieren die Kanzlerin nicht dafür, dass sie rund eine Million
Flüchtlinge ins Land ließ. Wir kritisieren Merkel von links: für ihre
Asylrechtsverschärfungen und ihre halbherzige Integrationspolitik“,
heißt es dort. Auseinandersetzungen sind programmiert, auch weil
Wagenknecht noch während des Berliner-Wahlkampfs betont hat, „dass man
die Sorgen der AfD-Wähler ernst nehmen muss“.
Vom Abschneiden der Alternative bei der nächsten Bundestagswahl hängen die Koalitionsmöglichkeiten maßgeblich ab. Die Hoffnungen der etablierten Parteien, dass mit einer Abnahme des Asylsucherstroms auch die Zustimmung zur AfD schwinden werde, erfüllen sich offenbar nicht. Interne Auseinandersetzungen scheinen den Wähler dabei ebenso wenig zu interessieren wie eine gewisse programmatische Unausgewogenheit. Doch der Erfolg der AfD steht auf wackeligen Beinen. Die Kommunalwahlen in Niedersachsen haben gezeigt, dass die Partei in einigen westdeutschen Bundesländern erhebliche strukturelle Probleme hat. Gerade auf dem flachen Land in konfessionell geprägten Gebieten tut sie sich schwer.
Nach dem starken Abschneiden in Berlin richten sich die Blicke auf das Saarland, wo Ende März 2017 der Startschuss für das Superwahljahr 2017 fällt. Doch dort geht es drunter und drüber. Auf dem vergangenen Bundesparteitag entschloss sich eine knappe Mehrheit für eine Auflösung des Landesverbands. Der Bundesvorstand hatte ihm Kontakte ins ultrarechte Lager nachgesagt. Der Fall hängt seit Monaten vor dem Bundesschiedsgericht in der Schwebe. Eine Auflösung des Verbands würde die Wahlteilnahme in Frage stellen, eine Korrektur des Beschlusses wäre eine Steilvorlage für die Medien. Der Bundesvorstand hatte ursprünglich beabsichtigt, den saarländischen Verband weder finanziell noch personell im Wahlkampf zu unterstützen. Doch es ist fraglich, ob dies unter den obwaltenden Umständen noch möglich ist. „Der erste Schuss 2017 muss sitzen“, sagte der thüringische Landeschef Björn Höcke. Danach geht es Schlag auf Schlag. Im Mai wird zunächst in Schleswig-Holstein gewählt. Bisher ein schwieriges Pflaster für die AfD. Unmittelbar danach gehen die Augen Richtung Rhein und Ruhr. Der NRW-Landesvorsitzende Marcus Pretzell macht sich nichts vor: „Unsere Wahl wird die Schicksalswahl. Danach werden wir wissen, welche Chancen wir bei der Bundestagswahl haben werden.“ Peter Entinger
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