Da konnten wir endlich aufatmen. Teufel Trump hat seine erste
Fernsehschlacht gegen Himmelreich Clinton verloren, sagen die Umfragen.
Die Guten liegen wieder um eine Lügennasenlänge vorn.
Doch es ist noch
nicht geschafft. Es folgen weitere TV-Duelle, die Wahl ist Wochen hin.
Wie
kann es eigentlich angehen, dass rund die Hälfte eines Volkes von 320
Millionen Menschen diesen blonden Satan ins Weiße Haus wünscht? Ja, wie
bloß? Eines machen unsere Meinungsfürsten bei jeder Gelegenheit als
erstes klar: Mit echter, sachbezogener Unzufriedenheit mit der
Entwicklung der USA und dem Wirken der politischen Klasse dort hat das
alles natürlich nichts zu tun. Es ist die „Wut der Abgehängten“, die
„diffuse Abstiegsangst der Mittelschicht“, welche die US-Amerikaner in
die Pranken des „Rattenfängers mit den einfachen Antworten treibt“, der
„rassistische Vorurteile schürt“.
Kurz gesagt: Um sich mit möglichen
Argumenten der Clinton-Kritiker gar nicht erst auseinandersetzen zu
müssen, spielt man mal den Therapeuten, mal den Moralisten: Trump ist
böse, und wer ihm folgt, ist entweder selber böse oder von Ängsten
getrieben, wenn nicht geistig gestört oder einfach bloß dumm.
Wer
noch leise Zweifel hatte, dass die deutschen Staats- und Konzernmedien
ein „Kartell“ gebildet haben, welches nur eine Meinung zulässt, der
verfolge deren Aufbereitung des US-Wahlkampfs. Es scheint, als guckten
und läsen wir ausschließlich die Partei-Organe von Clintons Demokraten.
Einseitigkeit
ist zu deren Glück viel schwerer zu durchschauen, wenn ein Ozean und
eine Sprachbarriere zwischen uns und der Wirklichkeit liegen. Da können
uns die Medienleute eine Realität zusammenpinseln, wie sie ihnen
gefällt, ohne dass wir das nachprüfen oder durch eigene Erfahrung
korrigieren könnten. Diese Möglichkeit nutzen sie weidlich aus.
In
der Berichterstattung über die deutschen Zustände fällt ihnen das nicht
so leicht, auch wenn sie es Tag für Tag aufs Neue versuchen.
Neulich hat
sich der „Tagesspiegel“ die „Identitäre Bewegung“ zur Brust genommen.
Als besonders abstoßend hob das Blatt hervor, dass diese neue
Jugendbewegung in der „Wahnvorstellung“ lebe, es gehe ein „großer
Austausch“ der Bevölkerung Deutschlands mittels Massenzuwanderung vor
sich.
Dies in einem Blatt zu lesen, das in der Metropole Berlin
gemacht wird, ist schon bemerkenswert.
Die Kollegen gelangen vermutlich
morgens durch einen tiefen Tunnel in ihre fensterlose Redaktion. Nur so
kann es ihnen gelungen sein, sich vor den Wahnvorstellungen zu schützen,
die in jenen Deutschen aufsteigen, die die Straßen benutzen, wo sie die
sprunghafte Veränderung ihrer Heimat bei Tageslicht betrachten müssen.
Aber
die Erfahrung dieser Normaldeutschen zählt ja nicht. Deshalb erinnern
wir lieber an die Auslassung eines Journalisten, der bei einem
Qualitätsmedium arbeitet und diesen Sommer etwas Erhellendes getwittert
hat. AfD-Gauland hatte geseufzt: „Heute sind wir tolerant, morgen fremd
im eigenen Land.“ Darauf knallte ihm Hasnain Kazim,
„Spiegel“-Korrespondent in Wien, vor den Latz: „Gewöhn dich dran: Wir
sind hier, werden immer mehr und beanspruchen Deutschland für uns. Ob du
willst oder nicht.“
Der Deutsche Gauland soll sich also daran
gewöhnen, bald ein Fremder im eigenen Land zu sein, denn es gibt eine
andere Völkerschaft (von Kazim kurz „wir“ genannt), die Deutschland für
sich „beansprucht“ und diesen „Anspruch“ gegen widerspenstige
Eingeborene durchzusetzen beabsichtigt („Ob du willst oder nicht“).
Den
Ausdruck „beanspruchen“ kennen wir aus der Sprache von
Kolonial-Eroberern: Die US-amerikanischen Siedler „beanspruchten“ das
Land der Indianer für sich.
