"Was je ein Dante, was ein Shakespeare sah,
Was Goethes Geist, die Welt umspannend, ahnte,
Was aller Völker Dichter je geschaut (...):
Wie klein erscheint es, da das größte Drama,
Das je die Menschheit sah seit tausend Jahren,
Vor uns den Zeitgenossen, sich entfaltet.
Unfaßbar heute noch in seiner Wirkung,
In seiner Zukunft Weltenschicksal bergend
Und uns den Atem raubend in Erlebung
Des größten Kampfes, den je Völker sahen.
Und doch hat unsre Kunst ihr Daseinsrecht
Sich auch in diesem Weltenbrand bewahrt
Als deutsche Kunst! Denn das ist deutsche Art,
Dem ewig Wahren grübelnd nachzudenken
Und auch umstürmt vom Tatendrang der Welt
Pilatusfragen sinnend abzuwägen.
Im Schützengraben sich in 'Faust' vertiefen,
Beethoven-, Wagnermelodien im Herzen,
Seht, das ist Deutschland, ist das alte Deutschland
Der Denker und der Dichter und der Träumer,
Das Deutschland, das sie nicht vernichten können,
Das Deutschland, das wir uns erhalten müssen,
Erhalten mit dem Leiberwall da draußen,
Erhalten tief im Geiste uns hierinnen,
Das Deutschland, dem wir leben, dem wir sterben!"
Auszug aus: Gustav Stresemann, Prolog zur Wiedereröffnung des Stadttheaters in Liegnitz, vorgetragen am 30. September 1916
(Stresemann, Reden und Schriften, Dresden 1926, Bd. 2, S. 390/91)
Zum 27. Januar
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