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Donnerstag, 25. Januar 2018

Mumm

Apropos Trump. Ein Jahr ist er im Amt, und ich kann mich nicht entsinnen, einen einzigen positiven Satz über ihn in den Wahrheits- und Qualitätsmedien gelesen oder erlauscht zu haben. Ich verehre und bewundere diesen Mann grenzenlos. Trump hat die Heuchelei in der Politik beendet und sagt einfach, was er meint. Er ist eine Mischung aus Parsifal und Rienzi. Er hält seine politischen Versprechen. Er macht eine vernünftige Wirtschaftspolitik. Er holt Jobs nach Amerika zurück. Er hat die Einwanderung stark reduziert. Er hat Merkel so behandelt, wie es ihr gebührt. Seine Reden sind glänzend. Aber am meisten beneide ich ihn dafür, dass er den Hass der Journalisten – was eine Mehrheit der Journalisten hasst, ist fast immer lobenswert –, der Schauspieler, der geisteswissenschaftlichen Fakultäten, der Modemacher, der Neocons, der Transatlantiker, der Wall Street-Gauner sowie der globalen Linksschickeria auf sich vereint. Dieser Kerl hat wirklich Mumm. – Man lässt im Gespräch mit einem Unbekannten seinen Namen fallen und weiß drei Sekunden später, ob sich eine Fortsetzung der Unterhaltung lohnt. Wie freue ich mich auf seine Wiederwahl!

Apropos Trump, zum zweiten. "Zu seinen herausragenden Verdiensten gehört zweifellos eine neue Einigung der Welt", notiert der achtbare Konrad Paul Liessmann in der NZZ. "Im Fall Trump stehen wirklich alle gegen einen. Die Berichterstattung über ihn ist unisono negativ, von rechts bis links spannt sich der Bogen der Ablehnung. Differenzierte Reportagen oder Urteile sind kaum zu bekommen; dass dieser Präsident für die USA und die Welt eine Katastrophe ist, gehört ebenso zum Common Sense wie das Wissen um seine kognitive und moralische Insuffizienz: Ein geistig beschränkter Rassist und Sexist ist der mächtigste Mann der Welt.
Dieses mit nahezu allen geteilte Wissen erlaubt nicht nur ein starkes Wir-Gefühl, sondern auch ein zutiefst befriedigendes Gefühl der Überlegenheit. Angesichts des Bildes, das die Medien von Donald Trump zeichnen, angesichts der Enthüllungen aus dem Innenleben des Weissen Hauses, mit denen wir täglich konfrontiert werden, darf sich jeder dem amerikanischen Präsidenten unendlich überlegen fühlen: sensibler, gebildeter, intelligenter, vornehmer, kompetenter und auch moralischer.
Und nicht zu vergessen: Angesichts von Trump werden wir zu exzellenten Psychologen, die per Ferndiagnose Persönlichkeitsstörungen, Narzissmus, Infantilität und Grössenwahn diagnostizieren können.
Allerdings hindert uns dieses Überlegenheitsgefühl, zu erkennen, dass Trump durchaus das Zeug hat, uns die Augen über die von uns verehrte moderne Welt in kritischer Hinsicht zu öffnen. Auch Menschen, die bisher die Wahrheit für relativ, die Wirklichkeit für eine Konstruktion und die Wissenschaft für ein phallogozentristisches Manöver weisser Männer hielten, entdecken dank Trump nun ihre Liebe zu objektiven Fakten. Auch Menschen, denen bisher Unmittelbarkeit und Authentizität heilig waren, erkennen dank Trump, was diese Ideale tatsächlich bedeuten, und beginnen sich nach ein bisschen Selbstbeherrschung, vorgetäuschter Empathie und diplomatischer Verstellung zu sehnen; auch Menschen, die in den neuen Medien den Inbegriff des Fortschritts sahen, müssen sich eingestehen, dass mit Twitter und Privatfernsehen die Welt weder verstanden noch regiert werden kann. Dank Trump ist die Feststellung, dass jemand keine Bücher liest, nach Jahren der Internet-Euphorie wieder zu einem Vorwurf geworden.
Umgekehrt erlaubt es Trump auch, dass viele Annahmen und Überzeugungen, die wegen der gängigen moralischen und politischen Standards nur in unserem Unbewussten lauerten, nun ans Tageslicht treten dürfen. Das Misstrauen der Intellektuellen gegen das Volk und die Demokratie kann sich nun offen artikulieren. (...)
Donald Trump agiert wie ein Kyniker, der nicht durch Reflexionen, sondern durch Handlungen unsere vermeintlichen Wahrheiten und moralischen Gewissheiten erschüttert. Er ist zu einem Medium der Erkenntnis geworden."  MK am 24. 1. 18

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