Aras Bacho kam 2010 als Flüchtling nach Deutschland. Zurück in seine
Heimat will der junge Syrer nicht mehr. Er mag Angela Merkel und
Deutschland. Sein Berufswunsch: Journalist. In seinen Kolumnen und in
den sozialen Netzwerken fällt Bacho regelmäßig mit provokanten
Äußerungen und Forderungen auf. Die JF wollte wissen, was ihn antreibt.
Herr Bacho, Sie haben gerade in einer Kolumne geschrieben, viele
Syrer würden bei der ihrer Altersangabe in Deutschland die Unwahrheit
sagen, wie kommen Sie dazu?
Aras Bacho: Ich kenne viele Flüchtlinge. Ein Freund
von mir zum Beispiel ist über 30 Jahre alt und hat sich als 17jähriger
ausgegeben. Auch wenn es kriminell ist, passiert das aus guter Absicht.
Viele wollen die Schule weitermachen und etwas im Leben schaffen, eine
Ausbildung. Und sie denken, ich bin jetzt 30 Jahre alt, da nimmt mich
niemand mehr. Es gibt aber auch solche, die sich als jung ausgeben, um
abzukassieren, zum Beispiel Kindergeld. Und wenn man jünger ist, kann
man seine Familie nachholen.
Sie rechtfertigen das also?
Bacho: Ich habe in meiner Kolumne die Gründe
geschrieben, warum Flüchtlinge ein falsches Alter angeben. Das heißt
aber nicht, daß ich das richtig finde.
Aber Sie selbst haben bei Ihrer Altersangabe nicht gelogen?
Bacho: Nein, ich habe kein falsches Alter angegeben.
Denken Sie nicht, daß ein Land, das Flüchtlinge aufnimmt, den Anspruch hat, daß man ehrlich zu ihm ist?
Bacho: Ich nehme keine Kriminellen in Schutz. Ganz im Gegenteil. Ich finde, man sollte sich benehmen und die Gesetze einhalten.
Aber wer bei seinem Alter lügt und sich jünger beziehungsweise
minderjährig macht, ist unter Umständen dann illegal im Land. Warum
sollte man Flüchtlingen trauen, die schon bei der Einreise die
Unwahrheit sagen?
Bacho: Es geht nicht um trauen oder nicht trauen.
Wenn jemand keine Papiere hat, weiß man nicht, wie alt er ist. Und man
kann ja auch Urkunden fälschen, das machen auch viele, in Syrien, der
Türkei oder in arabischen Ländern.
Wenn Freunde von Ihnen bei der Altersangabe lügen, Sie aber
nicht, fällt das dann nicht vielleicht auch auf Sie zurück, weil das
Mißtrauen gegen Flüchtlinge allgemein wächst?
Bacho: Genau das. Vielleicht werde ich auch wegen
solcher krimineller Flüchtlinge demnächst dazu gezwungen, einen
Alterstest zu machen. Vielleicht bekomme ich Post, in der steht: „Kommen
Sie hier hin und machen Sie einen DNA-Test.“ Das heißt, wir sind auch
davon betroffen, auch wer sich nichts zuschulden kommen läßt.
Wären Sie für eine generelle Altersbestimmung von Flüchtlingen?
Bacho: Also ich wäre dazu bereit und würde das
machen. Wenn Deutschland sagt, es gibt kriminelle Flüchtlinge, deren
Alter bestimmt werden muß, dann ist das richtig so. Der Staat kann nicht
dulden, daß sich 30- oder 35jährige als 17 ausgeben.
Sie machen regelmäßig mit dreisten Forderungen von sich reden.
Zum Beispiel, daß der Staat Flüchtlingen ein Handy bezahlen sollte oder
Flüchtlinge an Wahlen teilnehmen sollten. Meinen Sie das ernst oder
wollen Sie provozieren?
Bacho: Ich will nicht provozieren. Die Überschriften
sind manchmal etwas zugespitzt. Zum Beispiel das mit den Smartphones.
Ich habe nicht geschrieben, daß es ein teures Smartphone sein soll. Es
reicht ein billiges Handy, mit dem Flüchtlinge ihre Verwandten erreichen
und Whatsapp nutzen können. Da gibt es ja auch billige chinesische
Telefone für 50 Euro.
Sie sind aber schon der Meinung, daß ein Handy zur Grundversorgung von Flüchtlingen gehört?
Bacho: Ja, aber das ist nur meine Meinung. Der Staat ist ja nicht dazu verpflichtet.
Können Sie nachvollziehen, daß sich viele Deutsche, die die
Aufnahme, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen mit ihren
Steuern finanzieren müssen, dadurch provoziert fühlen?