Da sie oftmals zunächst eine unterlegene
Minderheit waren, mussten die Siedler dabei geschickt vorgehen. So
redeten sie den Indianern ein, dass ihnen nichts weggenommen würde, im
Gegenteil: Die Urbevölkerung würde durch die europäische Kultur ihrer
neuen Mitbürger sogar noch bereichert! Allerdings kam es immer wieder zu
Zwischenfällen. Etwa, wenn rüpelhafte Siedler die Indianer als
„ungläubige“ Heiden verhöhnten, sie angriffen oder gar niedermetzelten.
Da musste schnell aufgeklärt werden, dass es sich hier um bedauerliche
Einzelfälle handele, was auch stimmte, denn der normale Siedler war
anständig und wollte bloß in Frieden leben.
Wenn die Indianer sich
hingegen dem „Anspruch“ der Siedler widersetzten und sie nicht rein
ließen in ihr Land, dann war Strafe unumgänglich. Wenn die „roten
Teufel“ nach weißen Übergriffen gar zur Gegenattacke überzugehen
wagten, durfte keine Gnade gegeben werden.
Wichtig ist dabei, dass
jeder weiß, wer im Zweifel die Schuldigen sind: immer die Eingeborenen.
Das war damals ziemlich einfach, weil es noch keine Statistiken gab, in
denen alle Übergriffe samt Opfer und Urheber fein säuberlich aufgelistet
sind.
Das ist heute ganz anders. Oder? Nun ja: Brandenburgs
Ministerpräsident Dietmar Woidke ließ gerade verlauten, dass alle
Übergriffe, bei denen nicht nachgewiesen werden kann, dass sie nicht
rechtsextrem motiviert sind, automatisch als rechtsextreme Straftaten in
die Statistik eingingen. Heißt: Immer wenn unklar ist, wer’s war, war’s
ein Rechtsextremer. Das ist wohl kaum „fein“ zu nennen, und
„säuberlich“ schon mal gar nicht.
Nebenbei hat Woidke hier eine
europäische Tradition der Rechtsfindung abgeräumt, die seit der Antike
gilt. Ob im Römischen Imperium, auf germanischen Thingversammlungen oder
vor mittelalterlichen Gerichten – ein Grundsatz war immer unumstößlich:
Erst, wenn die Urheberschaft einer Person oder Gruppe bewiesen werden
konnte, durfte eine Tat zugeordnet werden. Egal, wie merkwürdig uns die
Methoden der Wahrheitsfindung („Gottesurteil“ per Los etwa) heute
erscheinen, diese Grundregel stand nie in Zweifel. Bis Woidke kam.
Wenigstens
wissen wir dank seiner Offenheit ab jetzt, wie wir Statistiken zu
werten haben. Wenn beim nächsten Wahlkampf wieder reihenweise
AfD-Plakate von Linksextremen mit Hakenkreuzen beschmiert werden, lesen
wir in den Zeitungen vermutlich von einer „Serie rechtsextrem
motivierter Propaganda-Delikte im Raum ...“
Mit solchermaßen
gehäkelten „Amtlichen Statistiken“ in der geballten Faust kann die
Politik richtig loslegen. Die Bundesregierung lässt wissen, dass die
fremdenfeindlichen Übergriffe in den neuen Bundesländern eine
„besorgniserregende Entwicklung“ seien, die nicht allein den
„gesellschaftlichen Frieden“ dort gefährde, sondern auch die
„wirtschaftliche Entwicklung der neuen Länder“.
Eine große
Tageszeitung titelt daraufhin: „Fremdenhass ruiniert die ostdeutsche
Wirtschaft.“ Die Ansage ist unüberhörbar. Wählt, ihr dumpfen Ossis:
entweder bedingungslose Kapitula ... ich meine: entweder
uneingeschränkte Willkommenskultur oder bitterste Armut!
Ärgerlich
ist bloß, dass der Macher der reißerischen Überschrift den eigenen Text
nicht gelesen hat. Dort wird nämlich die Wirtschaftsförderung Sachsen
GmbH mit den Worten zitiert: „Uns ist kein konkreter Fall bekannt, in
dem ein Unternehmen durch ,zunehmende Fremdenfeindlichkeit im Osten‘
(die setzen das offenbar bewusst in Anführungszeichen) einen
wirtschaftlichen Nachteil oder bezifferbaren Schaden davongetragen hat.“
Mehr noch: Bei ausländischen Touristen habe Dresden (trotz Pegida –
oder etwa wegen?) sogar zugelegt, heißt es in dem Artikel.
Tja,
solche Überschriften „ruinieren“ vermutlich weniger die neuen
Bundesländer als – auf lange Sicht – gewisse Zeitungen. Aber was heißt
schon „nicht bezifferbar“? Lasst da mal Woidkes Statistiker ran. Die
„beziffern“ euch alles, was ihr lesen wollt. Hans Heckel
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