Diese wenigen Gemeinsamkeiten könnten einen dazu verführen, die absurde Parallelgeschichte beider so verschiedenen Sozialdemokraten zu erzählen, die dauerhaft ins Visier engagierter Inquisitoren geraten sind. Bei Thilo Sarrazin ist das bekanntlich seit acht Jahren so, seit er seinen damaligen Skandal-Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ veröffentlicht hat. Würde man das Buch heute noch einmal lesen, käme es einem möglicherweise gar nicht mehr so aufsehenerregend vor, denn die Zuwanderung eines Millionenheeres mehrheitlich junger muslimischer Männer aus Arabien, Afrika und Afghanistan hat Deutschland spürbar verändert. Das Zusammenleben mit diesen wollte Sarrazins und Hansens Genossin Aydan Özoguz, bekanntlich die Integrationsbeauftragte der vorigen Bundesregierung, täglich neu aushandeln. Solchen und anderen mittlerweile realen Irrsinn hat Sarrazin in seinem Buch 2010 nun wirklich nicht prognostiziert.
Dennoch haftet der Ruf des Bösewichts seither so nachhaltig an ihm, dass jede Lesung aus einem seiner folgenden Bücher für den jeweiligen Veranstalter das Risiko eines Antifa-Überfalls mit sich brachte. Allerdings war dieser Ruf dem Verkauf seiner Bücher nicht hinderlich, im Gegenteil. Für den Verlag war jedes Sarrazin Buch ein gutes Geschäft.
Kerstin Hansen, Tierärztin aus Langballig in der Nähe von Flensburg, kennt Antifa-Angriffe auch. Das Wohnhaus ihrer Familie wurde attackiert, denn ihr Mann Frank engagiert sich in der AfD. In seiner Partei gehört er zu den Vertretern der Alternativen Mitte, einer Strömung, die sich eindeutig von den Rechtsauslegern in der Partei distanziert. Dennoch legten ihr einige ihrer Genossen nahe, sich doch scheiden zu lassen. Aus dem Kreisvorstand zog sie sich daraufhin zurück, doch vor Ort sprachen ihr ihre Genossen aus dem Ortsverein ihr Vertrauen aus und sie blieb ihre Vorsitzende.
Das alles ist schon absurd genug, und auch wenn die beiden Sozialdemokraten Hansen und Sarrazin in keinem direkten Kontakt stehen, so haben sich doch bei beiden die Spannungen ohne ihr Zutun zeitgleich in einer Weise verschärft, die vermuten lässt, dass es in Deutschland auf ganz verschiedenen Ebenen einen spürbaren politischen Klimawandel gibt. Es fühlt sich inzwischen an vielen Stellen so an, als würde sich das einstmals recht stabile demokratische Gemeinwesen zugunsten eines vormundschaftlichen Staates auflösen.
Angst, „islamkritische Stimmungen“ zu verstärken?
Galt bislang, dass ein Mann wie Thilo Sarrazin, trotz aller Anfeindungen, frei publizieren konnte, auch weil seine Bücher jedem Verlag ein gutes Geschäft versprachen, meldete am Ende dieser Woche die Bild-Zeitung: "Nach BILD-Informationen will der Random House Verlag trotz eines bestehenden Autoren-Vertrags das neue Buch von Sarrazin über den Islam nicht veröffentlichen". Weiter hieß es unter Berufung auf Verlagskreise, es gebe bei Random House Sorgen, Sarrazins neues Buch könnte islamfeindliche Kräfte im Land weiter anheizen. Der Titel des Buches lautet „Feindliche Übernahme – Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“.Die FAZ ergänzt zu der Affäre: Im Gespräch mit der „Bild“-Zeitung sagte Sarrazin, dass Random House „nach langem Hin und Her über den Veröffentlichungstermin“ schließlich Anfang Mai entschieden habe, das Buch überhaupt nicht zu veröffentlichen. Grund dafür seien Sarrazin zufolge Bedenken an der Spitze des Verlages, dass das neue Buch islamkritische Stimmungen aufgreifen und verstärken könne.
