Apropos Trump. Ein Jahr ist er im Amt, und ich kann mich nicht
entsinnen, einen einzigen positiven Satz über ihn in den Wahrheits- und
Qualitätsmedien gelesen oder erlauscht zu haben. Ich verehre und
bewundere diesen Mann grenzenlos. Trump hat die Heuchelei in der Politik
beendet und sagt einfach, was er meint. Er ist eine Mischung aus
Parsifal und Rienzi. Er hält seine politischen Versprechen. Er macht
eine vernünftige Wirtschaftspolitik. Er holt Jobs nach Amerika zurück.
Er hat die Einwanderung stark reduziert. Er hat Merkel so behandelt, wie
es ihr gebührt. Seine Reden sind glänzend. Aber am meisten beneide ich
ihn dafür, dass er den Hass der Journalisten – was eine Mehrheit der
Journalisten hasst, ist fast immer lobenswert –, der Schauspieler, der
geisteswissenschaftlichen Fakultäten, der Modemacher, der Neocons, der
Transatlantiker, der Wall Street-Gauner sowie der globalen
Linksschickeria auf sich vereint. Dieser Kerl hat wirklich Mumm. – Man
lässt im Gespräch mit einem Unbekannten seinen Namen fallen und weiß
drei Sekunden später, ob sich eine Fortsetzung der Unterhaltung lohnt.
Wie freue ich mich auf seine Wiederwahl!
Apropos Trump, zum
zweiten. "Zu seinen herausragenden Verdiensten gehört zweifellos eine
neue Einigung der Welt", notiert der achtbare Konrad Paul Liessmann in
der NZZ. "Im Fall Trump stehen wirklich alle gegen einen. Die
Berichterstattung über ihn ist unisono negativ, von rechts bis links
spannt sich der Bogen der Ablehnung. Differenzierte Reportagen oder
Urteile sind kaum zu bekommen; dass dieser Präsident für die USA und die
Welt eine Katastrophe ist, gehört ebenso zum Common Sense wie das
Wissen um seine kognitive und moralische Insuffizienz: Ein geistig
beschränkter Rassist und Sexist ist der mächtigste Mann der Welt.
Dieses
mit nahezu allen geteilte Wissen erlaubt nicht nur ein starkes
Wir-Gefühl, sondern auch ein zutiefst befriedigendes Gefühl der
Überlegenheit. Angesichts des Bildes, das die Medien von Donald Trump
zeichnen, angesichts der Enthüllungen aus dem Innenleben des Weissen
Hauses, mit denen wir täglich konfrontiert werden, darf sich jeder dem
amerikanischen Präsidenten unendlich überlegen fühlen: sensibler,
gebildeter, intelligenter, vornehmer, kompetenter und auch moralischer.
Und
nicht zu vergessen: Angesichts von Trump werden wir zu exzellenten
Psychologen, die per Ferndiagnose Persönlichkeitsstörungen, Narzissmus,
Infantilität und Grössenwahn diagnostizieren können.
Allerdings
hindert uns dieses Überlegenheitsgefühl, zu erkennen, dass Trump
durchaus das Zeug hat, uns die Augen über die von uns verehrte moderne
Welt in kritischer Hinsicht zu öffnen. Auch Menschen, die bisher die
Wahrheit für relativ, die Wirklichkeit für eine Konstruktion und die
Wissenschaft für ein phallogozentristisches Manöver weisser Männer
hielten, entdecken dank Trump nun ihre Liebe zu objektiven Fakten. Auch
Menschen, denen bisher Unmittelbarkeit und Authentizität heilig waren,
erkennen dank Trump, was diese Ideale tatsächlich bedeuten, und beginnen
sich nach ein bisschen Selbstbeherrschung, vorgetäuschter Empathie und
diplomatischer Verstellung zu sehnen; auch Menschen, die in den neuen
Medien den Inbegriff des Fortschritts sahen, müssen sich eingestehen,
dass mit Twitter und Privatfernsehen die Welt weder verstanden noch
regiert werden kann. Dank Trump ist die Feststellung, dass jemand keine
Bücher liest, nach Jahren der Internet-Euphorie wieder zu einem Vorwurf
geworden.
Umgekehrt erlaubt es Trump auch, dass viele Annahmen und
Überzeugungen, die wegen der gängigen moralischen und politischen
Standards nur in unserem Unbewussten lauerten, nun ans Tageslicht treten
dürfen. Das Misstrauen der Intellektuellen gegen das Volk und die
Demokratie kann sich nun offen artikulieren. (...)
Donald Trump
agiert wie ein Kyniker, der nicht durch Reflexionen, sondern durch
Handlungen unsere vermeintlichen Wahrheiten und moralischen Gewissheiten
erschüttert. Er ist zu einem Medium der Erkenntnis geworden." MK am 24. 1. 18
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