Stationen

Dienstag, 9. Januar 2018

Sinisteritas purissima

Ein „mysteriöses Frauensterben“, das Deutschland in Atem hält, nennt es Michael Klonovsky in seinem Blogbeitrag vom 29. Dezember 2017. Allein in der Woche vor Weihnachten ereigneten sich die versuchten und vollendeten Frauenmorde von Halle, Darmstadt, Berlin und schließlich Kandel. Die Häufung all dieser Einzelfälle verunsichert die besorgte Bevölkerung etwas, aber das wird selbstverständlich von den richtigen Qualitätsmedien schon als rechts, rassistisch und reaktionär gebrandmarkt.

Und wer so richtig progressiv menschlich und humanitär universalistisch denkt, den lassen all diese Morde sowieso kalt. Tot ist halt tot, da hilft auch keine Trauer mehr. Oder wie unser aller Bundeskanzlerin so schön sagte: Nun sind sie halt da.

Eine besondere Perle der antirassistischen Kaltschnäuzigkeit brachte dieser Tage die taz, die wirklich alles daran setzt, um sich als exponiertester „Dachschadenanzeiger“ (Wolfgang Röhl) der Linken zu behaupten. Im Zuge des Mordfalls von Kandel unterstellt der taz-Redakteur Peter Weissenburger allen, die die Nationalität des Täters für erwähnenswert halten, Rassismus und behauptet keck: „das Betrauern Einzelner ist nicht Aufgabe der Presse“. Wie recht er hat! Nicht das Betrauern Einzelner hat sich unsere Presse zum Ziel gesetzt, sondern die Erziehung Aller.

Nun bleibt aber die Frage: Ist es wirklich die Nationalität, die die entscheidende Rolle beim Mordfall von Kandel (Afghane), von Freiburg (Afghane) und von Berlin (Afghane) spielt, haben wir es also mit einer grassierenden Form von Anti-Afghanentum in Deutschland zu tun – oder ist es nicht vielmehr der Verdacht, dass die Deutschen sich ganz unabhängig von Rasse und Nationalität eine große Zahl ihrer eigenen Henker ins Land geholt haben, die sie brav betreuen, durchfüttern und zu therapieren versuchen, die jedoch ganz unbeeindruckt davon etwas ganz anderes im Schilde führen?
Und auch wenn immer mehr Menschen ihre Flüchtlingseuphorie inzwischen gegen eine „mürrische Indifferenz“ (Herfried Münklers Ratschlag 2016) eingetauscht haben, so erhebt all diese Einzelfälle über die unbestreitbare Tatsache, jedes Mal ein Einzelschicksal zu beschreiben, doch der Umstand, dass hier ein Staat, der die Grenzen unkontrolliert geöffnet hat, der Kinder mit Bärten, die behaupteten, 12 Jahre zu sein, als Minderjährige durchwinkte, und den – so schlicht kann man es sagen – die Wahrheit vorsätzlich nicht interessierte, eine Gefahrenlage produziert hat, welcher nun einige Schon-länger-hier-Lebende zum Opfer gefallen sind und weitere sicher noch fallen werden.
Denn ob es sich um Minderjährige, scheinbar Minderjährige, ganz offenbar Nicht-mehr-Minderjährige oder einfach nur um Menschen mit 14 Identitäten handelt: Sie alle verbindet ein systematischer Umgang des staatlichen Wegschauens und behördlichen Desinteresses, verbunden mit der Überzeugung, dass, wenn sich alle gemeinsam nur dumm genug stellen und das Geld zum Fenster rauswerfen, schon alles gut werden wird. Pustekuchen!
Als der Gonzo-Gottseibeiuns Akif Pirinçci bereits 2013 unter dem Titel „Das Schlachten hat begonnen“ einen viel geschmähten Text auf der Achse veröffentlichte, schlugen die Wellen hoch. Ob dieses Schlachten inzwischen – anders jedoch, als Pirinçci es vorhergesagt hatte, denn im Jahr des Herrn 2013 deutete noch nichts auf die große Öffnung der weisen Kanzlerin hin – eingesetzt hat, oder ob sich einfach nur viel zu viele Menschen im Land befinden, die – um es mal auf den Punkt zu bringen – alimentierten Abenteuerurlaub in einem der reichsten Länder der Erde machen, sei dahingestellt.
Dass die Zahl der abgelehnten Asylbewerber unter denen, die „polizeibekannt“ (welch hübscher Euphemismus!) sind, den Großteil ausmacht, legt zumindest den Verdacht nahe, dass die Problematik nicht bei denen liegt, die als wirkliche Flüchtlinge ins Land kamen, sondern bei einem Staat, der wider besseren Wissens jeden zu einem Flüchtling erklärte und derart ein atemberaubendes Sozialexperiment startete, das inzwischen die ungezählten aus dem Leben Getretenen, Gemesserten und Vergewaltigten nicht mehr recht verbergen kann.

