Ja, es ist
schockierend: Der Königsmacher bei diesen Wahlen könnte niemand anderer
als Silvio Berlusconi sein, der dreimalige Ministerpräsident, dem die
Welt den Begriff „Bunga Bunga“-Party zu verdanken hat. Berlusconi, der
zuletzt 2011 unrühmlich aus dem Amt geschieden ist, als die
Staatschuldenkrise in der Eurozone Italien zu verschlingen drohte, kann
sich nach seiner Verurteilung wegen Steuerhinterziehung 2013 zwar keine
Hoffnungen auf eine vierte Amtszeit – oder ein anderes öffentliches Amt –
machen, doch das von ihm angeführte Mitte-Rechts-Bündnis geht mit dem
größten Elan in die Wahlen.
Auch
die letzten Parlamentswahlen in Italien im Februar 2013 waren chaotisch
und nicht eindeutig. Seither ist das Land von Mitte-Links-Koalitionen
regiert worden, angeführt von der Demokratischen Partei (Partita
Democratico, PD). Während der Startschuss für den Wahlkampf gefallen
ist, verzeichnet Italien derzeit das schnellste Wirtschaftswachstum seit
über einem Jahrzehnt, auch wenn die Arbeitslosigkeit hartnäckig hoch
bei über 11% (und rund 35% für jüngere Arbeitskräfte) verharrt. Trotzdem
profitiert der PD nicht davon.
In seiner Amtszeit
als Ministerpräsident von Februar 2014 bis Dezember 2016 hat sich Matteo
Renzi, der jugendliche und charismatische Vorsitzende des PD, als rottamatore
in Szene gesetzt, der das alte politische Establishment „verschrotten“
würde. Doch letztlich hat er mehr Menschen vor den Kopf gestoßen als
beeindruckt. Sein wichtigster Erfolg war eine Reform des verkrusteten
italienischen Arbeitsmarktes – nichts, womit sich Wählerstimmen gewinnen
ließen. Nach einem Hoch von 40% der Stimmen bei der Wahl zum
Europaparlament 2015, ist die Unterstützung für den PD auf nur 20-25% gesunken und der linke Flügel der Partei hat sich abgespalten.
Die
derzeit führende Einzelpartei in den Umfragen ist die aus dem Protest
heraus entstandene, populistische Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) unter dem
Vorsitz des Komikers Beppe Grillo (auch wenn der unerfahrene, 31-jährige
Luigi Di Maio offiziell zum Spitzenkandidaten für das Amt des
Ministerpräsidenten gekürt wurde). Die Fünf-Sterne- Bewegung ist seit
ihrer Gründung vor fünf Jahren reifer geworden, als sich ihre
Kernbotschaft noch auf ein shakespearesches „zum Teufel eure Häuser“
belief. Ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Euro hat sie seither
gemäßigt. Und mit Umfragewerten zwischen 26-29% ist sie trotz ihrer
schwachen Regierung im Gemeinderat von Rom weiterhin populär.
Die
M5S steht vor dem Problem, dass sie aufgrund eines neuen Wahlgesetzes
rund 40% der Gesamtstimmen brauchen wird, um sich eine parlamentarische
Mehrheit zu sichern. Während zwei Drittel der Sitze im Abgeordnetenhaus
per Verhältniswahl vergeben werden, wird ein Drittel per Mehrheitswahl
in Einerwahlkreisen bestimmt, wo die Fünf-Sterne-Bewegung wahrscheinlich
das Nachsehen haben wird, weil sie weder willens, noch in der Lage ist,
die Wahlbündnisse einzugehen, die nötig sind, um Mehrheiten zu
erhalten.
Tatsächlich
wird die einzige Parteigruppierung, der es gelungen ist vor der Wahl
einen Pakt mit anderen Parteien zu schmieden, am meisten vom jetzigen
Wahlsystem profitieren: das von Berlusconi angeführte
Mitte-Rechts-Bündnis. Wie Berlusconi bei seinen Wahlsiegen in den Jahren
1994, 2001 und 2008 bewiesen hat, ist die Bildung von Koalitionen schon
immer seine größte Stärke gewesen. Wie schon in den damaligen Wahlen
wird der wichtigste Partner seiner eigenen Partei Forza Italia die
separatistische, einwandererkritische und euroskeptische Lega Nord sein.
Natürlich
wird für Berlusconi nicht alles reibungslos laufen. Er wird die
knifflige Aufgabe bewältigen müssen, sich mit dem energischen und
ehrgeizigen Matteo Salvini – dem Vorsitzenden der Lega Nord, der sich
ebenfalls als Anführer des Mitte-Rechts-Bündnisses in Stellung bringt –
und mit dem dritten, kleineren Partner der Gruppe, den rechtsgerichteten
Fratrelli d’Italia, auf gemeinsame Kandidaten zu einigen.
Trotzdem sieht es bislang gut aus für Berlusconi. Forza Italia liegt in den Umfragen
bei rund 16% und damit etwas vor der Lega Nord, auch wenn Forza Italia
weit hinter ihren Glanzzeiten zurückbleibt als sie in Umfragen bei über
25% lag. Und das Mitte-Rechts-Bündnis wird wahrscheinlich von der Wut
der Wähler über den Zustrom von Flüchtlingen und Migranten profitieren
und von der Angst der Bevölkerung vor dem disruptiven Potenzial der
Fünf-Sterne-Bewegung. Das Bündnis hat Rückenwind.
Berlusconi
setzt sich als Elder Statesman in Szene – sogar als zuverlässig und
kompetent. Er hat sich ein softeres Image verpasst, indem er sich für
Rentner einsetzt und neuerdings Interesse am Tierschutz zeigt. Und er
ist nicht zuletzt immer noch ein herausragender Wahlkämpfer, dem
zufälligerweise die größten Fernsehsender des Landes gehören.
Es
wäre schwierig für Berlusconis Gruppe, eine absolute Mehrheit zu
erlangen, aber ausgeschlossen ist es nicht. Ein gutes Ergebnis würde
jedenfalls ein beachtliches Comeback für den alten Entertainer bedeuten –
was er schon immer sehr genossen hat. Wenn seine Mitte-Rechts-Koalition
eine Mehrheit erhalten sollte, wird er direkt den Ministerpräsidenten
küren; wahrscheinlicher wird er die Schlüsselfigur in den Verhandlungen
über eine große Koalition aus Mitte-Rechts- und Mitte-Links-Parteien
sein.
Am
bemerkenswertesten ist aber, dass beide Szenarien im Vergleich zur
wahrscheinlichsten Alternative ‒ einer von der Fünf-Sterne-Bewegung
geführten Minderheitsregierung ‒ weithin als solides und respektables
Ergebnis betrachtet würden. Könnte sich Berlusconi am Ende als
politischer Retter Italiens erweisen? Man kann es nicht ausschließen. Bill Emmott
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