Bacho: Nein, wieso? Die Leute müssen eben mehr als
nur die Überschriften meiner Texte lesen. Es ist nicht meine Schuld,
wenn sie das nicht tun. Wer liest, bildet sich.
Es wird immer wieder der Verdacht geäußert, Sie würden Ihre Tweets und Artikel nicht selber schreiben.
Bacho: Ich schreibe alles selbst. Sie können gern zu
mir kommen und sich ein eigenes Bild machen. Ich bin echt. Ich gehe zur
Schule und möchte nächstes Jahr mein Abitur machen. Ich kann gut
Deutsch, ich kann Englisch, ich kann Arabisch, ich kann Kurdisch und
lerne noch dazu Französisch.
Wann haben Sie angefangen, Deutsch zu lernen?
Bacho: Ich lebe seit sieben Jahren in Deutschland.
Richtig Deutsch gelernt habe ich vor drei Jahren. Aber auch im
Kinderheim habe ich Deutsch gesprochen, also ich konnte verstehen, was
die anderen Kinder sagen. Natürlich war mein Deutsch am Anfang
gebrochen, jetzt aber nicht mehr.
Sie kritisieren regelmäßig die AfD, forderten sogar das Verbot der Partei, warum?
Bacho: Ich glaube nicht, daß es zu einem Verbot
kommt. Aber viele AfD-Politiker verallgemeinern, wenn es um Flüchtlinge
geht. Sie wollen abschieben und kritisieren zuviel. Es geht zuviel Haß
von ihr aus.
Hat Sie das Ergebnis der Bundestagswahl enttäuscht?
Bacho: Ja, auf jeden Fall! Denn die AfD hat bis
jetzt nichts geschafft. Aber andererseits muß sie ja in die Opposition,
weil niemand mit ihr regieren will.
Sie riefen vor der Wahl zur Unterstützung Merkels auf, wieso?
Bacho: Ich finde Frau Merkel eine starke Frau. Sie
unterstützt Flüchtlinge. Sie hat noch nie etwas Negatives über
Flüchtlinge und andere Menschen gesagt, deswegen bin ich immer noch an
ihrer Seite. Und was ihre Flüchtlingspolitik angeht: Das mit den
geöffneten Grenzen und der Kriminalität. Dafür kann sie nichts, denn sie
kann ja nicht die Menschen beeinflussen, die kommen. Die Menschen sind
so, wie sie sind. Frau Merkel hat nur ihr Herz für diese Menschen
geöffnet.
Stimmt es, daß Sie SPD-Mitglied sind?
Bacho: Nein, nicht mehr. Ich bin ausgetreten. Es gab
da viele Angeber. Deswegen habe ich da nicht mehr mitgemacht. Ich fand
es bei der SPD einfach nicht so prickelnd.
Gibt es eine Partei, die Ihnen gefällt?
Bacho: Die CDU. Aber eintreten will ich trotzdem nicht.
Sie schrieben einmal auf Twitter, viele der Frauen, die in der
Silvesternacht 2015 Opfer sexueller Übergriffe durch Flüchtlinge wurden,
seien selbst schuld, weil sie nachts alleine unterwegs waren. Sehen Sie
das immer noch so?
Bacho: Nein, das war ein Versehen. Damals konnte ich
noch nicht gut Deutsch. Ich wollte genau das Gegenteil davon schreiben.
Ich hab das dann geschrieben und auf einmal kamen viele zu mir und
sagten: „Du hast etwas Schlimmes geschrieben.“ Als ich dann gemerkt
habe, wie das verstanden wird, habe ich es gelöscht. Ich bin nicht der
Meinung, daß es die Schuld der Frauen war.
Aber wie kann man so etwas aus Versehen schreiben?
Bacho: Mein Deutsch war damals schlecht. Wie gesagt,
ich wollte das Gegenteil schreiben. Ich bin für Freiheit. Ich hasse
auch nicht die Rechten oder die AfD. Ich finde nur, daß diese zuviel
verallgemeinern und Haß von sich geben. Ich bekomme auch viele Tweets,
die mich beleidigen, jeden Tag. Ich finde es nicht in Ordnung, wie diese
mit mir umgehen.
Wie viele Flüchtlinge kann Deutschland Ihrer Ansicht nach noch aufnehmen?
Bacho: Deutschland sollte nicht mehr so viele
Flüchtlinge aufnehmen, sondern auch andere EU-Länder. Jetzt sind die an
der Reihe. Auch die anderen Mitgliedstaaten müssen sich an ihre Zusagen
halten. Die EU muß zusammenhalten.
