Die Lüge hat, nicht erst seit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, einen guten Lauf. Für Biologen ist die Verstellung, die Mimikry, geradezu ein Überlebensprinzip. Das egoistische Gen (Dawkins) verlangt bisweilen nach der Lüge, um sich durchzusetzen. Auch die Verhaltensforscher wissen das. Der Sozialpsychologe Steffen Dietz kommt in einer „Kleinen Kulturgeschichte der Lüge“ zu dem Befund, dass die „Lüge den Normalfall der Kommunikation“ darstellt und verlangt, dass wir „lernen, damit umzugehen“.
In der Politik, so der Politologe Fritz Walter, geht es ohne Lüge schon gar nicht. Da scheinen alle von Macchiavelli gelernt zu haben, der die Lüge, den kunstvollen Betrug zum Machterhalt, rechtfertigt, denn der Zweck heiligt die Mittel. Allerdings ist die Erfolgsgeschichte der Lüge gerade hier eher dürftig. Schon Präsident Lincoln, der aus taktischen Gründen durchaus zur Lüge in der Lage war, um ein gutes Gesetz durchzudrücken, wie Spielbergs „Lincoln“ eindrucksvoll vorführte, erkannte schließlich: „Man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen und das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen.“
Beispiel Irak-Krieg. Mit gefälschten „Beweisen“ für eine Giftgasaufrüstung ließ Präsident Bush sich das Mandat für den Angriff auf den Irak mandatieren, mit den bekannten fürchterlichen und zersetzenden Konsequenzen. Tony Blair ließ sich die parlamentarische Erlaubnis zur Teilnahme am Irak-Krieg erschwindeln, was schließlich zu seinem Popularitätsverlust und seiner Abwahl führte.
Die Lüge vernichtet die Kommunikation
Die Wahrheit scheint auf lange Sicht in ihrer ehrbaren Strahlkraft unüberwindbar. Mahatma Gandhi zwang mit ihr das britische Empire in die Knie, Martin Luther King trug mit ihr zur Abschaffung der Apartheid in den USA bei. Sie waren erfolgreich in ihren Anliegen, erfolgreicher als Nixon, der sich in seinen Lügen verhedderte. Es gibt gute Gründe, anzunehmen, dass Kissinger mit seiner schattenhaften Schaukeldiplomatie den Vietnamkrieg eher verlängerte, da sich Russen und Chinesen gleichermaßen von ihm beschwindelt fühlten.Schon Kirchenvater Augustinus erkannte, dass ein vernünftiges Zusammenleben mit der Lüge nicht möglich ist. Thomas von Aquin und Kant präzisierten: Der Lügner nimmt weder sich noch den anderen ernst, er macht Kommunikation unmöglich und zerstört das soziale Gewebe. Die Wahrhaftigkeitsregel gehört zum kategorischen Imperativ: Der Lügner nimmt Zuflucht zu einem Mittel, von dem er selber nicht möchte, dass es allgemeine Akzeptanz findet und dann auch auf ihn angewendet wird. Dass das nicht geht, ist einsehbar für jeden.
Seit den Verzückungen der Willkommenskultur gehört die gut gemeinte Lüge zur alltäglichen Erfahrung. Schnell durchschaute das Publikum jene Matadore in der Presse, die nur noch Positives berichteten und sich selbst ständig ihren Großmut und ihre edle Gesinnung bewiesen, indem sie Selbstzensur übten. Nach der Sylvesternacht von Köln 2015 und den lange verschwiegenen massenhaften sexuellen Übergriffen durch nordafrikanische Migranten brach das System in sich zusammen.
