Stationen

Montag, 26. September 2016

Dröhnendes Schweigen

Die Weltgemeinschaft der UN, errichtet als Antwort auf den deutschen Judenmord und die Verbrechen Japans im Zweiten Weltkrieg, begeht soeben feierlich ihre 71. Generalversammlung (General Assembly/GA). 193 Nationen sind geladen. Im Rückblick auf 2015 hat die Generalversammlung 23 Verurteilungen zu beklagen, die sich gegen einzelne Mitgliedsländer richten. 192 von ihnen teilen sich insgesamt drei Verurteilungen.
Die übrigen 20 richten sich gegen die 6,3 Millionen Juden Israels. Sie stellen 0,086 Prozent der Erdbevölkerung. Auf diesen tagtäglich – und durch arabische Abgeordnete selbst im eigenen Parlament – mit Vernichtung bedrohten Kleinstaat entfallen 87 Prozent der Verdammungen.
Auch im Jahr 2014 zielen 20 von 23 GA-Resolutionen auf Israel. „Nur“ 84 bzw. 85 Prozent der Resolutionen treffen die einzige Demokratie in Nahost 2013 und 2012. Über die vier Jahre hinweg sind es 83 von 94 Verurteilungen. Wohl selten präsentiert sich ein genaueres Maß für die Besessenheit der Menschheit mit dieser bedrohten Minderheit.

Unter den bewaffneten Auseinandersetzungen seit 1948 mit mehr als 10.000 Toten liegen die Kriege arabischer Staaten gegen Israel auf Platz 50. Betrachtet man lediglich den israelisch-palästinensischen Konflikt der Jahre 1948 bis 2016 ergibt sich Rang 72. Er erfordert mit etwa 15.000 Opfern (davon 80 Prozent Araber) ein Zwanzigstel der Toten, die in nur einem halben Jahrzehnt beim syrischen Nachbarn gezählt werden.
Eine solche Begrenzung der Verluste gelingt nur, weil eine Seite das meiste unterlässt, was sie mit ihren Waffen anrichten könnte, und die andere Seite die Waffen noch nicht hat, um Jerusalem den Garaus zu machen. Von elf bis zwölf Millionen Muslimen, die seit 1948 gewaltsam umkommen, sterben rund 70.000 im Kampf gegen Juden. Wie auch immer daran gelitten wird, so sind sie doch nicht einmal ein Prozent der zu Betrauernden.

Wie schlagen sich Israels ungewöhnliche Vorkehrungen zum Schutz von Menschenleben beim UN Human Rights Council (HRC) nieder? Zwischen 2006 und 2016 absolviert er 32 Sitzungen. Von seinen 135 länderspezifischen Resolutionen richten sich 68 gegen Israels Juden – mehr als 50 Prozent gegen nicht einmal ein Tausendstel der Menschheit.
Was immer man ihm anlasten kann, für die Aktivisten im HRC – rekrutiert aus den Eliten ihrer Nationen – ist dieser fragile Bruchteil in jedem Fall der Schuldige unter den Völkern.

Noch besser gebildet als die Diplomaten der Generalversammlung sind die Experten der UN Educational, Scientific and Cultural Organization (Unesco). Sie kommen im April 2016 zum Ergebnis, dass ihr Schuldiger keinerlei Verbindungen zum Jerusalemer Tempelberg nachweisen könne und schon deshalb in der Gegend nichts zu suchen habe.
Man wollte denken, dass Regierungschefs aus Ländern, in denen im engen Jubiläenrhythmus das „Nie wieder“ ertönt, den Nationen in New York endlich und vernehmlich die Leviten lesen.
Von den Europäern kommt dröhnendes Schweigen. Da es sich regelmäßig einstellt, hatte mancher gehofft, dass vielleicht der Präsident der Vereinigten Staaten seine letzte Rede nutzt, diesem globalen Wahn entgegenzutreten. Auch er verweigert sich.


Israel bleibt alleine. Und dennoch behält sein Ministerpräsident ein Lächeln auf dem Gesicht und Humor in der Stimme, als er am 22. September 2016 vor einem arg gelichteten Plenum all diese Aberwitzigkeiten aufzählt.  Gunnar Heinsohn (72) ist ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler und Soziologe, emeritierter Professor für Sozialpädagogik an der Universität Bremen und freier Publizist.








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