Ist Deutschland ein gutes Land für Flüchtlinge?
Bacho: Ja, Deutschland ist sehr gut. Deutschland
kümmert sich um die Flüchtlinge, gibt ihnen Unterkunft und Geld und,
und, und … In anderen Ländern würde man das gar nicht bekommen.
Warum sind Sie nach Deutschland gekommen und nicht beispielsweise nach Österreich, Schweden oder Norwegen?
Bacho: Weil hier die Bildung besser ist und man gute
Chancen hat. Aber auch, weil viele Bekannte von mir und Mitglieder
meiner Familie schon zehn Jahre vor mir hierher gekommen sind. Man will
ja auch mit der Familie zusammensein.
Was müssen die Deutschen tun, damit die Integration von Flüchtlingen besser gelingt?
Bacho: Schulen anbieten und mehr fordern.
Flüchtlinge bekommen zum Beispiel Geld vom Jobcenter. Ich finde, sie
müßten dafür beim Jobcenter etwas vorlegen, zeigen, daß sie ihre
Hausaufgaben machen. Ich hätte das schärfer geregelt, aber ich glaube
nicht, daß so etwas noch kommt. Ich fände es aber gut.
Was müssen die Flüchtlinge als Gegenleistung dafür bringen?
Bacho: Lernen! Flüchtlinge müssen lernen, zur Schule
gehen, ihre Hausaufgaben machen. Sie müssen wissen, wie sie Bewerbungen
schreiben und sich benehmen.
Was ist, wenn Flüchtlinge kriminell werden?
Bacho: Ich finde nicht, daß sie dann abgeschoben
werden sollten. Auch der deutsche Staat schiebt keine Flüchtlinge ab,
solange der Krieg stattfindet. Sie sollten ins Gefängnis kommen oder
eben die Strafe erhalten, die das Gesetz dafür vorsieht.
Sollten Flüchtlinge wieder in ihr Heimatland zurückkehren, wenn die Lage dort wieder sicher ist?
Bacho: Nicht alle. Wenn jemand integriert ist und gut Deutsch spricht, warum sollte er dann nicht hierbleiben?
Auch wenn er nicht mehr in seinem Heimatland verfolgt wird?
Bacho: Es kommt drauf an, wo er sich zu Hause fühlt.
Aber es gibt viele Syrer, die wollen wieder zurück in ihre Heimat, weil
sie es in Deutschland schlimm finden.
Warum?
Bacho: Das hat viele Gründe. Syrer sind zum einen
die Wärme ihres Heimatlands gewohnt, aber wenn sie nach Deutschland
flüchten, macht ihnen die Kälte zu schaffen. Zudem ist es in Deutschland
viel lauter. Das ist für viele Syrer nicht einfach, weil die meisten
von ihnen aus Dörfern kommen. Auch die Ämter und die Bürokratie in
Deutschland bereiten Probleme. Man bekommt viel Post, entweder vom
Arbeitsamt oder der AOK, meistens in Amtsdeutsch mit Paragraphen, die
kaum zu verstehen sind. Dazu die Pflichttermine. Das regt viele auf.
Hinzu kommt, daß die deutsche Sprache eine ziemlich schwere Sprache
ist, die vor allem für erwachsene Syrer nur schwer zu lernen ist. Viele
Syrer fühlen sich auch fremd, weil sie von Deutschen immer angeschaut
werden, als ob Deutschland nicht ihr Land sei. Deswegen fühlen sie sich
in ihrem Heimatland wohler. Zuletzt sind da noch die
Familienangehörigen, die immer noch in Syrien sind. Für viele ist es nur
schwer zu ertragen, von ihren Familien über so eine weite Entfernung
getrennt zu sein.
Würden Sie gern für immer in Deutschland bleiben, oder wollen Sie irgendwann zurück nach Syrien?
Bacho: Wenn, dann nur zum Urlaub – wenn der Krieg
vorbei ist. Ich habe eine gute Schulbildung, mit der ich hier etwas
anfangen kann. In Syrien nicht. Ich möchte hier bleiben.
Was ist ihr Berufswunsch?
Bacho: Journalismus. Vielleicht kann ich nach dem Abitur beim WDR anfangen, aber mal gucken.
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Aras Bacho, geboren 1998 in Merkebe, im Nord-Osten
Syriens, kam 2010 nach Deutschland, lebt in Nordrhein-Westfalen und
strebt derzeit das Abitur an. Er schreibt für Huffington Post, Oe24.at sowie einen Blog beim Freitag.
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