Das Gift der Lüge
Giovanni di Lorenzo bekannte für die „Zeit“ und nicht nur für sie: „Wir waren geradezu beseelt von der historischen Aufgabe“. Das Gift der Lüge hatte sich eingeschlichen und zersetzte. Und die Politik log eifrig mit. Die Behauptung der Bundeskanzlerin, man könne die Grenzen nicht schützen, war eine Lüge – die Pläne zur Grenzsicherung lagen auf dem Tisch, die Hundertschaften waren bereits vor Ort. Sie entschied sich schließlich gegen den Rat der Fachleute, weil die Umfragewerte positiv waren und sie „ungünstige Bilder“ befürchtete, wie Robin Alexander in seinem Bestseller „Die Getriebenen“ so eindrücklich nachwies.Nun hatte die Lüge auch das Verhältnis der Bevölkerung zur politischen Klasse zersetzt. In di Lorenzos Worten: „Es gab eine beispiellose Vergiftung der Gesellschaft und einen Vertrauensverlust gegenüber den Eliten und den im Bundestag vertretenen Parteien.“ Wie einfach und wie dumm gelogen wird, bewies Fraktionschef Volker Kauder, der in einer Politsendung zu den Kosten der sozialen Unterbringung der Geflüchteten und Immigranten behauptete: „Niemandem wird etwas weggenommen.“
Möglicherweise ihm persönlich nichts, aber, so dachte sich der steuerzahlende TV-Zuschauer: 25 Milliarden pro Jahr, bis 2020 rund 100 Milliarden, das sind Summen, die selbstverständlich fehlen werden zur Bekämpfung der Kinderarmut im eigenen Lande, zur Verbesserung von Straßen und Schulen. Natürlich wird dieses Geld ihm weggenommen, schon durch die Steuer, die er entrichtet hat. Wie sagte es Papst Benedikt XVI. im Bundestag 2011, Augustinus zitierend: „Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande?“
Die Lügen haben die Kanzlerin eingeholt
Des weiteren wird ihm das Geld weggenommen, weil er es nicht über Staatsleistungen zurück erhält. Volker Kauder mag guter Absicht gewesen sein, weil er eine Neiddebatte abwenden wollte, über die die gut verdienenden Eliten ohnehin die Nase rümpfen. Aber sie sind es nicht, die hier fragen, es sind die sogenannten kleinen Leute, die den Euro dreimal umdrehen, und die wissen: Die Politik lügt, und sie lügt unverfroren.Mittlerweile hat die politische Klasse, die das Recht brach, nahezu jedes Vertrauen verspielt, und eine Gesellschaft ohne Vertrauen verwandelt sich bisweilen in eine der Zähneblecker. Sie hat die Große Koalition der Regierenden empfindlich abgestraft an der Wahlurne. Die Lügen haben die Kanzlerin eingeholt – ihr Auftritt auf dem Breitscheidplatz, an dem sie sich erst ein Jahr nach dem fürchterlichen Terroranschlag ein paar spröde Beileidsfloskeln an die Hinterbliebenen abrang, war wahrscheinlich der gespenstischste ihrer Karriere.
Die Terroropfer, das wussten viele, zähneknirschend, waren auch ihre Opfer, denn ihre fahrlässige Handhabe der Flüchtlingskrise und der offenen Grenzen hatten es dem Mörder – und nicht nur ihm – leicht gemacht. Mittlerweile möchte rund die Hälfte der Bevölkerung nichts mehr mit ihr zu tun haben und hofft auf ihren baldigen Abgang.
Das Zähneblecken hat längst auch den Journalismus erreicht. Er hat aufgerüstet. Sloterdijk sieht ihn in einem Zustand der „Verwahrlosung“. Viele wandern in die sozialen Medien ab, die sich auch durch Zensurgesetze nicht einschüchtern lassen. Wenn das Vertrauen einmal zersetzt ist, werden es auch obrigkeitsstaatliche Maßnahmen nicht wieder herstellen können.
Leider sind auch die Kirchen massiv vom Mahlstrom der Lüge erfasst worden. Sie verlangen christliche Fernstenliebe und vergessen die Nächstenliebe, vor allem aber jene Weisheit des Thomas von Aquin, der sagte: „Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist grausam; aber Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit führt zur Auflösung.“
Man traut ihnen nicht mehr, wenn sie Dissidenten der Flüchtlingspolitik als Rechtsextreme abstempeln und in Predigten und Hirtenbriefen Politik betreiben, wenn sie Demonstranten das Licht abstellen – und nebenbei verschweigen, wie gut sie verdienen an der Flüchtlingskrise.
Matussek in der Würzburger Tagespost
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