Bei der verzweifelten Suche nach einem möglichen Merkel-Nachfolger
wurde immer mal wieder der Name von Friedrich Merz genannt. Welch ein
Irrtum! In den Diadochenkämpfen nach dem Sturz von Wolfgang Schäuble war
dem bislang nicht zum inneren Kreis gehörenden Merz unerwartet der
Bundestags-Fraktionsvorsitz zugefallen, nachdem Angela Merkel sich
ebenso überraschend den Parteivorsitz gesichert hatte. Damit verwehrte
man Merkel vorerst den Zugriff auf den Fraktionsvorsitz. Damals glaubte
der Rest des berühmten, aber bereits lahmen „Andenpaktes“ jüngerer,
ehrgeiziger CDU-Männer, sich noch aussichtsreiche Positionen für die
Zeit nach der nächsten Kanzlerwahl sichern zu können. Die Rechnung war,
dass Edmund Stoiber den Kampf um die Kanzlerkandidatur gewinnen würde
und Merkel danach leicht als Vorsitzende zu stürzen wäre.
Bis dahin hatte „Kohls Mädchen“ noch niemand als ernsthafte
Konkurrenz gesehen. Merkels Stärke war immer, dass sie unterschätzt
wurde. Mit ihrem Coup, nach Wolfratshausen zu Stoiber zu fliegen und ihm
beim Frühstück die Kandidatur auf dem Tablett zu servieren, hatte
keiner gerechnet. Nun war sie die Kanzlerkandidaten-Macherin und
unangreifbar. In dieser Situation ließ sich Merz, wie in der
Unions-Bundestagsfraktion kolportiert wurde, von Stoiber versprechen,
dass er nach der Wahl Fraktionsvorsitzender bleiben würde, angeblich
sogar für den Fall, dass Stoiber verlieren sollte. Fakt ist, dass er es
in den zwei Jahren als Fraktionsvorsitzender nicht vermocht hat, eine
stabile Anhängerschaft zu gewinnen. Er war vor allem nicht Manns genug,
mit Merkel um diese Position zu kämpfen.
Merz saß dann noch ein paar Jahre als beleidigte Leberwurst im
Bundestag herum, ehe er sich auf einen hoch dotierten Posten
verabschiedete. Wegen seiner scheinbar wirtschaftsliberalen Positionen
wurde er für einen Konservativen gehalten, wenigstens von den
orientierungslosen Konservativen als Verlust betrauert. Vor wenigen
Monaten hat sich Merz kurz als Merkel-Kritiker zu Wort gemeldet, aber
wieder nicht den Schneid gehabt, auf den Parteitag zu gehen und sie
herauszufordern.
Mit seiner Ablehnung des Preises der Ludwig-Erhard-Stiftung hat Merz
endgültig klar gemacht, dass man ihn vergessen kann. Wenn er schon Angst
hatte, diesen Preis aus den Händen von Roland Tichy entgegenzunehmen,
hätte er es wenigstens für sich behalten sollen. Dabei vertritt Tichy
mehr oder weniger die Positionen, für die Merz selbst stand, zuletzt als
Merkel-Kritiker. Mehr Selbstverleugnung aus Feigheit vor dem linken
Mainstream geht kaum.
Das Handelsblatt, das Merz Ablehnung des Preises zum Skandal
hochgeschrieben hatte, präsentierte kurz darauf den „Beifall von der
Politik“. Allen voran Alexander Lambsdorff, der ein eifriger Arbeiter
für das FDP-Projekt „Unter-5-Prozent“ ist. Er twitterte:
„Endlich steht jemand aus dem bürgerlichen Lager auf und entlarvt
@RolandTichy, dessen rechtspopulistischer @TichysEinblick nicht
zufällig so oft auf den Pulten der @AfD im Bundestag liegt. Danke,
Friedrich #Merz”.
Was der Freiherr und Graf offensichtlich nicht zu begreifen imstande
ist, ist die einfache Tatsache, dass eine Oppositionspartei die
Regierung zu kontrollieren hat, statt der Oppositionsführerin die
alleinige Opposition zu überlassen. Es liegt auch an der lauen
Performance der FDP, dass die Zustimmung für die AfD unaufhaltsam
wächst. Hoffen kann die FDP nur, dass der nächste Fauxpas von Alexander
Gauland diesen Trend stoppt. Was würde wohl Otto Graf Lambsdorff sagen,
wenn er das erleben müsste?
Die versuchte Stigmatisierung Roland Tichys wirft nur ein erneutes
Schlaglicht auf die Hypernervosität des Merkel-Lagers. Man spürt immer
stärker, dass der Boden unter den Füßen ins Rutschen kommt. Aber statt
soliden Grund zu suchen, lenkt man lautstark mit der Schaffung von
Pseudo-Skandälchen davon ab, dass man jeden festen Halt verloren hat. Lengsfeld
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