Das folgende Gedicht "Avenidas", also "Alleen" des bolivianisch-schweizerischen Dichters Eugen Gomringer wird demnächst tatsächlich aus der Öffentlichkeit verschwinden:
avenidas
avenidas y flores
flores
flores y mujeres
avenidas
avenidas y mujeres
avenidas y flores y mujeres y
un admirador.
Auf Deutsch bedeutet das:
Alleen
Alleen und Blumen
Blumen
Blumen und Frauen
Alleen
Alleen und Frauen
Alleen und Blumen und Frauen und
ein Bewunderer
Sollten Sie sich beim Lesen fragen, warum diese Zeilen unbedingt von
einer Hochschulfassade entfernt werden müssen, dann sind Sie offenbar
nicht in der Lage, Diskriminierungen in der Sprache zu erkennen. Diese
Lyrik ist sexistisch und frauenfeindlich.
Schon vor Monaten
hatten eifrige Tugendwächter unter den Studenten der
Alice-Salomon-Hochschule in Berlin den Ungeist der hauseigenen
Fassadeninschrift entlarvt. Doch zuerst wurden sie – wie so manch andere
Tugendwächter auch – nicht ernst genug genommen. Der Dichter, Eugen
Gomringer, war schließlich bekannt und über jeden Verdacht falscher
Gesinnung erhaben. Das Deutsche PEN-Zentrum und der Kulturrat forderten
den Erhalt der Lyrik an der Fassade und auch in der internationalen
Kulturwelt sorgte der Fall für Aufsehen.
Es mag viele kopfschüttelnde Beobachter gegeben haben, die die
Eiferer belächelten und darauf vertrauten, dass kunstsinnige Professoren
und die doch sicher kulturbeflissene Leitung der Hochschule einen solch
barbarischen Akt der Lyrik-Zensur nicht zulassen würden.
Doch offenbar wiegt die Angst schwerer, eventuell von Aktivisten als
Sexist, als vorsätzlicher Saboteur an der politischen Korrektheit oder
gar als Rechter gebrandmarkt und angeprangert zu werden. So muss man
die Meldung wohl
deuten, nach der der Akademische Senat mehrheitlich beschloss, das
Gedicht zu entfernen. Nehmen wir also Abschied von Eugen Gomringers
Zeilen.
Im Herbst wird dieses sexistische Gedicht durch hoffentlich
ungefährliche Verse ersetzt. Sollte Ihnen die zensierte Lyrik gefallen
haben, dann speichern Sie diese Zeilen am besten, denn wenn etwas erst
einmal als „sexistisch“ gebrandmarkt ist, wird es vielleicht auch aus
Büchern verschwinden, nicht mehr gedruckt und fällt möglicherweise
irgendwann auch der Netzbereinigung zum Opfer. meint Peter Grimm
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