Markus Desaga, Presseleiter des zu Random House gehörenden Verlags DVA Sachbuch, bestätigte gegenüber „boersenblatt.net“ eine Auseinandersetzung mit Sarrazin über „ein unveröffentlichtes und nicht angekündigtes Buch“, die am Montag vor Gericht verhandelt werde.“
Auch wenn das Buch nun, wie in demselben Artikel berichtet wird, bereits einen neuen Verleger gefunden hat, so ist es doch beunruhigend, wenn einer der größten Verlagskonzerne ein bereits abgenommenes und bezahltes Manuskript aus Angst davor, dass es „islamkritische Stimmungen aufgreifen und verstärken könne“ nicht veröffentlichen will, obwohl es ein gutes Geschäft verspricht. Ist es ängstliche Selbstzensur? Ist es die Befürchtung, es könne andere Geschäftsinteressen stören? Für die publizistische Kultur, deren Vielfalt und eine offene Debatte ist dieses Vorgehen mehr als ein Alarmsignal.
Verglichen damit erscheinen die Vorgänge in Langballig bei Flensburg natürlich eher als Petitesse. Aber sie sind vielleicht auch ein Zeichen der selben Klimaveränderung im Lande.
Ehegatte mit falschem Parteibuch
Die Hansens wurden bei den Kommunalwahlen beide in den Gemeinderat gewählt, sie für die SPD und er für die AfD. Frank Hansen ist auch in den Kreistag gewählt worden. Die konstituierende Sitzung des Gemeinderates war nun dummerweise zum gleichen Termin angesetzt wie die erste Sitzung des Kreistages. Frank Hansen entschied sich, an der Sitzung des Kreistages teilzunehmen und dem Gemeinderat eine Erklärung zu schreiben. Praktischerweise, und in einer kleinen Gemeinde nicht ungewöhnlich, bat er seine Frau, diesen Brief zu verlesen. Wäre er nicht in der AfD, hätte niemand daran Anstoß genommen. So aber wurde es zum Politikum. Zwar nicht im Gemeinderat, aber der SPD-Kreisvorstand nahm dies zum Anlass, die Genossin mit dem falschen Ehemann zu maßregeln, wie shz.de berichtet:„[…] nun ist auch der SPD-Kreisvorstand mit ihrer Genossin hart ins Gericht gegangen und hat einstimmig eine „politische Missbilligung“ ausgesprochen. Weitere Schritte behalte man sich vor, heißt es in einer Pressemitteilung, die der Kreisvorstand am Mittwoch verschickte.
Demnach haben sich die Parteigranden in einer Sitzung am Montag dieser Woche intensiv mit ihrem ehemaligen Vorstandsmitglied befasst. Dass Kerstin Hansen als Genossin mit einem AfD-Mann verheiratet ist, das sei Privatsache, heißt es einleitend. „Wenn dieses Paar sich jedoch in die Öffentlichkeit begibt und wenn die Provokationen des Frank Hansen aktiv durch seine Frau Kerstin verlesen werden, dann verlässt das Paar den privaten Schutzraum und wird auch für die SPD relevant.“
Die „weiteren Schritte“ können eigentlich nur ein Parteiausschlussverfahren bedeuten. Die regionalen SPD-Funktionäre, die Kerstin Hansen schon aus dem Kreisvorstand mobbten, können es möglicherweise nur schwer ertragen, dass das mittlerweile bundesweit bekannte Paar viel Zuspruch erfahren hat.
Nach einem Bericht von Achgut.Pogo wurde die Maischberger-Redaktion auf die Hansens aufmerksam und lud sie in die Sendung ein. Dort zeigten die beiden nahezu beispielhaft, wie kultiviert und produktiv man mit politischen Meinungsverschiedenheiten umgehen kann, auch in der eigenen Familie. Das trug ihnen viel Sympathie ein, aber auch den Zorn eingefleischter Ideologen.
Dass sich der SPD-Ortsverein trotz der Haltung des Kreisvorstands hinter Kerstin Hansen gestellt hatte, scheint die Funktionäre umso mehr erbost zu haben. Bei shz.de heißt es:
„Im Oktober wurde das Ehepaar in die ARD-Talkshow „Maischberger“ eingeladen – um zum Teil gemeinsame politische Positionen zu vertreten. Für viele in der Kreis-SPD war da schon die Grenze des Erträglichen erreicht. Nun fordert der Kreisvorstand Kerstin Hansen auf, „sich endlich klar zu bekennen und nicht als Steigbügelhalter für die AfD zu agieren“.
Gemeinsame Positionen? Wenn ein AfD-Mann sagt, dass morgens die Sonne aufgeht, ist das nicht falsch, nur weil er ein AfD-Mann ist. Diese Binsenweisheit scheint mittlerweile schon eine außergewöhnliche Erkenntnis zu sein.
