11. September 2016 – Im Spätherbst wird ein kleines Buch- Die Einzelfalle
– von mir erscheinen. Zu einer Sache, die mir ernsthaft unter den
Nägeln brennt: Über den arabischen/muslimischen Männerblick auf
europäische/deutsche Frauen. Ich sehe nicht, daß, selbst „nach Köln“ das
Thema irgendwie „durch“ ist. Im Gegenteil, ich denke, es wird noch ein
ganz böses Erwachen geben.
Für die „Bundeszentrale für politische Bildung“ (BpB) sollte zur
bewußt polemischen Frage „Nach Köln: Bringen die Flüchtlinge eine
Vergewaltigungskultur mit?“ eine dezidiert linke Journalistin zur Feder
greifen. Hannah Wettig schreibt für die Jungle World und die Jüdische Allgemeine,
sie hat Arabistik und Arabisch studiert, zahlreiche arabische Länder
bereist und engagiert sich gegen Assad. Beste Voraussetzungen, um einen
Artikel für das Online-Portal der BpB zu schreiben, oder?
Ich erlaube mir, den Vorfall mal ausführlich wiederzugeben: Wettig (Jahrgang 1971) schreibt:
Ein Freund riet mir, den Auftrag abzusagen.(…) „Willst du wirklich
schreiben, dass es keinen Zusammenhang mit dem Islam gibt?“ – „Nein,
aber das können sie auch unmöglich von mir erwarten. Sie wissen doch,
was ich dazu schon geschrieben habe.“ (…) Ich glaubte tatsächlich, dass
die Agentur mich mit Bedacht als Autorin ausgewählt hatte. Das Ganze war
schließlich genau mein Thema. Schon vor über 20 Jahren hatte ich
angefangen, mich mit sexualisierter Gewalt zu beschäftigen – in Ägypten
notgedrungen, denn ich lernte damals Arabisch in Kairo. Das Ausmaß an
sexueller Belästigung, das ich dort erlebte, hat mich als 24-jährige
Studentin nachhaltig verändert. Ich musste lernen, taub zu werden,
sobald ich die Straße betrat, niemals im Taxi vorne einzusteigen und
unbeschadet an Menschengruppen vorbeizukommen.Es gab schon damals ein
großes Munkeln: Jeder wusste es. Reiste eine Frau nach Nordafrika, kamen
sofort die Warnungen. Aber in Büchern fand ich fast kein Wort dazu.
(…)Darüber hatte ich schon oft geschrieben und nun schrieb ich es
also auch für die „Bundeszentrale für politische Bildung“ – mit Zitaten,
Namen und Ortsangaben. Lange erhielt ich keine Antwort. Zwei Monate
später kam die Absage: Qualitätskriterien nicht erfüllt. Nachbesserung
zwecklos.
Wieder und wieder las ich die E-Mail, dann den ursprünglichen Auftrag
und meinen Artikel. Ich hatte den Auftrag exakt abgearbeitet. Ich hatte
mich mit rassistischen Orientbildern auseinandergesetzt und die
Kulturthese abgelehnt. „Habe ich dir doch gesagt“, sagte mein Freund.
„Das wollen sie nicht hören.“ Aber was wollten sie denn hören, wenn sie
eine solche Frage stellten?
Meiner Frage hat sich nur die Antonio-Amadeu-Stiftung in einer von der
Bundesregierung finanzierten Broschüre gewidmet: „Das Bild des
übergriffigen Fremden – Warum ist es ein Mythos?“ Darin heißt es, dass
13 Prozent aller Frauen in Deutschland strafrechtlich relevante Formen
sexueller Gewalt erlebt haben. Die meisten davon kennen den Täter. „Der
‚fremde Täter’, der am unbekannten Ort überfällt, gewalttätig und
übergriffig wird, ist statistisch belegt eher die Ausnahme“, schreiben
die Autorinnen. Daraus folgern sie, dass der Übergriff des Fremden in
den meisten Fällen ein Mythos sei.
Aber was ist, wenn der Übergriff mal kein Mythos ist – wie in Köln? Zu
Köln schreiben sie, es gebe nicht genügend Fakten, Vorverurteilungen
seien rassistisch. Das war schon kurz nach der Silvesternacht eine sehr
gewagte Behauptung. Heute wissen wir, dass die meisten erfassten Täter
aus Nordafrika stammten. Und genau dort ist es ganz anders, als die
Stiftung schreibt.
Nicht für alle Länder gibt es Studien. Aber in Ägypten hat sogar die
UN-Frauenorganisation eine durchgeführt. Danach sind nur sieben Prozent
der Täter Freunde und Verwandte, weitere zehn Prozent Kollegen. Alle
anderen sind Fremde. In dieser Studie geben 99 Prozent der befragten
Frauen an, sexuelle Gewalt erlebt zu haben. Darunter 60 Prozent, die
angeben, erst kürzlich begrabscht worden zu sein.
Mit diesem Wissen empfinde ich die Broschüre der Antonio-Amadeu-Stiftung
zum „Mythos des übergriffigen Fremden“ und auch die Reaktion meiner
Agentur als reinen Hohn. Es handelt sich eher um politische Unbildung –
ja Verdummung. EK
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