Der CDU-Generalsekretär Peter Tauber ist dem gemeinen Publikum in
erster Linie durch sein avanciertes Brillengestell und seine Fähigkeit
bekannt, krachende Wahlniederlagen in eine Bestätigung der Politik
Angela Merkels umzudeuten.
Seine politische Karriere begann Tauber im
hessischen Wächtersbach, um dann zum CDU-Vorsitzenden in Gelnhausen
(Main-Kinzig-Kreis) aufzuzsteigen. Danach wechselte er in die Großstadt
und qualifizierte sich für die Rolle des führenden CDU-Polit-Hipsters in Berlin. Am morgigen Samstag steht der 42jährige zur Wiederwahl.
Ein schöner Tag also, um sich ein wenig Gedanken über Herrn Taubers unheimliche Talente zu machen. Das ist in diesen Tagen nichts ungewöhnliches. Von der Süddeutschen Zeitung über Die Welt bis zu Die Zeit berichten
viele Medien über eine äußerst kreative Mobbing-Affäre, in die Tauber
verstrickt ist. Sie führt zurück in die hessische Provinz und ist schon
ein paar Jahre her. Insofern könnte man die Sache eigentlich abhaken,
wenn es da nicht eine aktuelle Fortsetzung geben würde. Sie hängt mit
den Sexismus-Vorwürfen des jungen Berliner CDU-Mitglieds Jenna Behrends
zusammen, die Peter Tauber ausdrücklich begrüßte: „Wir
brauchen eine größere Sensibilität in allen Bereichen der Gesellschaft,
denn Sexismus ist nicht nur ein Problem in der Politik“, sprach der sensible General.
Sensibel ist für ihn allerdings ein neues Fach. Aber der Reihe nach.
Zunächst einmal: Was ist damals im CDU-Kreisverband Gelnhausen
vorgefallen? In seiner Zeit als Kreisvorsitzender sollte offenbar die
ehemalige Geschäftsführerin Anne Höhne-Weigl aus ihrem Job gemobbt
werden. In diesem Zusammenhang tauchte ein Papier auf, von dem Peter
Tauber im für ihn besten Fall gewusst hat (das hat er inzwischen
zugegeben) und an dem er im schlimmsten Fall mitgeschrieben hat (So die
Vorwürfe aus dem Kreisverband). Das Papier trägt den sensiblen Titel:
„Pflegehinweise für ein Kaninchen“. Darin sind detailierte Maßnahmen
aufgelistet, wie man die Frau jenseits jeder gesetzlichen Möglichkeiten
mürbe machen und hinausekeln könnte. Dazu zählte beispielsweise die
Idee, der ebenfalls im Kreisverband tätigen Tochter zu kündigen, um die
Mutter zu treffen.
Das Papier würde jedem Entmietungs-Hai zur Ehre gereichen. Noch
schlimmer aber ist die historische Konotation des Begriffs Kaninchen in
einem solchen Zusammenhang. Als Kaninchen bezeichneten Nazi-Ärzte die
Frauen, die sie für ihre Experimente im Konzentrationslager Ravensbrück
missbraucht haben. Tauber ist unter anderem Lehrbeauftragter am
Historischen Seminar der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am
Main. Er muss um die zynische Bedeutung der „Pflegehinweise für ein
Kaninchen“ gewusst haben - und hat dennoch nichts gegen das Papier
unternommen. Das wirft die Frage nach der moralischen Integrität eines
der engsten politischen Vertrauten von Bundeskanzlerin Angela Merkel
auf.
Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Sie geht erst
richtig los. Exakt zu dem Zeitpunkt, als der Kaninchen-Skandal ruchbar
wurde, ging am 23. September in Berlin eine andere Bombe hoch. Im
militärischen Jargon würde man von einem klassischen Entlastungs-Angriff
sprechen. Jenna Behrends, eine in der Berliner CDU engagierte junge
Frau, ging mit Sexismus Vorwürfen innerhalb
der Berliner CDU in die Öffentlichkeit. Die Medien stürzten sich darauf
wie ein ausgehungerter Metzgerhund auf einen abgenagten Knochen. Tauber
hatte erst mal Ruhe und konnte sich in Bild am Sonntag als moralischer Vorkämpfer gegen Sexismus profilieren.
Inzwischen ist Jenna Behrends krudes J’accuse („Liebe Partei, wir müssen reden“)
zu einer Sexismus-Klamotte geschrumpft, die einfach nur noch peinlich
ist. Der bislang einzig belegte Fakt in Behrends Erzählungen ist
folgender: Auf dem Parteitag der Berliner CDU traf die junge Frau mit
ihrem Töchterchen auf den Berliner CDU-Innensenator Frank Henkel – und
zwar auf dem Spielteppich für Kinder. Henkel hatte seine Lebensgefährtin
und seinen Sohn dabei. Er freute sich über das Töchterchen von Frau
Behrends „eine süße kleine Maus“ und auch über die Mutter „eine süße
große Maus“. Das war’s. Alle anderen Vorwürfe sind Kolportagen und
Hörensagen, Gossip, Tratsch. Es mag in der CDU Sexismus geben, aber
diesen Vorwurf sollte man anständig belegen. Alles andere ist üble
Nachrede.
Die traf nicht nur Frank Henkel. Auch der Berliner Abgeordnete Sven Rissmann wurde in die Vorwürfe hineingezogen.
Frank Henkel hatte sich kurz zuvor beim Treffen der CDU-Innenminister
als treibende Kraft für eine Obergrenze in der Flüchtlingsfrage
ausgesprochen. Rissmann hatte im Juli einen Brandbrief an die Bundeskanzlerin initiiert: „Die
gegenwärtig praktizierte ‚Politik der offenen Grenzen‘ entspricht weder
dem europäischen oder deutschen Recht, noch steht sie im Einklang mit
dem Programm der CDU.“
Über Jenna Behrends und Peter Tauber schreibt der Tagesspiegel, dass sich Behrends und Tauber „Mindestens gut kennen“.
Die junge Frau berichtet, sie habe vor der Veröffentlichung mit einem
„Parteifreund“ aus dem Bundesvorstand über ihre Absicht gesprochen. Ob
dieser Parteifreund Peter Tauber war oder das Phamtom der Oper, weiß nur
der Wind. Fest steht jedenfalls, dass Behrends Vorhaben im CDU
Bundesvorstand bekannt war, bevor es zur Veröffentlichung kam. Dirk Maxeiner
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