Gestiegener Hysteriepegel
Ob bei Thilo Sarrazin im Großen oder Kerstin Hansen im Kleinen: Der gestiegene Hysteriepegel bei den Reaktionen auf einstmals völlig normale Beiträge zeigt einen fatalen Klimawandel an.Das noch nicht veröffentlichte Buch von Thilo Sarrazin kennen wir nicht, aber den inkriminierten Brief von Frank Hansen, den seine SPD-Frau nur verlesen hat. Ob das nun AfD-Hetze war, beurteilen Sie am besten selbst:
„Sehr geehrte alte und neue Gemeindevertreter,
die heutige konstituierende Gemeindevertretersitzung kollidiert leider mit der ersten Kreistagssitzung, so dass ich nicht anwesend sein kann.
Darum erlaube ich mir, durch Verlesung eines Grußwortes durch meine Frau ein paar Worte an Sie zu richten.
Ich möchte mich bedanken, für diese lehrreiche, lebhafte und sehr interessante Zeit in der Gemeindevertretung von Langballig. Mein besonderer Dank gilt der Aktiven Bürgerliste Langballig, mit der ich in die Gemeindevertretung einziehen konnte. Schade, dass lhr nicht mit Ulli Dehn als Bürgermeisterkandidaten in den Kommunalwahlkampf gezogen seid. Seine Seele ist zwar grün angehaucht, aber er ist ein Macher und kein Bevormunder, weshalb ich ihn als Bürgermeister gerne gesehen hätte.
Für mich bleibt die Aktive Burgerliste das ideologieunbelastet beste politische Angebot auf dem Politikmarkt Langballig. Ich befürchte, Ihr wisst gar nicht, wie gut Ihr seid.
Gerne hätte ich mit Kevin zusammen die Interessen Langballigs und unseres Amtes im Kreistag vertreten. Die CDU hat ihn nicht wieder aufgestellt, er wollte wohl auch nicht mehr oder er hat nicht mehr wollen dürfen. Das ist bei Altparteien immer so eine Sache.
Als Bürger von Langballig, der ab heute im Kreistag sitzt, stehe ich natürlich der gesamten Gemeindevertretung zur Verfügung, egal welcher Ausrichtung. Hierbei bitte ich auch ULLA jegliche Scheu abzulegen. Beweist bitte, dass lhr kein Wurmfortsatz der GRAND OLD PARTY seid.
Auch wenn viele Anwesende meine Partei nicht mögen oder sogar verabscheuen, erlaube ich mir auf folgendes zur Stimmungslage in unserem Land und in der Gemeinde hinzuweisen.
Auch wenn das letzte Wahlergebnis es nicht hergibt: In Langballig dürften wir die höchste AfD-Mitgliedsdichte in Schleswig-Holstein haben. Hätten wir landesweit so einen Schnitt, hätte die AfD in Schleswig-Holstein mehr Mitglieder als die Grünen oder die FDP.
Nur warum sieht und hört man nichts von diesen Mitgliedern?
Warum sind sie nicht mit einer eigenen Liste zur Kommunalwahl angetreten?
Ganz einfach, weil diese Bürger Angst vor der Stigmatisierung und Ausgrenzung haben, wie es die Familie Hansen – und nicht Frank Hansen – teilweise erleben kann. Wenn dieses Land ein freies Land bleiben soll, dann muss es möglich sein, sich unbeschadet zu seiner Meinung zu bekennen.
Ich wünsche der Gemeindevertretung viel Erfolg bei ihrer Arbeit. Redet miteinander und nicht nur übereinander – und hört auch zu was der Andere zu sagen hat.“
Ein Satz in dieser Erklärung fasst treffend zusammen, was selbstverständlich sein sollte, aber es leider nicht mehr zu sein scheint, wie die Fälle Sarrazin und Hansen zeigen:
„Wenn dieses Land ein freies Land bleiben soll, dann muss es möglich sein, sich unbeschadet zu seiner Meinung zu bekennen.“
Dieser Beitrag erschien auf sichtplatz.de
Hier einige Beiträge von Achse-Autor Thilo Sarrazin auf Achgut.com
Merkel wird durchhalten
Seehofer fängt mit dem Scheitern an
Die Massen-Zuwanderung war Unrecht. Das ist kein Mythos.
Professor Unfug legitimiert den Rechtsbruch
Anmerkungen eines Nicht-Hilfreichen
Und hier geht es zum Achgut.Pogo-Beitrag über die Hansens:
Wenn SPD und AfD verheiratet sind
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