Auf Befehl der Liebsten Teilnahme am Semperopernball in Dresden.
Ambivalente Eindrücke. Eigentlich eine reizende Veranstaltung. Wenn sich
tausend Frauen in Abendkleider und tausend Männern in Smoking oder
Frack hüllen, um miteinander Walzer zu tanzen, ist das eine löbliche
Unternehmung.
Zumal Hunderte noch auf dem Vorplatz bis weit nach
Mitternacht mittanzten, zuletzt, als ein unbarmherziger Dauerregen
eingesetzt hatte, unter Schirmen, ein pittoresker Anblick: immer je ein
Paar und ein Schirm drehten sich im Scheinwerferlicht unter
Regenschauern im Kreise...
Rein ästhetisch war das Level hoch, viel
höher, als ich erwartet hatte; die meisten Mädels und Damen trugen
geschmackvolle Kleider, kaum ein Gesicht war von Botox entstellt, ganz
anders als ich es von Bogenhausener und Grünwalder Schickeriaschachteln
kenne, und die Herren, die es ohnehin leichter haben, erschienen (mit
Ausnahme der allzeit fröhlichen Pfeife Johannes B. Kerner) formell
gekleidet. Mein Favorit war ein kahlköpfiger ungefähr Endfünfziger, der
einen Frack trug, gelbe Schuhe, ein Umhängetäschchen und eine auffällige
Tätowierung aus drei ineinander übergehenden Sternen am Hals.
Die Veranstaltung zerfiel in zwei Teile. Der offizielle oder Showteil
bestand in der – von einzelnen Musikeinlagen unterbrochenen –
Verleihung des St. Georgs-Ordens (warum heißt das eigentlich
"Verleihung"? Müssen die das Ding wieder zurückgeben?). Dieser
unterschied sich wenig von einer Bambi-Veranstaltung oder Goldenen
Kamera, die übliche Selbstfeier der Schickeria.
Der Orden zeigt neben
dem Wahlspruch Adverso Flumine ("Gegen den Strom") das Bildnis
des Heiligen Georg zu Pferde, mit ihm sollen also Persönlichkeiten
ausgezeichnet werden, die "gegen den Strom schwimmen", und so war es ja
auch. Sigmar Gabriel etwa bekam ihn eingehändigt, und der ist gegen den
Strom bis an die Spitze der Oppositionspartei SPD und sogar ins
Auswärtige Amt geschwommen. Oder Veronica Ferres, die sich und ihrer
Familie in der Dankesrede bescheinigte, es habe ihnen "an Mut nie
gefehlt"; sie schwimmt also gleich mit der ganzen Mischpoche gegen den
Strom. Schauspieler reden hören, wenn sie einmal nicht etwas sprechen,
das ihnen jemand aufgeschrieben hat, ist fast immer ein Gedicht!
In den
Jahren davor hatte Till Schweiger diesen Orden bekommen, Thomas
Gottschalk, André Rieu, Peter Maffay und andere couragierte
Gegen-den-Strom-Schwimmer, auch veritable Weltveredler wie der Ex-Maoist
und Eurokrat Manuel Barroso, der inzwischen den Zielhafen jedes
gegenstrebigen linken Lebensplans erreicht hat: Goldman Sachs.
Die
lustigsten Bemerkungen des Abends machten zwei Sportler. Der Fußballer
Miroslaw Klose beendet seine Dankesrede für den Drachentöterorden mit
den Worten: "Einen schönen Abend Ihnen allen, und verletzen Sie sich
bitte nicht beim Tanzen"; der Boxer Arthur Abraham, der die Laudatio auf
ihn hielt, sagt später im Interview, er sei aufgeregt gewesen, Boxen
sei für ihn ja viel leichter, als eine Rede zu halten.
Dann begann der Tanzteil, in allen Etagen, Haupt- und Nebensälen, und siehe, alles war gut. MK am 28. 1. 18
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