Sozialexperiment? Habe ich wirklich Sozialexperiment geschrieben? Das ist doch genau das, was die bösen Rauner vom rechten Rand immer behaupten: Da ist eine Ex-DDR-lerin als Kanzlerin, die angetreten ist, die letzten Reste des funktionsfähigen Deutschlands zu beseitigen und einen orientalischen Bevölkerungsaustausch vorzunehmen, um das große sozialistische Experiment der „One World“ endlich Wirklichkeit werden zu lassen. Nun, die Realität könnte eine ganz andere sein, und es war einer der Säulenheiligen der Linken, der Neomarxist Ernst Bloch (1885 - 1977), der dieses Sozialexperiment in all seiner luziden Klarheit bereits 1930 beschrieb.

Ernst Bloch war ein nur mäßiger Denker, aber ein großer Sprachmaler, dessen Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung“ vornehmlich literarische und nicht philosophische Qualität besitzt. 1930 kam ein Band mit kurzen Prosastücken von ihm in den Handel, der den Titel „Spuren“ trug. In ihm findet sich die Kurzgeschichte „Armer und reicher Teufel“, die mit einem fast beiläufigen Satz beginnt, der jedoch den Irrsinn der Gutmeinenden unter den Deutschen seit 2015 wie in einem Brennglas bündelt: „Reiche Leute wollen gern spielen, setzen dabei arme ein.“
Bloch beschreibt in wenigen Zeilen den Fall eines reichen Gönners, der einen jungen Bergarbeiter auswählt, um drei lange Jahre – ausgestattet mit allem Komfort und finanziellen Mitteln – um die Welt zu reisen und Teil der Society der Schönen und Reichen zu sein. Jeder noch so exotische Wunsch, schreibt Bloch, ließ sich derart erfüllen. Der junge Mann „reiste in den Opernglanz von Europa, hatte Glück bei Frauen und zeigte Begabung dafür“. Es gab nur einen Pferdefuß an diesem „Spiel“: Der junge Mann hatte sich dazu verpflichten müssen, nach Ablauf der drei Jahre zurück in die Grube zu fahren und sich wieder als einfacher Bergarbeiter zu verdingen.
Als nun die Jahre des Abenteuers vorüber waren, zog er „die alten Kleider wieder an und stieg in die Grube zurück, zu den Kohlen, blinden Pferden, Kameraden, die ihm so fremd geworden waren und die ihn verachteten. Stieg ins Bergwerk zurück – unvorstellbar jetzt die ersten Tage, Monate, der Gegenschein und jetzige Kontrast, die Einfahrt ums Morgengrauen, die Arbeit auf dem Rücken, das Schwitzen, Husten, der Kohlenstaub in den Augen, der schlechte Fraß, das Bett mit dreien.“
Als Visionär, der Ernst Bloch ist, lässt er seine kurze Geschichte damit enden, dass der junge Mann mit seinem neuen alten Schicksal im Bergwerk nicht zurecht kommt, seinen reichen Gönner aufsucht und ihn – erschießt. Im letzten Satz nimmt dann der 1930 noch überzeugte Stalinist Ernst Bloch die Grundidee seines „Prinzips Hoffnung“ vorweg, die in Anbetracht der Laxheit der Justiz im Deutschland des Jahres 2017 keine Utopie mehr, sondern eine reale Dystopie geworden ist: „Für den Arbeiter hatte man danach Verständnis; das Gericht sprach ihn frei.“ Denn merke: der Kommunist versteht sich nach außen als Pazifist, nach innen aber liebt er den Bürgerkrieg.
Am Ende, so werden es uns die Öffis und die taz weiterhin weiszumachen versuchen, war auch der Mord an dem Gönner nur eine Beziehungstat, über die zu berichten nicht lohnt. Das Spiel kann munter weitergehen.
Vom Autor erschien kürzlich das Buch: Markus Vahlefeld: Mal eben kurz die Welt retten – Die Deutschen zwischen Größenwahn und Selbstverleugnung, Mai 2017. Erhältlich im Buchhandel, auf amazon oder direkt auf markus-vahlefeld.de

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