Nicht nur für Sozialdemokraten war der vergangene Sonntag ein
schwarzer Tag. Aber vor allem für sie. Denn er zeigte die SPD in ihrer
ganzen sklerotischen Schwäche: zerrissen, ideenlos, führungslos. Zwar
retteten sich Martin Schulz und die Seinen denkbar knapp in
Koalitionsverhandlungen; aber emotional und vor allem konzeptionell ist
die einst stolze Volkspartei am Ende. Wenn der 21. Januar 2018 dennoch
nicht für die Geschichtsbücher taugt, dann nur deshalb, weil der
Untergang der Sozialdemokraten gesellschaftspolitisch ohne Belang ist.
Denn zu sagen oder bieten hatten sie schon lange nichts mehr. Zu fest
schlossen sie die Augen vor der Wirklichkeit. Bereits im Wahlkampf
testete die SPD mit abseitigen Themen die Langmut der Wähler, in den
Vorverhandlungen zur Großen Koalition verstieg sie sich völlig.
Das alles beherrschende Thema der letzten Wochen hieß: Zuwanderung.
Ob die Morde von Freiburg, Hamburg oder Kandel, die alarmierenden Zahlen
gewaltbereiter Salafisten, ob die Überfälle auf Feuerwehren und
Sanitäter oder die vielen Benachteiligungen von Deutschen gegenüber
„Flüchtlingen“ – immer ging es um die Fremden und darum, ob und wie „wir
das schaffen“.
Mehr und mehr Bürger äußerten ihre Sorgen, selbst Medien gaben den
Ängsten endlich Raum. Aber die Sozialdemokraten überhörten sie. Mit
arroganter Sturheit beharrten sie auf Fragen, die niemand stellte:
Einheitskasse und Arbeitsplatzgarantie. Als ob deren Verweigerung die
AfD groß gemacht hätte.
Das ist keine neue Entwicklung. Schon lange hat sich die SPD von der
Partei der Arbeiter zum Sprachrohr linker Wohlstandsschichten gewandelt –
eine Kopie der Grünen auch in Sachen Wirklichkeitsferne: für
Multikulti, „Ehe für alle“ und Ökoenergie. Eine Partei der
Besserverdiener und Bessergebildeten, die die Rechte der Arbeiter an die
Globalisierung verrät und die Rechte der Frauen an den Islam. Daß
Sigmar Gabriel Demonstranten als „Pack“ schmähte, zeigte Bruch und
Distanz. Für die Alltags- und Abstiegsängste einfacher Leute, das
offenbarte die Äußerung, hat die SPD nur noch Verachtung.
Doch Kopien sind verzichtbar. Das ist der Grund für stetig fallende
Umfragewerte. Viele einstige Stammwähler haben begriffen: Die SPD ist
programmatisch nicht mehr ihre Heimat; sie ist inzwischen ihr Gegner.
Das Grundlagenpapier zur GroKo machte das deutlich. Auch in der SPD
grassiert der Haß auf alles Deutsche.
So wurde im Grundlagenpapier „Zuwanderung“ vorsätzlich
kleinverhandelt. Man will den rechtswidrigen Status quo erhalten, die
unkontrollierte Invasion unumkehrbar machen. Daher keine Abschiebungen,
keine zwingende Altersfeststellung, unbeschränkter Familiennachzug; und
eine Obergrenze nur für die „unmittelbar steuerbare“ Migration. Was mit
der sonstigen ist, mit den 15.000 Illegalen, die ohnehin Monat für Monat
einsickern, blieb bewußt offen.
Stolz meldete der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius, die
Obergrenze sei „bewußt verschwurbelt formuliert“, der weitere Zuzug
Hunderttausender mithin gewährleistet. Auch Martin Schulz meinte schon
wenige Stunden nach dem Verhandlungsmarathon, wenn pro Jahr mehr als
220.000 kämen, „kämen eben mehr“. Und Jusos bezeichneten Sammelstellen
für Asylbewerber kurzerhand als „KZ“.
Das also ist die künftige Regierungspartei: Eine SPD, die die Augen
vor der Wirklichkeit verschließt; die trotz 11.000 gewaltbereiter
Salafisten, trotz der täglichen Angriffe auf Frauen und Minderheiten die
muslimische Invasion befördert; die den damit einhergehenden
Antisemitismus klammheimlich hinnimmt wie auch den fortgesetzten
Rechtsbruch; die sich schon jetzt damit brüstet, den Koalitionspartner
übers Ohr gehauen zu haben; und die in ihrer Diktion enthemmt ist und so
gespalten, daß ihre Minister kaum handlungsfähig erscheinen.
Diese SPD ist kein Koalitionspartner; sie ist eine Partei in
Auflösung, programmatisch an der Grenze zum Hochverrat. Daß die Union
mit ihr koalieren will, zeigt deren eigene Schwäche. Auch sie hält nur
die Angst vor Neuwahlen und Machtverlust zusammen. Personell sind CDU
und CSU ebenfalls erschöpft, auch ihnen fehlt jede Idee von Zukunft.
So profillos wie im Wahlkampf blieben sie in Sondierungs- wie
Koalitionsgesprächen, nicht einmal für den Versuch eines großen Wurfes
in Steuer-, Finanz-, Wirtschafts- oder Bildungspolitik reichte es. Im
Vergleich wirkt der oft verlachte Trump mit seinem Mut zur Gestaltung
wie ein Riese.
Das ist dann auch die eigentliche Botschaft vom Sonntag: Mit der SPD
hat sich auch die GroKo von jeder Erneuerung verabschiedet. Dazu von der
Wirklichkeit. Und auch von Grundgesetz und dem Deutschland, das wir
noch kennen. Denn hinter der bewußten Sabotage jeder
Zuwanderungsbegrenzung steht eine andere, noch stärker tabuisierte
Frage: der Umgang mit dem Islam.
Sie ist das zentrale Zukunftsthema, die Antwort wird dieses Land
grundlegend definieren. Wer dem Islam durch Einwanderung und
Familiennachzug weiterhin Raum gibt, verabschiedet sich faktisch vom
Grundgesetz. Denn dessen Freiheits-, Frauen- und Minderheitenrechte sind
dann nicht mehr zu gewährleisten.
Und auch nicht Heimat. Sie würde ein ernstes Bekenntnis zu diesem
Land verlangen, zu seinen Menschen, seiner Verfassung, seiner Geschichte
und seinen Grenzen. Kurz: zum Nationalstaat. Doch von einer Kanzlerin,
die schon beim Untergang eines Landes ideell assistierte und einst dem
großen sowjetischen Bruder, heute der EU huldigt, ist das nicht zu
erwarten. Lieber fährt sie auch dieses Land endgültig vor die Wand,
zusammen mit der SPD.
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Dr. Nicolaus Fest ist Jurist und Journalist. Er war bis September 2014 stellvertretender Chefredakteur der „Bild am Sonntag“.
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